II. Die einzelnen Territorien.

Die für den allgemeinen Teil aufgestellte Behauptung, daß die Eigenkirchenlehre von U. Stutz und die ständegeschichtlichen Forschungen A. Schultes noch immer die Arbeiten zur Geschichte des kirchlichen Rechtes in besonderem Maße anregen, ja geradezu herbeiführen, mag ihre Berechtigung auch im zweiten, den einzelnen Territorien gewidmeten Teil dieser Übersicht erproben. Gleich die drei ersten hier zu nennenden Beiträge bieten Anlaß hierzu. Das Buch von Santifaller ( 2123) wird an einer anderen Stelle dieses Jahresberichtes ausführlicher besprochen werden; es stellt eine der jüngsten, gleichzeitig aber auch wertvollsten und reifsten Leistungen dar, derer sich die von Schulte in dieser Richtung geführte Forschung rühmen darf, doppelt bedeutsam, da es sich um Brixen, um ein Bistum an der deutschen Sprachgrenze im Süden handelt, für den derartige Arbeiten früher fehlten. Bemerkenswert für ein Domkapitel steht die Verfügung Coelestins III. da, die die Aufnahme von Personen, »de servili conditione« verbietet. Am Ausgang des Mittelalters sind adlige Abstammung von beiden Eltern oder akademische Grade und Universitätsbildung


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die Erfordernisse für die Aufnahme in das Brixener Domkapitel. -- Die Arbeit von Hollnsteiner ( 2124) über die Rechtsstellung des Stiftes St. Florian in Österreich muß als Teilerscheinung für die allenthalben fühlbar werdenden Bestrebungen gewertet werden, von den Grundlagen, die seinerzeit H. Brunner in seiner Abhandlung über das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger der älteren Verfassungsgeschichte Österreichs gelegt hatte, ein Stück nach dem andern abzutragen. Nach Ansicht des Verfassers, der man in dieser Hinsicht voll und ganz beipflichten kann, ist für die äußere Verfassung von St. Florian das eigenkirchenrechtliche Verhältnis maßgebend gewesen, in dem sich das Stift gegenüber dem Bistum Passau befand und das bewirkte, daß die Immunitätsrechte des Hochstiftes ohne weiteres dem abhängigen Eigenstifte zugute kamen. In den folgenden Ausführungen setzt sich der Verfasser mit den Ergebnissen auseinander, zu denen v. Mitis anläßlich der Vorarbeiten zu einem Urkundenbuch der Babenberger über die älteren Passauer Bischofsurkunden von St. Florian gelangte, und ist geneigt, als Entstehungszeit dieser Fälschungen nicht wie v. Mitis die Jahre 1220 bis 1230, sondern die Zeit zwischen 1141 und 1145 anzunehmen, zu der das Stift die Verfügungsfreiheit über seinen Besitz und Abhilfe gegen die Vögte, die Herren von Berge, erlangte. Die Tatsache, daß auch die paläographischen Zeitansätze beider Forscher um 70 bis 80 Jahre voneinander abweichen, läßt die Forderung gerechtfertigt erscheinen, es möge zur endgültigen Stellungnahme für die eine oder die andere Auffassung nochmals eine Nachprüfung an den Urschriften des Stiftsarchivs, möglichst von dritter Seite, vorgenommen werden. In den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts, ziemlich knapp vor dem Zeitpunkt, in den v. Mitis die Entstehung der unechten Passauer Bischofsurkunden verlegte, entfalteten sich den Darlegungen Hollnsteiners zufolge die Immunitätsrechte des Stiftes auf Grund königlicher, bayrisch-herzoglicher und landesfürstlicher Privilegien, und im Bunde mit den Babenbergern hat eben damals St. Florian die Entvogtung durchgesetzt. Im österreichischen Interregnum hatte Ottokar II. von Böhmen die Vogtei über das Stift als Passauisches Lehen inne, Vögte und vicedefensores waren damals die böhmischen Rosenberge. Aber gerade im Hinblick auf ein kaiserliches Privileg von 1213 ist es unter den ersten Habsburgern dem Stift leichtgefallen, den Rechtszustand wiederherzustellen, der zur Zeit des Aussterbens der Babenberger bestanden hatte. -- Die Beiträge zur kirchlichen Rechtsgeschichte des Klosters St. Gallen, die Steiger schon in einigen Bänden der Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte hat erscheinen lassen, sind nunmehr um einen weiteren vermehrt und zu einer Gesamtarbeit in Buchausgabe zusammengeschlossen worden ( 2126). Die im 19. Band (1925) der genannten Zeitschrift 1 ff., 81 ff. und 206 ff. enthaltenen Abschnitte behandeln unter dem Titel »Der St. Gallisch-Konstanzische Jurisdiktionsstreit der Jahre 1739--1748« die Auswirkung, die der zwischen dem Bischof von Konstanz und dem Kloster St. Gallen 1613 abgeschlossene Konkordat gehabt hat. Nach den großen Erfolgen, die die Rechtsaussprüche St. Gallens schon im 16. und im 17. Jahrhundert im großen Rota-Prozeß gehabt hatten, fehlte, wie der Vertreter des Klosters aus Rom berichtete, dem Abt des Klosters tatsächlich nur mehr der Titel eines Bischofs. 1614 wurde von Abt Bernhard zur Weiterführung des Reformwerkes im Sinne der tridentinischen Dekrete für die Verwaltung der kirchlichen Gerichtsbarkeit ein Generalvikariat geschaffen, dessen Inhaber den

