I. Die Begründung des brandenburgisch-preußischen Gesamtstaates. 1609--1740.

Für die Beziehungen zu Polen, die im 17. Jahrhundert durch die Erwerbung Preußens für die brandenburgische Politik von so außerordentlicher Bedeutung werden, liegt ein wichtiger Beitrag vor in M. Heins Biographie des Freiherrn Johann v. Hoverbeck ( 984), der fast volle 50 Jahre in diplomatischer Stellung die Interessen des Kurstaates bei dem mächtigen Nachbarn vertrat. Einer flämischen Familie entstammend, die 1570 nach Krakau auswanderte, und durch sein reformiertes Bekenntnis dem brandenburgischen Fürstenhause als Staatsdiener willkommen, hatte er sich von Jugend auf mit den inneren Verhältnissen Polens aufs genaueste vertraut gemacht und war so der rechte Mann, um als Gesandter auf dem schwierigen Boden polnischer Cliquenwirtschaft mit Erfolg für Brandenburg tätig zu sein. Über diese Rolle eines Spezialisten für polnische Fragen hat er es freilich nicht hinausgebracht, wie er denn offensichtlich weniger Staatsmann als gewiegter Diplomat und zäher Unterhändler gewesen ist; eine große Linie seiner politischen Einstellung festzulegen, dürfte kaum möglich sein. Die Darstellung Heins beruht auf umfassendem Studium der Berliner und Königsberger Akten, Material intimeren Charakters stand dem Verfasser nicht zur Verfügung, so daß die Persönlichkeit Hoverbecks nicht recht greifbar und plastisch hervortritt. -- Einer von der Universität Münster preisgekrönten, bisher ungedruckten Arbeit über »die Parteien am Hofe und im Geh. Rate des Großen Kurfürsten« entstammt Flaskamps ( 2300) Untersuchung zur Religions- und Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms. Flaskamp behandelt die einzelnen Persönlichkeiten, die sie maßgebend beeinflußt haben, wie Schwerin, die Kurfürstin Luise Henriette u. a., und kommt zu dem Ergebnis, daß man sie evangelisch nur insofern nennen könne, als dem Großen Kurfürsten die Lutheraner näherstanden als die Katholiken. Eine Unionspolitik im Sinne Friedrich Wilhelms III. lag ihm jedenfalls vollständig fern. --Curt Jany ( 992) erledigt durch einige knappe und präzise Feststellungen die neuerdings wieder aufgestellte Behauptung, es hätten brandenburgische Hilfstruppen im Jahre 1688 den Prinzen Wilhelm III. auf seiner Expedition nach England begleitet. Tatsächlich handelte es sich um ein holländisches Regiment »Prinz von Brandenburg«, dessen Inhaber Markgraf Ludwig, später Markgraf Albrecht Friedrich von Brandenburg war. Seine früheren Ausführungen ergänzend, stellt Jany die Daten zur Geschichte dieses und zu der eines zweiten holländischen Regiments »Kurprinz«, später »Prinz von Preußen«, zusammen, die niemals zur brandenburgisch-preußischen Armee gehört haben. -- Über die Regierungszeit des Großen Kurfürsten und des ersten Königs erstreckt sich der erste Teil einer großen Publikation über den Preußischen Staat und die Juden ( 2559), die von der Akademie des Judentums ins Leben gerufen worden ist. Sie liegt in den Händen von Selma Stern und soll bis zum


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Jahre 1812 weitergeführt werden. Die Prinzipien für die Edition der Akten sind mit geringen Abweichungen von den Acta Borussica übernommen. Daß die einzelnen Stücke nicht rein chronologisch aufgereiht, sondern nach Territorien angeordnet sind und erst innerhalb dieses geographischen Zusammenhanges in zeitlicher Abfolge wiedergegeben werden, wird man für die Epoche des werdenden Gesamtstaates als zweckmäßig billigen; doch hätte es sich empfohlen, die Benutzung durch Kopftitel zu erleichtern. Dem Aktenbande steht ein Darstellungsband zur Seite, den Weite der Gesichtspunkte und gründliche Durchdringung des Stoffes auszeichnen. Eine einheitliche Politik gegenüber den Juden setzt in Brandenburg-Preußen naturgemäß erst mit dem Vordringen des absoluten Staates ein. Sie scheint vom Großen Kurfürsten selbst auszugehen und will, indem sie Ansiedlung und Betätigung der Juden befördert, nicht nur die Bevölkerungsziffer heben, sondern sie verfolgt auch das Ziel, die Juden als Stimulans für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und als Bindeglied für Anknüpfung und Ausbau handelspolitischer Verbindungen auszunutzen. Eine derartige fürstliche Judenpolitik war nur im Gegensatz gegen die Stände durchzuführen, die sich des Judenregals in den einzelnen Territorien bemächtigt hatten, und bildete so ein Teilstück im Kampfe des aufstrebenden absoluten Staates gegen die partikulären Gewalten. Die Abgaben der Juden an die Landesherren waren schon unter dem Großen Kurfürsten von erheblicher Bedeutung, unter seinem Nachfolger werden sie zum entscheidenden Gesichtspunkt der kurfürstlichen Politik. Es macht sich in ihr ein rücksichtslos fiskalischer Zug bemerkbar, der durch starke Erhöhung der bestehenden Gefälle, Einführung neuer Steuern und scharfe Eintreibung von Strafgeldern die fürstlichen Einnahmen zu vermehren sucht. Das erfolgreiche Vordringen der zentralisierenden Bestrebungen wird auf dem Gebiete des Judenwesens durch die Einsetzung der Berliner Judenkommission bezeichnet, der die Judenschaften der einzelnen Provinzen untergeordnet sind. -- Einen Diplomaten aus der Zeit Friedrich Wilhelms I., Axel v. Mardefeld, der von 1728 ab als Gesandter in Petersburg wirkte, hat H. Sommerfeld ( 1006) zum Gegenstand seiner Untersuchung gemacht. Daß ein Mann von Durchschnittsqualitäten, wie Mardefeld, eine monographische Behandlung verdient, und daß es überhaupt zweckmäßig ist, die preußische auswärtige Politik jener Zeit durch das Medium der Tätigkeit ihrer Vertreter an den fremden Höfen zu betrachten, wird man billig bezweifeln dürfen. Einerseits wissen wir von Mardefeld viel zu wenig, als daß auch höchste biographische Kunst ein Bild der Persönlichkeit erstehen lassen könnte, auf der andern Seite steht zu erwägen, daß für die diplomatischen Vertreter der schwankenden und uneinheitlichen Politik Friedrich Wilhelms I. eine erfolgreiche und zielbewußte Wirksamkeit unmöglich war. So bleibt denn schließlich als Resultat nur folgendes: Mardefeld gelang es nicht, die an sich in Petersburg vorhandenen günstigen Dispositionen so auszunutzen, daß sich eine dauernde, tragfähige Verbindung zwischen Preußen und Rußland aus ihnen ergab. Vielmehr führten namentlich die preußischen Aspirationen auf Kurland, ohne daß Mardefeld das erkannte, zu einer wachsenden Abwendung Rußlands und zu völliger Isolierung Preußens unter den großen Mächten Europas. --


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