II. Einzelne Bibliotheken.

Aus der Fülle der Arbeiten, die sich mit der Geschichte einzelner Büchersammlungen befassen, seien die über die größte deutsche Bibliothek, die Preußische Staatsbibliothek in Berlin, herausgegriffen. Curt Balckes Bibliographie ( 118) kann hinsichtlich der Gruppierung und der Druckeinrichtung als Muster für die Anlage eines solchen Werkes gelten. Schon die Lektüre der über 1000 Titel veranschaulicht das ausgebreitete Wirkungsfeld, das dieses Institut umgibt. Während ein Vortrag, den Gustav Abb auf der ersten Tagung der Brandenburgischen Geschichtsvereine hielt ( 119), die Zusammenhänge der Churfürstlichen Bibliothek mit den mittelalterlichen Stifts- und Klosterbibliotheken der Mark nachweist, führt Tautz ( 120) in Form aktenmäßiger Lebensbeschreibungen der 24 Persönlichkeiten, die bis 1701 an dieser Bibliothek wirkten, in die Einzelheiten ihrer Geschichte ein. Das Buch wird dadurch zugleich zu einem Ausschnitt aus der Gelehrtengeschichte der Zeit. Hinter den Bibliothekaren, deren amtliche und schriftstellerische Tätigkeit eingehend geschildert wird, erscheint die mächtige Persönlichkeit des Großen Kurfürsten, der mit unermüdlicher Zähigkeit bis ins kleinste anordnend, ermahnend, auch wohl scharf tadelnd die Förderung seiner Schöpfung persönlich


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leitete. 55 Aktenstücke, die im Anhang veröffentlicht sind, enthalten ein reiches bibliotheksgeschichtliches Material. Das Buch ist als Baustein zu einem Corpus bibliothecariorum gedacht.

Ein höheres Alter als die Staatsbibliothek vermag die Magdeburger Stadtbibliothek aufzuweisen, die im Berichtsjahr ihr 400jähriges Bestehen feiern konnte. Die reich ausgestattete Festschrift, von dem Direktor Arthur von Vincenti verfaßt ( 117), schildert das wechselvolle Schicksal der Bibliothek. Dem Volksbildungsgedanken der Reformation verdankt sie ihre Entstehung; bei der Zerstörung der Stadt (1631) entging sie glücklicherweise der Vernichtung: in der Gegenwart ist ihr Bücherbestand auf über 100 000 Bände angewachsen. Noch enger mit der Zeitgeschichte verwoben ist die Schloß- und Universitätsbibliothek Wittenberg, mit deren Schicksal sich die Dissertation des leider so früh verstorbenen Ernst Hildebrandt beschäftigt ( 116). Nur 35 Jahre (1512--1547) hat sie bestanden. Friedrich der Weise gründete sie in der Stadt, die damals der geistige Mittelpunkt Deutschlands, ja Europas war. Spalatin vermehrte sie mit rastlosem Humanisteneifer. Der unglückliche Ausgang der Mühlberger Schlacht bewirkte ihre endliche Überführung nach Jena.

Ungleich reicher fließen die bibliotheksgeschichtlichen Quellen an den hochberühmten Kulturstätten des Mittelalters. Paul Lehmann, der bekannte Herausgeber der mittelalterlichen Bibliothekskataloge, widmet der Bibliothek der Abtei Reichenau eine eindringende Studie ( 109), die einen Teil der Erinnerungsschrift zur 1200. Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters bildet. Die Reste dieser »typischen karolingischen Großbibliothek« gleich Fulda (vgl. 113 und 114) und Lorsch befinden sich heute in Karlsruhe. In ihrer Geschichte steht leuchtend die Gestalt des Mönches Reginbert, der über ein halbes Jahrhundert als Bibliothekar nicht nur für die Katalogisierung der Codices, sondern durch unermüdliches Abschreiben mit seinen Schülern auch für ihre Vermehrung sorgte. Trotz starker Lücken sind noch 42 Reginbertbände inhaltlich bekannt. Mit seiner Schreibtätigkeit beschäftigt sich der Aufsatz, den Karl Preisendanz für das gleiche Erinnerungswerk beisteuerte. Schließlich sei noch auf die Studie von Josef Rest hingewiesen ( 110), die von den Bibliotheken und Buchhandlungen Freiburgs i. Br. handelt. Sie bietet einen interessanten Querschnitt durch den Bücherbesitz der Stadt und ihrer Bewohner. Die Universitätsbibliothek, die Büchersammlungen der Stiftungshäuser, Professoren und Studenten, der vornehmen Bürger und Geistlichen, des Münsters und der Klöster, der einfachen Bürger und Handwerker und schließlich die Lager der Buchhandlungen jener Zeit werden gesichtet, und es wird durch diese nachahmenswerte Methode ein deutlicher Einblick in das geistige Leben Freiburgs und des Oberrheins im 15. und 16. Jahrhundert gewonnen.


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