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Titel eines Offizials führte. Zu Auseinandersetzungen mit Konstanz führte Artikel 5 des Konkordats, der zwar dem Abt die kanonische Visitation seines Herrschaftsgebietes einräumte, aber doch auch in jedem fünften Jahre dem Bischof von Konstanz. Auf Grund eines reichlichen Aktenmaterials zeigt der Verfasser, wie in den Streit, der durch das persönliche Auftreten des bischöflichen Offizials Dr. Rettich und des Konstanzischen Vertreters Fridolin Joseph Tschudi, Pfarrers von Arbon, eine Verschärfung erfahren hatte, nacheinander die römisch-deutschen Kaiser (Karl VI. und Franz I.) und als Metropolit der Erzbischof von Mainz hineingezogen worden sind, bis schließlich eine Entscheidung der Signatura Justitiae vom 15. September 1742 erstmalig zugunsten von St. Gallen entschied, worauf eine Wiederaufnahme der Sache bei der Signatura am 30. Mai 1748 die Entscheidung einem Schiedsgericht überwies und damit einer gütlichen Übereinkunft in Form eines neuen Konkordats vorarbeitete. Auch der Vertreter der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, der weiß, daß die ältesten Beziehungen zwischen St. Gallen und Konstanz eigenkirchenrechtlicher Natur waren, wird diesen Darlegungen mit Interesse folgen. -- Eben von eigenkirchenrechtlichen Verhältnissen geht auch die Geschichte des kirchlichen Pfründenwesens in der Reichsstadt Buchhorn von Baur ( 2127) aus, deren erster Teil der vielleicht schon im 8. Jahrhundert gegründeten Andreaskirche und der Nikolauskapelle aus dem 12. oder 13. Jahrhundert gilt; sie bietet genauere Nachrichten über den Bannkreis der Andreaskirche, dessen Abgrenzungen auf Grund des Konstanzer Liber decimationis von 1275 möglich sind, über die vermögensrechtlichen Verhältnisse dieser Kirche (dos ecclesie, die u. a. in Zehnten zu Feldkirch und Schiers bestanden zu haben scheint, ferner Oblationen und Stolgebühren, Stiftung von Jahrtagen) und über die Anstellung des Pfarrers. Da die Kirche 1101 durch Schenkung von den Welfen an das Kloster Weingarten gekommen war, mußte der Pfarrer dem Bischof von Konstanz zur Investitur vorgestellt werden. Seitdem die Kapelle von St. Nikolaus gegründet war, ging das Bestreben der Buchhorner dahin, dieser Tochterkirche der von Weingarten abhängigen Hauptkirche möglichst viel Pfarrechte zu erwerben; solchen Zielen diente die Schaffung von Pfründen, auf deren Vergebung und Verwaltung sie Einfluß nehmen. Tatsächlich wurde die Verselbständigung dieser Nikolauskirche durch das Aufhören der Propstei Hofen (1594) sehr gefördert. Die reichen Pfründen von St. Nikolaus, deren Fundation und Dotation, und die späteren Vermögensverhältnisse der Buchhorner Pfründen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts werden vorgeführt.

