II. Andere reformatorische Personen.

Neben der Gestalt Luthers treten die anderen deutschen reformatorischen Persönlichkeiten in der gegenwärtigen Forschung auffallend zurück. Für Melanchthon hat das Berichtsjahr außer einer Neuauflage der Ausgabe seiner Loci communes von Plitt und Kolde (Leipzig, Deichert. 4. Aufl. X, 267 S.) und der Untersuchung von Münch ( 137) über seinen Anteil an dem Chronicon Carionis vom Jahre 1532, die Melanchthons Stellung als »Begründers der protestantischen Geschichtsschreibung« (so Menke-Glückert) stark einschränkt und zeigt, wie seine moralisierende und theologisierende Geschichtsbetrachtung im Laufe der Arbeit offenbar zugunsten des Carionschen Anteils nachläßt, nur einige geringe Inedita erschlossen ( 2257 ff.). Beckers Hinweis ( 2258) enthält auch einen kurzen M.brief vom Jahre 1558. -- Die bei van Rhijn ( 2261) verwertete Korrespondenz M.s mit dem holländischen »biblischen Humanisten« und Anhänger der dortigen devotio moderna Goswin van Halen leuchtet in M.s Beziehungen zu diesen Kreisen der Reform hinein. -- Nicht allein auf Wittenberger und auf Nürnberger Verhältnisse, sondern auf mannigfache gesamtdeutsche kirchliche, literarische und politische Ereignisse der Zeit werfen die 16 Briefe Veit Dietrichs an Menius, die Friedensburg ( 2262) aus den Jahren 1532--1548 veröffentlicht, Licht. -- Für Brenz, den schwäbischen Reformator, der längst eine befriedigende Ausgabe seiner Werke und eine das neue Material verarbeitende Biographie verdient, bringt Bossert ( 2263) nicht nur neue Briefe, sondern u. a. auch eine für seine Ubiquitätslehre wichtige Abendmahlspredigt vom Jahre 1547 mit scharfer Polemik gegen Zwingli bei. -- Aus Brenz' Papieren veröffentlicht Koehler ( 2264) u. a. ein Gutachten des Breslauer Reformators Joh. Heß zur Abendmahlsfeier gegen die Unterschätzung der äußeren Feier seitens der »Sakramentierer« (Schwenckfeldianer), vor allem aber inhaltlich sehr wichtige Propositiones Bucers und Melanchthons aus Abendmahlsverhandlungen in Augsburg 1530, die dem Ausgleich zwischen der Wittenberger und der oberdeutschen Auffassung dienen sollen -- ein Anfang der Unionsbemühungen Bucers auf Grund seiner in der Mitte zwischen Luther und Zwingli stehenden Abendmahlslehre, die erst in der Wittenberger Konkordie des Jahres 1536 einen Vergleich zustande gebracht haben. In diesen Zusammenhang sei


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Gußmanns Fund einer deutschen Handschrift der Augsburger Konfession (»Artikel des Glaubens und Lehre«) im Nürnberger Germanischen Museum ( 2253) gestellt, für den auch Joh. Fickers Untersuchung in der »Christl. Welt« 1925, S. 1051 f., zu vergleichen ist; sie gibt den Stand der Verhandlungen von Mitte Juni 1530 wieder. -- Für Zwingli ist nach langer Pause nicht nur eine Fortsetzung der seit 1919 unterbrochenen kritischen Ausgabe seiner Werke, und zwar des Briefwechsels ( 2252), zu verzeichnen, sondern auch die »Zwingliana«, die Zeitschrift der Züricher Zwingli-Gesellschaft, mit ihren nicht bloß auf Zwingli eingestellten Textpublikationen und Untersuchungen, schreitet fort. In Nr. 2 des Jahrgangs 1925 gibt W. Koehler, der sich je länger je mehr zu dem Zwingliforscher unserer Tage entwickelt hat, für Zwinglis politisch wichtige Epistola de foedere Gallico ein neues Datum; er setzt dieses auch gegen die fünf kath. Orte gerichtete Gutachten, das dem Zaudern der Züricher wie der Franzosen entgegentrat, in den Juni 1531. --Koehlers Vortrag über Luther und Zwingli ( 2287) ist nur eine kurze Zusammenfassung dessen, was K. in seinem großen Werk vom Jahre 1924 über den Abendmahlsstreit beider, auch unter starker Berücksichtigung der beide trennenden politischen Pläne und Verhältnisse, ausgeführt hatte; er betont auch hier, daß das Scheitern der Einigungsversuche in Marburg 1529 den Schweizern zur Last fällt trotz ihrer an sich vorhandenen größeren Weitherzigkeit und Unionsstimmung.


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