III. Karl V.

Die Geschichte Karls V. hat zwei ausführliche Darstellungen gefunden. Das Werk Merrimans ( 925) zeichnet sich durch eine ganz immense Kenntnis auch entlegener und vor allem spanischer Quellen aus, der Verfasser hat auch gründliche archivalische Studien gemacht. Er beschränkt sich nicht darauf, am Schlusse des ersten Kapitels über diese Quellen im allgemeinen zu berichten, sondern er fügt jedem einzelnen Kapitel kritische Nachweisungen über die in ihm benutzten Quellen an. Man darf nun aber nicht erwarten, in dem Werke eine vollständige Geschichte Karls V. zu erhalten. Es handelt sich, wie aus dem Titel des Gesamtwerkes hervorgeht, um eine Geschichte Spaniens, und zwar wird im ersten Buche (dem 5. des ganzen Werkes) die Geschichte Spaniens in der alten Welt, im zweiten die Spaniens in der neuen Welt behandelt. Die Vorgänge in andern Ländern, etwa die Schlacht bei Pavia oder der Schmalkaldische Krieg, werden auch in erster Linie in ihren Beziehungen zu Spanien und in ihrer Wirkung auf Spanien dargestellt. Für die deutsche Geschichte bietet etwa aus dem XXI. Kapitel die Zergliederung der Schrift Georg Sauermanns »Hispaniae consolatio«, die sich auf einen internationalen Standpunkt der Weltherrschaft stellt, Interesse, aus dem XXIII. die Angaben über Karls Verschuldung bei den Fuggern. Aber selbst das XXVI. Kapitel, das »Germany, England and Charles' last years« überschrieben ist, setzt erst mit dem Jahre 1544 ein; die frühere Geschichte Deutschlands wird fast gar nicht berücksichtigt und auch die der Jahre 1544--55 nur vom Standpunkt der spanischen Geschichte aus, auch schöpft der Verfasser hier meist aus zweiter Hand. Von seinen allgemeineren Betrachtungen sei erwähnt die große Bedeutung, die er dem Jahre 1529 zuschreibt. Bis dahin war Karl in erster Linie spanischer Monarch, nachher traten seine andern Verpflichtungen in den Vordergrund; bis 1529 dachte er an die Möglichkeit, französisches Gebiet zu gewinnen und dadurch eine Verbindung zwischen Spanien und den Niederlanden herzustellen, nach 1529 suchte er seine Entschädigung in Italien. Von Interesse ist auch, was Merriman über die Ergebnisse der Regierung Karls für die Entwickelung des spanischen Reiches sagt. Schon seine Regierung führte zwar eine kolossale Steigerung der spanischen Macht und des spanischen Einflusses herbei, nicht erst die Philipps II., schon jetzt aber war auch klar, daß die Last für Spanien zu schwer war, auch vertrat es mittelalterliche, d. h. überholte Anschauungen auf politischem wie religiösem Gebiete. Karl selbst rechnete auf letzterem mit dem endlichen Siege des Katholizismus, auf politischem scheint er selbst an der Durchführbarkeit seiner Pläne gezweifelt zu haben. Darum teilte er sein Reich, aber auch die Vereinigung der burgundischen Besitzungen mit Spanien hatte ihre großen Gefahren. Als Grundgedanken der Politik des Kaisers bezeichnet der Verfasser die Behauptung alles ererbten


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Besitzes und die Ablehnung von Eroberungen, sowie auf dem Gebiete der inneren Politik eine etwas negative Abneigung gegen jede Initiative, eine konservative Müdigkeit. Er stützt sich, um diese Grundgedanken zu bestimmen, vor allem auf die Instruktionen und Verordnungen Karls, während er die Frage nach der Echtheit seines Testamentes unentschieden läßt, ihm jedoch einen echten Kern zuschreibt.