Fraundorfer ( 2125) gibt alphabetisch geordnet und mit Anführung der Quellennachrichten ein Verzeichnis der ehemaligen Dotations- und Eigenkirchen des Hochstifts Würzburg. Die sehr wertvolle Übersicht, die die Namen von 104 Kirchen enthält, bezieht sich auf den Zeitraum von 741 bis 1225. Die Einleitung berichtet über Sprengel und Ausstattung des Bistums Würzburg, die Entwicklung der Pfarreien, die Eigenkirchen von Stiftern und Klöstern, ferner über Bischofsgut und Kapitelgut, Immunität und die sog. Slavenkirchen. -- Aus den Protokollen des Metzer Domkapitels, die, mit 1342 beginnend, bis zum Jahre 1789 fast lückenlos vorliegen, bietet Grimme ( 2129) einen Überblick über die Einkünfte der Metzer Domherren im Mittelalter, die sich zusammensetzen aus (großen und kleinen) Pfründen (außerdem aus der praebenda presbyterorum),


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Zehnten, der Trescenz (urspr. terrae census), Anwesenheitsgeldern (für die Teilnahme an gottesdienstlichen Handlungen), Gerichtssporteln, Osterbrot und Salzdeputat und den Erträgnissen des Gnadenjahres. -- Derselbe Verfasser ( 2128) erörtert die Bedingungen für die Wahl der Metzer Domherren im Mittelalter; hierfür hatte schon 1160 Alexander III. eheliche Geburt und freie (adelige) Abstammung (ut nullus clerici filius vel servus in canonicum recipiatur) festgesetzt, was im Hinblick auf die ähnlichen Bestimmungen dieser Art, die Coelestin III. für Brixen traf, besonders betont sei. In späterer Zeit mußte der Anwärter dies eidlich bekräftigen und sich dabei auch zur Beobachtung der Statuten, Gewohnheiten und Freiheiten der Kirche, zur Wahrung des Kapitelgeheimnisses, zum Gehorsam gegen die Vorgesetzten und zum Schutze des Eigentums und der Rechte des Kapitels verpflichten; er mußte ferner frei von körperlichen Fehlern sein, bestimmte finanzielle Leistungen aufbringen, im Besitz einer Pfründe oder Präbende sein -- die über eine Expektanz verfügten, hatten zwar die Ehren, aber kein Stimmrecht -- und mindestens die Subdiakonsweihe empfangen haben.

Kirn ( 2130) macht auf jene Erscheinungen im Urkundenwesen des Kurfürstentums Mainz aufmerksam, die die Tatsache einer Nebenregierung des Domkapitels erkennen lassen. Einmal ergibt sich die Abhängigkeit des Erzbischofs sehr deutlich aus den mit 1431 einsetzenden Domstiftsprotokollen. Schon über die Entwürfe von Urkunden werden die Gutachten der Domherren eingeholt. Außerdem zeigen aus dem 15. Jahrhundert noch vorhandene Registraturbücher, daß für die Urkunden, an deren Ausstellung das Domkapitel interessiert war, ein eigenes Reinschriftregister geführt wurde, ja 1482 begegnen wir der Forderung, es möge die kurfürstliche Kanzlei doppelte Register führen, sogar ein eigenes Lehenbuch wurde angefertigt, schließlich erlangte das Domkapitel ein Verfügungsrecht über den Urkundenbesitz und einen Einfluß auf die Organisation der Kanzlei. Seit 1453 hat das Domkapitel auch eigene Kanzleibeamte gehabt. Diese Beteiligung des Domkapitels an der Regierung ist bedeutungsvoll, während die Teilnahme der Stände nur kurze Zeit wichtig wurde. --Schrohe ( 2131) veröffentlicht den Wortlaut der letztwilligen Verfügung des am 2. April 1502 verstorbenen Scholasters Dr. Bernhard Groß, die aus dem Archiv von St. Stephan in Mainz stammt und 1908 bei einem Antiquar aufgetaucht ist. Das Schriftstück, das rechtsgeschichtlich von keinerlei Belang ist, bietet eine Aufzählung der im Besitz des Testators befindlichen Bücher. --Gescher ( 2132) ist die Auffindung des ältesten Kölnischen Offizialstatuts (1306--1331) gelungen, wodurch nun klar wird, was an dem bisher ältesten Statut von 1356 neu ist -- die Einteilung der Gerichtsnotare in vier Klassen -- und was bereits einige Jahrzehnte vorher festgelegt worden ist.

