II. Allgemeines.

Zur Theorie des Papsttums ist zu verzeichnen die Studie von H. X. Arquillière: Sur la formation de la théocratie pontificale ( 1981). Arquillière geht von den Theorien Innocenz' III. aus, leitet sie in Bernheimschen Gedankengängen aus Augustin als Urquelle ab und verweist besonders auf pax- und iustitia-Deduktionen der Päpste des 9. Jahrhunderts, zumal Gregors IV. in seinem Brief an die Bischöfe Ludwigs d. Fr. Auch Arquillière entgeht freilich, wie so viele Nachtreter Bernheims, nicht der Gefahr, komplizierte Ideenentwicklungen allzusehr zu simplifizieren und die päpstlichen theokratischen Theorien als »Augustinismus« schlechthin und damit zugleich als gerechtfertigt hinzustellen. -- Auch dem ersten großen Gegenbilde der päpstlich-hierokratischen Theorie, dem Defensor pacis des Marsilius von Padua, sind zwei neue Untersuchungen gewidmet worden, die sich allerdings nicht sowohl mit dem Inhalt wie mit den äußeren Fragen der Entstehungszeit und der Rezensionen beschäftigen. H. Otto ( 2001) tritt gegen die herrschende


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Meinung von Riezler und K. Müller in dieser Frage (Sommer 1324) für die ältere Ansicht von M. Ritter ein. Nach Otto ist der Defensor pacis in seiner vorliegenden Gestalt erst 1327 verfaßt; die handschriftliche Nachricht (Vindobon. 464) über den Abschluß am Johannistage 1324 bezieht sich ihm zufolge vielmehr auf eine frühere, mit Jean v. Jandun gemeinsam gearbeitete Fassung, und diese letztere ist es auch, welche Johanns XXII. Bannsentenzen von Juli/August 1326 und Oktober 1327 im Auge hatten. In text- und sachkritischer Analyse sucht Otto die ursprünglichen und die nachträglich hinzugefügten Teile zu scheiden; er weist die philosophischen Ausführungen Jean v. Jandun zu, welchem statt des Marsilius der Ruhm des »großen Aristotelikers« gebühre. An Ottos Resultaten, insbesondere an der Scheidung zweier völlig verschiedener Rezensionen des Defensor pacis, übt jedoch R. Scholz ( 3000) überzeugende Kritik an Hand einer vorläufigen Übersicht der Handschriften, unter welchen als neu hinzugekommen die Codd. von Tortosa (Spanien) und Freiburg (Schweiz) hervorzuheben sind. Daß sie sämtlich das erst auf 1327 weisende Kapitel II, 26 enthalten, spricht gegen eine zweite vollkommene Neuredaktion und für nachträgliche Einschübe in das schon 1324 fertige Werk. Dagegen vermutet S. in den (bisher ungedruckten) Bemerkungen des Marsilius am Schluß des Defensor den Hinweis auf ein älteres, von diesem völlig verschiedenes, unpolemisch-staatstheoretisches Werk von ihm.


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