IV. Geschichte einzelner Landesteile.

Der historischen Landeskunde, der Geschichte einzelner Landschaften und Ortschaften, sind eine ganze Anzahl von Arbeiten gewidmet. Es sind natürlich sehr viel mehr erschienen, als im folgenden genannt werden, aber kritischer Sichtung hält doch nur weniges stand. Wer nach einer gewissen Vollständigkeit strebt, sei auf die Literaturübersichten für das vorliegende Berichtsjahr 1925 in den Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, Bd. 38 (1926) und Bd. 39 (1927), verwiesen. W. Hoppe ( 587a) führt in die Frühgeschichte der Prignitz, zeigt einige Hauptlinien ihrer Entwicklung auf dem Hintergrunde der geographischen Lagerung und hebt schließlich die Entstehung und Weiterbildung der Stadt Wittstock heraus. Die kolonialen Züge werden ebenso wie die Verbundenheit des Bezirks mit der Altmark stark betont. -- Bis an den Rand der Prignitz hat eine Besichtigungsreise Friedrichs des Großen geführt, die den Rhin- und Dossekolonien galt (i. J. 1779). Schon 1784 war der Druck eines Berichts darüber erschienen, dessen Richtigkeit jetzt Otto Tschirch an der Hand von Akten des Geheimen Staatsarchivs prüft ( 1030). Das Ergebnis ist günstig, und so wird man ihn als Quelle für die Siedlungsgeschichte jener Landschaft (es sind die Kreise Ost- und Westhavelland und Ruppin) unbedenklich verwerten können. -- Eine Schrift von A. Weise, die Rheinsberg und den jungen Friedrich zu schildern sucht, also an sich auch für die Geschichte des Landes Ruppin von Bedeutung sein könnte ( 1026), ist, wie ein Buch desselben Verfassers über Sanssouci und Friedrich den Großen ( 1027), von jeder wissenschaftlichen Forschung frei.

Das Havelland und seine Hauptstadt Brandenburg erfahren reiche Förderung in einem Bändchen gesammelter Aufsätze von O. Tschirch ( 350). Wenden sie sich auch nicht in erster Linie an den Gelehrten, sondern an den gebildeten Laien, so dürfen sie doch mit Fug und Recht hier als wissenschaftliche Leistungen gewertet werden, die durchaus auf den Quellen aufgebaut sind. Ein paar der Beiträge seien genannt. Der allgemeinen mittelalterlichen Geschichte des Ostens ist mit einer Untersuchung über das früheste Vorkommen Brandenburgs gedient, die Bildungsgeschichte der Mark wird durch den Aufsatz »Ein Vierteljahrtausend Brandenburger Buchdruckerkunst« bereichert, für die neuere Städtegeschichte des Landes läßt sich mancherlei aus der Betrachtung des Verhältnisses König Friedrich Wilhelms I. zu Brandenburg gewinnen.

Hat die Geschichtsliteratur des Teltow keinen bedeutenderen Zuwachs zu verzeichnen -- eine Schrift von A. Göldner über Mariendorf ( 351) ist ein kritikloses Machwerk --, so gelten dem Platz, der am alten Übergang vom Teltow zum Barnim liegt, einige beachtenswerte Beiträge. Der Quellenkunde


S.508

der Reichshauptstadt dient eine Untersuchung von E. Kaeber, die zu der 1921 durch Paul Clauswitz erfolgten Ausgabe des Kölner (Spree) Stadtbuchs Berichtigungen bringt ( 1633). Sie beziehen sich auf die äußere Gestalt des Stadtbuches, erweisen es als »ein von vornherein einheitlich angelegtes, von einer Hand geschriebenes Werk« und setzen als Abfassungsjahr 1443 fest. Noch immer fehlt uns eine brauchbare Gesamtgeschichte Berlins. Herm. Küglers »Aus Alt-Berlin-Köln«, dessen 2. Auflage erschienen ist (Lpz., Quelle u. Meyer, 185 S.), will jene Lücke keineswegs ausfüllen. Es ist eine Zusammenfassung der bisherigen wissenschaftlichen Forschung und führt die Geschichte bis 1640. Auch eine Geschichte Berlins, seine äußere Entwicklungsgeschichte, versucht E. Ewald zu geben (Im Flugzeug über Berlin. 48 Luftbild. m. Text. Marb., Elwert, 31 S.). Man wird des Buches nicht froh. Ihm gilt das vom Flugzeug aufgenommene Bild als Hauptquelle. So sehr jeder Landesgeschichtler sich des Stadtplanes als einer Quelle bedient, und so sehr er es begrüßt, wenn vorhandene Pläne durch Flugaufnahmen vertieft und erläutert werden, allein aus ihnen läßt sich eine Stadtentwicklung denn doch nicht ablesen. Das Buch zeigt, auf welche Irrwege ein solches Unterfangen führt (vgl. auch die Anzeige des Referenten in den Forschungen zur brandenburg. u. preuß. Geschichte, Bd. 38, 1926, S. 454 f.). -- Ein anderes Stück Geschichte hat E. Consentius vornehmlich aus zwei andersgearteten Quellen, nämlich dem Corpus Constitutionum Marchicarum und der Zeitung, in einem Buche uns nahezubringen gewußt ( 1025), nämlich das profane und bürgerliche Leben Berlins zu Beginn der Regierung Friedrichs d. Gr. Auch die neue (3.) Auflage hält das achtbare Niveau ihrer Vorgängerinnen.