Zum Heimatbuch des Kreises Lippstadt hatte Laumann ( 2133) eine Abhandlung, »Propstei und Archidiakonat«, beigesteuert und behauptet, daß das mit der Lippstädter Stiftspropstei verbundene Archidiakonat sich aus der Rechtsstellung entwickelt habe, die dem Probst als Pfarrer der Marienkirche, der ältesten des Ortes, zukam. Schon um 1300 seien alle wichtigsten Rechte, aus denen sich das Amt eines mittelalterlichen Archidiakons zusammensetzte, in seiner Hand vereinigt gewesen. -- Dieser Darstellung setzt Bauermann ( 2134) entgegen, daß der genannte Propst im 14. Jahrhundert zwar Dekan war,


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aber nicht als Vorsteher eines Dekanatssprengels, und daß es in Lippstadt im 15. Jahrhundert auch kein Kapitel im Sinne eines Kollegiatstiftes gegeben habe. Die älteste Erwähnung eines Archidiakons von Lippstadt bieten die Urkunden für das Jahr 1428, es dürfte sich bei diesem Archidiakonat um eine jüngere Schöpfung des Herzogs von Cleve handeln.

Die Arbeit von Krüger ( 2135) enthält neben Mängeln, die bereits bemerkt worden sind (vgl. Bauermann, Zeitschr. d. Sav.-Stift. f. Rg. kan. Abt. 14, 541 ff.), brauchbare, ja wertvolle Ergebnisse. Die Geschichte des münsterischen Archidiakonats Friesland wird bis in die Zeit zurückverfolgt, zu der die Christianisierung des Landes unter dem Friesen Ludger sich vollzog, in dessen Nähe sich ein Diakon befand, dem die Obliegenheiten eines Archidiakons zugewiesen gewesen sein dürften. 1152 wird ein Engelbertus prepositus Frisie genannt, den wir als ersten Archidiakon jüngerer Ordnung in Friesland ansehen müssen. In anderen Urkunden führt er auch den Titel eines vicedominus. Auf Grund ihrer obersten Stellung an Kathedral- bzw. Kollegiatkirchen nennen sich die Archidiakone prepositi. Prepositura und archidiconatus sind in Friesland einander gleichzusetzen. Die Gewalt dieses prepositus Frisie war über ganz Friesland ausgebreitet; er war Domkanoniker, besaß aber keine Synodalgerichtsbarkeit über die Laien seines Sprengels. Diese wurde von Anfang an von Dekanen oder Pröpsten verwaltet, deren Strafgewalt ungewöhnlich groß war. Sie waren vom Archidiakon unabhängige Laien, friesische Grundherren, »Eigentümer eines mit dem Propsteiamte verbundenen Gotteshauses«, man könnte »von einem Eigendekanate reden«. Archidiakon und Dekane empfingen ihr Amt in forma beneficii vom Ordinarius. Der Archidiakon führt die Aufsicht über den Dom-, Stadt- und Landklerus. Das friesische Archidiakonat jüngerer Ordnung ist eine organische Fortsetzung des Archidiakonats Frieslands älterer Ordnung. Der friesische Offizial ist ein bischöflicher Beamter, archidiakonale Offiziale sind in Friesland unbekannt geblieben.

