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Vorwort der Herausgeber.

Die Jahresberichte für deutsche Geschichte, deren ersten Band wir hiermit der Öffentlichkeit vorlegen, sollen in die Lücke treten, die durch das Eingehen der Jahresberichte der Geschichtswissenschaft gerissen und wegen der Schwierigkeiten der Nachkriegszeit durch die Jahresberichte der deutschen Geschichte trotz der dankenswerten Anstrengungen des Herausgebers und der Verlagsbuchhandlung nicht ausgefüllt worden ist. Sie stecken ihr Ziel freilich nicht so weit wie die alten Jahresberichte, die das Gesamtgebiet der Weltgeschichte zu umfassen strebten. Sie verzichten von vornherein darauf, über die Literatur zur Geschichte des Auslandes Bericht zu erstatten, weil diese Aufgabe, wie die Erfahrung der Vorkriegszeit bewiesen hat, vollständig und rechtzeitig nicht erfüllt werden kann. Sie erübrigt sich auch deswegen, weil die internationale Vereinigung für historische Wissenschaften demnächst wenigstens eine Bibliographie der gesamten Geschichtswissenschaft herausgeben wird. Die neuen Jahresberichte beschränken sich auf die deutsche Geschichte. Wir gehen dabei, wie es sich von selbst versteht, von dem historischen Deutschland, nicht vom heutigen Umfang des Deutschen Reiches aus und berücksichtigen daher auch die Gebiete, die einst zum Deutschen Reiche gehört haben, aber im Laufe der Geschichte von ihm getrennt worden sind. Wir behandeln ferner diejenigen Glieder des deutschen Volkes, die außerhalb des politischen Reichsverbandes stehen, bringen also einen Abschnitt über das Deutschtum im Auslande, der in den alten Jahresberichten fehlte, und ziehen auch die ausländische Literatur zur deutschen Geschichte in weitestem Umfang heran, wobei wir der in Deutschland bisher vielfach weniger beachteten wissenschaftlichen Arbeit der slawischen und der anderen osteuropäischen Nationen aus praktischen Erwägungen heraus besondere Abschnitte widmen. Leider sind wir in diesem Jahre noch nicht in der Lage, Berichte über die russische und polnische Literatur zu bringen. Wie weit wir den Rahmen gesteckt haben, mag im einzelnen die Inhaltsübersicht zeigen.

Auch in dem Aufbau unserer Jahresberichte sind wir von dem Vorbild der alten Jahresberichte abgewichen, indem wir im Interesse der Übersichtlichkeit die Bibliographie als in sich geschlossenes Ganzes von den Forschungsberichten getrennt haben. Sie beschränkt sich auf die Literatur von allgemeinerer Bedeutung, gibt auch für das weite Gebiet der Vor- und Frühgeschichte, dem neuerdings eine eigene Bibliographie gewidmet ist, nur die Titel der im Forschungsbericht besprochenen Arbeiten.

Die Trennung von Bibliographie und Forschungsberichten wird wohl allgemein als Verbesserung anerkannt werden. Weniger einhellig dürfte das Urteil über die Einteilung der Forschungsberichte ausfallen. Indem wir neben die teils

