II. Urkundensprache.

Edda Tille ( 655) behandelt die niederländischen Urkunden des Herzogtums Geldern bis etwa 1500. Innerhalb jeder Kanzlei ist eine klare Linie sprachlichen Werdens sichtbar. Um die Sprachentwicklung dieses Gebiets zu erklären, gibt sie eine Übersicht über die politische und territoriale Entwicklung Gelderns sowie über dessen Handelsbeziehungen zum Auslande. Diese waren zu den deutschen Gebieten, also rheinaufwärts, weit reger als zu den niederländischen. Auf den Landwegen scheinen sich dort sprachliche Wandlungen langsamer als auf den Wasserstraßen verbreitet zu haben. Für die Sprache wird es von Wichtigkeit, daß Geldern als deutsches Lehen mit dem Reich in Verbindung stand und besonders zu Köln, das in kultureller Hinsicht als Vorbild gilt. Je stärker für Geldern der Verkehr rheinaufwärts wird, desto stärker werden die deutschen Einflüsse in seiner Urkundensprache, wofür T. interessante, auch prinzipiell bedeutsame Belege gibt. Der ursprünglich völlig zur niederländischen Spracheinheit gehörige Bestand der Urkunden wird durch das Eindringen der deutschen Sprache zersetzt und ersetzt. »Sowohl die politische wie die Wirtschafts- und Geistesgeschichte haben hier gewaltig umgestaltend, zerstörend und neu aufbauend gewirkt.«

Johan Carlie ( 656) geht von dem Einfluß der Hanse auf die Verkehrs- und Urkundensprache in den nordischen Ländern aus. Zwischen den Hansestädten und den nordischen Reichen wurde in niederdeutscher Sprache verhandelt, und auch innerhalb der Grenzen Skandinaviens spielte die mittelniederdeutsche Hansesprache eine bedeutende Rolle. C. will den nordischen Einfluß auf das Niederdeutsche durch Aufdeckung skandinavischer Entlehnungen in den mittelniederdeutschen Schriftstücken der dänischen Königskanzlei feststellen. Er behandelt Organisation, Obliegenheiten und Arbeitsweise der dänischen Königskanzlei und weist nach, daß die Schreiber in älterer Zeit Deutsche gewesen waren; in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts kann man geradezu von einer deutschen Kanzlei sprechen. Auch hochdeutsche Urkunden sind gelegentlich von den dänischen Königen ausgestellt worden, aber nur, wenn sie während einer Reise auf hochdeutschem Gebiet geschrieben wurden. Die dänische Sprache wird in den Königsurkunden erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts häufiger. Die Sprache ist vorwiegend nordniedersächsisch, wobei für das 14. Jahrhundert stärkere westfälische und ripuarische Züge, neben vereinzelten hochdeutschen und nordischen, zu beobachten sind. Wertvoll ist eine Beilage mit neun bisher ungedruckten Briefen von Erich dem Pommern an den Deutschen Orden.

Auf handschriftlichen Materialien des Königsberger Staatsarchivs beruht die Arbeit von Bink ( 658), der die Siedlungs- und Sprachverhältnisse des Sudauischen Winkels behandelt. Es ist dies der nordwestliche Teil des Samlandes, in dem der Deutsche Orden Ende des 13. Jahrhunderts Sudauer angesiedelt


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hat. Zur Kenntnis der Siedlungsgeschichte dieses kleinen Landstrichs ist die Arbeit wertvoll.


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