Homann ( 2136) untersucht, wie es Brackmann im ersten Bande seiner »Studien und Vorarbeiten zur Germania pontificia« für die Erzdiözese Salzburg getan hatte, und auf dessen Veranlassung die Rechtsstellung der 44 Klöster und Stifter, die in den Listen von Haucks Kirchengeschichte als in der Diözese Hildesheim liegend angeführt werden. In bunter Reihe ziehen vor unseren Augen alle Rechtseinrichtungen vorbei, die das kirchliche Leben seit dem 9. Jahrhundert als Daseinsformen für die Gründungen der einzelnen Orden geschaffen hatte. Es zeigt sich, daß die Stiftungen der Diözese Hildesheim alle jene Besonderheiten der Rechtsentwicklung aufweisen, die auch sonst von der Forschung für die verschiedensten Zeiten als kennzeichnend festgestellt worden sind. Die Reichsklöster werden von den bischöflichen allmählich an Zahl und Bedeutung überragt, seit dem 11. Jahrhundert nimmt der Bischof von Hildesheim in steigendem Maße Einfluß auf die Klostergründungen seines Sprengels, das 12. Jahrhundert stellt den Höhepunkt solcher Einwirkung dar, ungefähr die Hälfte aller Klöster sind ihm nun auch in weltlich-rechtlicher Hinsicht als Eigen-, Schutz- oder Patronatsklöster unterworfen und stellen in diesem Jahrhundert eine starke Grundlage bischöflicher Macht dar, die ihren Einfluß auf die Vogteiverhältnisse und auf die Einsetzung kirchlicher Oberer und die Vergebung von Pfründen entfaltete. Päpstliche Privilegien und päpstliche Einwirkungen sind wohl vorhanden, haben aber nirgends und niemals »eine ausgesprochene


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Richtung gegen die Bischöfe gehabt«. Der Erwerb von Zehentrechten durch die Klöster und Stifter wird geschildert, und es zeigt sich, daß die Zisterzienser hier am stärksten hervorgetreten sind. Die engere Immunität, die sich seit dem 12. Jahrhundert ausbildet, richtet ihre Wirkungen gegen die Vögte, ohne daß engeres Immunitäts- und vogtfreies Gebiet einander gleichzusetzen wären.

v. Loesch ( 2138) bespricht H. F. Schmids Arbeit über den Zehentstreit zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert und die Anfänge der decima constituta in ihrer kolonisatorischen Bedeutung und die Abhandlung des nämlichen Verfassers über das Recht der Gründung und Ausstattung von Kirchen im kolonialen Teile der Magdeburger Kirchenprovinz. Aus diesem Forschungsbericht sei die Auffassung vermerkt, daß in der Abneigung der thüringischen Bevölkerung gegen die Einführung des Naturalzehnten der Grund zu erblicken sei, der der decima constituta zu weiterer Verbreitung verholfen habe. --Keyser ( 2139) setzt mit Erfolg auseinander, daß die kirchenrechtliche Stellung der Deutschordensgemeinden verstanden werden müsse aus den kirchlichen Vorrechten, die Honorius III. und seine Nachfolger dem Orden, in dem die Päpste ein Werkzeug ihrer Politik erkannten, gewährt haben. Während die Bestimmungen der Kurie dem Orden u. a. in der Begründung eigener Kirchengemeinden, in der Befreiung vom Pfarrzwang und von der richterlichen Gewalt des Ordinarius und der weltlichen Gerichte und in den Fragen des Begräbnisrechtes weitgehende Selbständigkeit verliehen, waren die Bischöfe und Prälaten verpflichtet, ihre Obliegenheiten gebührenfrei zu verrichten, es war ihnen verwehrt, Abgaben zu erheben, zum mindesten waren sie im Genuß nutzbarer Rechte, etwa des Herbergsrechtes, weitgehenden Einschränkungen unterworfen. So erwuchs durch die Hand der Päpste dem Orden »eine bedeutsame Ausnahmestellung im Verbande der Kirche«, die sich unter der Führung hervorragender Ordensmeister zu einer Machtgrundlage des Ordensstaates ausbildete und diesem und nicht den Zielen der Kurie dienstbar wurde.


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