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zeitlich (Abt. B), teils sachlich (Abt. C) gegliederten Berichte über die allgemeine deutsche Geschichte noch eine weitere Abteilung (D) für die einzelnen deutschen Landschaften gestellt haben, sind wir in die Gefahr einer Doppelberichterstattung geraten, wie sie bereits bei den Jahresberichten der deutschen Geschichte gelegentlich von der Kritik bemängelt worden ist. Aber wir glauben, daß eine solche Doppelberichterstattung eine unvermeidliche Folge unserer Geschichte ist, die ja nicht einfach im Rahmen von Reich und Volk verlaufen ist, sondern daneben in Einzelstaaten und Stämmen engere Kreise mit selbständigem und doch zugleich den Gesamtverlauf vielfach berührendem Leben geschaffen hat. Wenn wir so die von uns gewählte Einteilung zu rechtfertigen suchen, so soll das nicht etwa heißen, daß wir der Kritik vorbeugen wollten. Wir bitten vielmehr die Fachgenossen und alle Benutzer der Jahresberichte, die Arbeit der kommenden Jahre durch Verbesserungsvorschläge zu fördern, und geben die Versicherung, daß wir jeden Vorschlag gründlich prüfen werden. Hinsichtlich des Kapitels über die deutsche Historiographie bemerken wir, daß es diesmal nur die neuere Geschichtschreibung enthält, weil uns wichtigere allgemeine Literatur über die Geschichtschreibung des Mittelalters aus dem Jahre 1925 nicht bekanntgeworden ist. Das Berichtsjahr ist für Bibliographie und Forschungsberichte einheitlich das Jahr 1925. Nur in dem Abschnitt über die Scholastik sind wir auf Bitten des Herrn Berichterstatters davon abgewichen und haben einen Bericht über die gesamte Literatur auf diesem Gebiete seit 1921 aufgenommen. Die Gründe dafür liegen in den besonderen Verhältnissen dieses Teilgebietes. Wir glauben aber, daß die Benutzer der Jahresberichte dieses Abweichen von der Regel gerade bei diesem Gebiet gern in Kauf nehmen und auch mit dem bibliographischen Anhang zu diesem Abschnitt einverstanden sein werden, weil eine vollständige Bibliographie gerade auf dem Gebiete der Scholastik besonders schwierig zu beschaffen ist. Auch zu dem Kapitel über die Geschichte des Deutschtums im Auslande bringen wir im Anhang zu dem Texte eine unser Material ergänzende Bibliographie des weit zerstreuten und schwer erreichbaren Stoffes, die uns durch das Institut für Grenz- und Auslanddeutschtum an der Universität Marburg zur Verfügung gestellt worden ist.

Wir hätten an ein so weitausschauendes Unternehmen wie die Herausgabe der Jahresberichte nicht herangehen können, wenn wir nicht von vielen Seiten Unterstützung gefunden hätten. Dafür auch an dieser Stelle unseren aufrichtigen Dank zu sagen, ist uns eine angenehme Pflicht. Er gilt zunächst dem Reichsministerium des Innern, dem Auswärtigen Amt, dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung und der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, die in verständnisvoller Würdigung der Bedeutung der Jahresberichte nicht bloß für die Geschichtsforschung in Deutschland, sondern auch für ihr Ansehen im Auslande die Gesellschaft »Jahresberichte für deutsche Geschichte« ins Leben gerufen und ihr die notwendigen Geldmittel zur Verfügung gestellt haben. Er gilt ferner dem Herrn Generaldirektor der Staatsarchive und dem Herrn Generaldirektor der Staatsbibliothek; sie haben als Mitglieder des Kuratoriums der Gesellschaft uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden und durch Beurlaubung des Herrn Staatsarchivrats Dr. Loewe, der durch seine früheren bibliographischen Arbeiten, insbesondere durch die Herausgabe der Jahresberichte der deutschen Geschichte für die Mitarbeit besonders

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berufen ist, sowie durch die Bereitstellung eines Arbeitsraumes in der Staatsbibliothek die rasche Aufnahme und Durchführung der Arbeiten ermöglicht. Unser Dank richtet sich ferner an die große Zahl von Fachgenossen, die durch Übernahme der Berichterstattung einen wesentlichen Teil der Arbeit geleistet haben. Mit Genugtuung stellen wir fest, daß der Aufruf zur Unterstützung, den wir etwa vor Jahresfrist an die Fachgenossen haben hinausgehen lassen, fast allenthalben auf freudigen Widerhall und willige Tatbereitschaft gestoßen ist, und daß alle Berichte bis auf einen -- Kirchengeschichte des Mittelalters -- rechtzeitig eingegangen sind. Endlich sei auch der Verlagsbuchhandlung dafür gedankt, daß sie die Jahresberichte unter ihre Obhut genommen und die Herstellung dieses Bandes tatkräftig gefördert hat.

Aber nicht mit Worten des Dankes allein können wir schließen; wir verbinden mit ihnen die herzliche und dringende Bitte an alle, die zum Gelingen dieses ersten Bandes beigetragen haben, daß sie uns auch ferner zur Seite stehen und dabei helfen mögen, die Jahresberichte zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel für unsere Wissenschaft auszugestalten. Zugleich bitten wir die Verleger historischer Literatur und die Verfasser von Zeitschriftenaufsätzen, daß sie durch Zusendung von Rezensionsexemplaren unseren Mitarbeitern die mühevolle Arbeit der Berichterstattung erleichtern mögen.

Berlin, im Oktober 1927.
Albert Brackmann.     Fritz Hartung.