Für die Uckermark sind zwei städtegeschichtliche Beiträge zu verzeichnen. Zunächst eine Geschichte der Stadt Templin von H. Philipp ( 352), stoffreich, aber undiszipliniert, Templin »im Rahmen der Weltgeschichte« betrachtend und darüber die klaren Züge der territorialen Geschichte vernachlässigend. Weit erfreulicher ist eine Erörterung von M. Rudolph ( 587b) über die auf der geographischen Lage sich aufbauende mittelalterliche Stadtentwicklung der uckermärkischen Hauptstadt Prenzlau. Die Stadtplanung, die wirtschaftlichen Bedingungen: alles wird knapp und fast durchweg richtig geschildert.

Der ältesten Geschichte der Neumark gilt eine Untersuchung von H. Gollub ( 587). Sie sucht, z. T. auf Grund sprachlicher Auslassungen, Königsberg (Neumark) als polnischen Ursprungs zu erweisen. Ist es richtig, so wird dadurch die polnische Expansionspolitik des 10. und 11. Jahrhunderts in ein helleres Licht gesetzt. Für die Kolonisationszeit der Neumark wichtig ist in ihrem ersten Teile eine baugeschichtliche Studie von G. Königk über die Landsberger Pfarrkirche ( 2407). Sie erweist für die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts die Anwendung noch rein romanischer Formen und belegt damit, wie allmählich die schnellere kulturelle Entwicklung des Westens in den Osten vor sich geht. Die Franzosenzeit (1806--08) von Königsberg i. d. Neumark wird durch P. Schwartz in lebendiger Darstellung geschildert ( 1061). Neben den reichen rathäuslichen Akten der Stadt haben die bereits gedruckten, aber noch nicht ausgenutzten Erinnerungen zweier Königsberger als Quelle gedient. Die naturgemäß tief in Einzelheiten hinabsteigende Arbeit hat insofern allgemeinere Bedeutung, als sie an einem Musterbeispiel den Terror zeigt, der


S.509

zu der feurigen Stimmung des Jahres 1813 führte. Auf eine wertvolle Quelle zur neumärkischen Geschichte machte O. Korn aufmerksam, auf die Arnswalder Musterrolle von 1623 ( 462a). Er hat sie in knappster Form veröffentlicht, eine Fundgrube für die inneren Zustände einer märkischen Stadt am Anfange des großen Krieges, die die militärische Hilflosigkeit der Einwohner gegenüber den Kriegsvölkern der fremden Generale erweist.

Zu den wenig angebauten Gebieten brandenburgischer Geschichte gehört die Südostecke der Provinz. Den Versuch, hier eine Lücke zu schließen, hat G. Zerndt unternommen ( 353). Seine Geschichte von Stadt und Kreis Schwiebus wird durch einen dritten Teil, der die Zeit von Friedrich d. Gr. bis jetzt behandelt, im Berichtsjahre abgeschlossen. Eine an und für sich breite Art der Schilderung wird dadurch noch breiter, daß allgemeine Geschichte stark darin verwoben wird. So reich das Material zusammengetragen ist, es fehlt doch eine rechte Durcharbeitung. Eins tritt trotzdem zutage: der Charakter des Grenzgebietes gegen Polen hin.

Für die Niederlausitz hat Rud. Lehmann in den letzten Jahren mancherlei zusammengetragen. Altes -- zum Teil in erweiterter Form -- und Neues bietet er jetzt in einer Aufsatzsammlung ( 355). Solide Forschung, schmucklose und doch gefällige Form heben das Buch weit über die sonstige landesgeschichtliche Literatur hinaus. Nach einem einleitenden Aufsatz über die niederlausitzische Geschichtsforschung, die naturgemäß stark von Sachsen aus gefördert ist, und einem Überblick über die staatliche Zugehörigkeit des Landes im Wechsel der Zeiten führt L. von der Frühzeit bis in das 19. Jahrhundert. Kolonisationsgeschichte, Hussitenzeit, die Wirtschaftsgeschichte eines engeren Bezirkes der Niederlausitz finden insbesondere reiche Klärung.

Cottbus, weit früher als die übrige Niederlausitz an die Geschichte der Mark gekettet, hat in dem dortigen Verein für Heimatkunde einen rührigen Förderer seiner Vergangenheit gefunden. Aus dem reichhaltigen 2. Bande eines Jahrbuchs sind zwei Artikel als über den engeren Kreis hinausweisend zu nennen: K. Eicke ( 586) zeichnet an der Hand des Stadtplans ein Stück Gründungsgeschichte unter besonderer Betonung des Städtebaulichen, und F. K. Liersch ( 920) weist auf enge, meist feindliche Beziehungen des Adelsgeschlechts der Stadt, der Herren von Cottbus, zur Oberlausitz hin. Die unerfreulichen Zustände führten schließlich zu einem Anschluß der Herrschaft Cottbus an Kurbrandenburg.

Die zweite große Stadt des Landes, Guben, hat in K. Gander ihren Chronisten gefunden ( 356), ihren Chronisten, nicht Geschichtschreiber; denn als eine wirkliche Geschichte der Stadt dürfen wir sein Buch nicht auffassen. Dazu fehlt dem Bilde die rechte Klarheit. Es ist ein verwirrendes Zuviel von Einzelheiten, die stärkeren Linien fehlen, und so entsteht ein bis zum Überdruß reiches Nachrichtensammelwerk. Man möchte wünschen, daß sich über dieses, man darf trotzdem sagen: dankbar zu begrüßende und unentbehrliche Werk ein Kenner hermacht und mit seiner Hilfe nun eine Geschichte der bedeutsamen Stadt schreibt.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)