Das Buch Rosis ( 926) kann es an Bedeutung mit dem Merrimans in keiner Weise aufnehmen. Wie dieser die spanischen, stellt er die italienischen Interessen in den Mittelpunkt. Es ist, kurz gesagt, eine Geschichte des Kampfes um Italien von 1494 bis 1559, die ziemlich ausführlich dargestellt wird unter Bevorzugung gewisser Ereignisse und Personen, z. B. der Belagerung von Florenz von 1530 und des Lucchesen Francesco Burlamacchi. Als Grundlage dienen die zeitgenössischen italienischen Berichte, aus denen der Verfasser in den Anmerkungen ausführliche Auszüge gibt, und die gedruckten Aktenpublikationen, von denen der Verfasser aber z. B. die der Görresgesellschaft über das Tridentiner Konzil nicht zu kennen scheint. Neue Archivalien werden nicht erschlossen. Bedauerlich ist eine gewisse Flüchtigkeit; Franz I. und Heinrich II., Zwingli und Calvin werden nicht immer streng voneinander geschieden; viele Druckfehler entstellen das Werk. Für die deutsche Geschichte ist es entbehrlich.

Wenn das Werk Merrimans die deutsche Geschichte nur eben berührt, das Rosis sie so gut wie ganz unberücksichtigt läßt, so werden wir durch die Erörterungen über die Vorgänge bei der Wahl Karls V. mitten in diese hineingeführt. Auf einer Äußerung des englischen Sekretärs Richard Pace, die Sanuto uns überliefert hat, einer Stelle in einer Schrift Luthers vom Jahre 1521 und einer Bemerkung des Kurfürsten von Mainz aus dem Jahre 1528 baut Kalkoff ( 927) die Hypothese auf, daß Friedrich der Weise am 27. Juni 1519 mit vier Stimmen, darunter seiner eignen, zum Kaiser gewählt worden sei, aber schon nach drei Stunden abgedankt habe, da Ludwig von der Pfalz ihn unter dem Druck der in der Nähe der Wahlstadt zusammengezogenen Truppen im Stich ließ. Alle andern Quellen müssen sich dieser Annahme fügen. Man muß zugeben, daß jene drei Stellen auffallend sind und einer Erklärung bedürfen. Die besonders von Brandi ( 928) nachgewiesene Unwahrscheinlichkeit der Hypothese ist aber so groß, daß man eben nach andern Erklärungen wird suchen müssen. Abgesehen von diesem Grundgedanken bringt das Buch Kalkoffs dank der außerordentlichen Personal- und Quellenkenntnis des Verfassers wieder manche Aufklärung, wenn auch die »emotionale« (cf. Häpke, Zeitschr. f. d. ges. Staatswissenschaft Bd. 82, 1927, S. 159--166) Betrachtungsart des Verfassers seinen Urteilen gegenüber zur Vorsicht mahnt. Von Wichtigkeit sind vor allem die Untersuchungen über das Verhalten der Kurfürsten bei den Wahlverhandlungen, über die Stellungnahme der öffentlichen Meinung zur Wahl Karls, über die politischen und militärischen Vorbereitungen, besonders auf habsburgischer Seite, und die Zergliederung der Wahlverschreibung. Hier wird man manches lernen können, wenn auch Kalkoff die Kurfürsten wohl zu sehr entlastet, die der Wahl Karls günstigen Stimmen zu sehr als habsburgische Mache hinstellt und mit den Rüstungen auf beiden Seiten auch Vorgänge in Zusammenhang bringt, die wenig damit zu tun haben; bezüglich der Wahlverschreibung erscheint es Ref. zweifelhaft, ob es überhaupt zu einer solchen gekommen wäre, wenn man einen deutschen Fürsten gewählt hätte.


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Gegenüber den Angriffen besonders Brandis hat Kalkoff ( 928) seine Ansichten verteidigt. Er fügt hier wenig Neues hinzu, arbeitet aber einige Hauptsachen klarer heraus als in dem Hauptwerk.


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