I. Mecklenburg.

In Mecklenburg-Schwerin herrscht seit fast einem Jahrhundert, seit den Tagen eines G. C. F. Lisch, eine rege Forschertätigkeit auf dem Gebiete der Landesgeschichte. Das Mecklenburgische Urkundenbuch, die Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde sowie


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zahlreiche Veröffentlichungen, wie sie F. Stuhr ( 41) in seiner alljährlich erscheinenden Bibliographie zusammenstellt, beweisen das zur Genüge. Dabei hat man in Schwerin den kleineren Bruderstaat Mecklenburg-Strelitz stets mitberücksichtigt. Trotzdem hat man dort wiederholt empfunden, daß ein Mittelpunkt und eine Vereinigung von Freunden und Forschern der Heimatgeschichte fehle und deshalb die wirkliche Teilnahme an ihr recht gering sei. Zunächst galt es, wie H. Witte ( 90) richtig erkannte, ein wirkliches Archiv nach wissenschaftlichen Grundsätzen einzurichten. Denn ein solches, und zwar ein geordnetes, ist die unerläßliche Voraussetzung landschaftlicher Geschichtsforschung. Es ist nun gelungen, in Neustrelitz das Hauptarchiv einigermaßen zu ordnen und benutzbar zu machen, wenn natürlich auch noch viele Arbeiten zu leisten sind. Daß noch sehr viele Mecklenburg-Strelitzer Archivalien in Schwerin aufbewahrt werden, wird oft bedauert. In den Jahren 1843--1845 wurde, wie ebenfalls H. Witte ( 10) erzählt, bereits der Versuch gemacht, einen eigenen Strelitzer Geschichtsverein zu begründen und sich von dem Schweriner loszumachen. Das mißlang damals, weil es eben an einem Archiv und vor allem an Verständnis für die Sache in Schwerin und im eigenen Lande fehlte. Jetzt ist es zumal H. Witte gelungen, einen Mecklenburg-Strelitzer Verein für Geschichte und Heimatkunde zustande zu bringen, der bereits mit einem Bande Geschichtsblätter an die Öffentlichkeit getreten ist.

Eine ausführliche Behandlung hat durch den verstorbenen L. Krause ( 332) die Rostocker Heide gefunden. Wenn er die dort vorhandenen Orts-, Forst- und Flurnamen im Zusammenhange erörtert, so findet auch die Geschichtsforschung dadurch eine Förderung, denn eine kritische Flurnamenforschung kann ganz erhebliche Ergebnisse für unsere Kenntnis der früheren Zustände erzielen. Es ist auffällig, daß in der behandelten Heide nur drei wendische Namen mit Sicherheit festzustellen sind. Dürfen wir daraus einen Schluß auf die ehemalige Besiedlung und die Nutzung des Waldes machen? Für die Frage der Abstammung eingewanderter Adelsgeschlechter sind, wie J. von Weltzien ( 511) in Kürze darlegt, die Wappen, die oft älter als die Namen sind, von großer Bedeutung. Ganz neu ist dieser Hinweis freilich nicht. Der Streit zwischen Mecklenburg-Schwerin und Lübeck, der seit Jahren um die Rechtsverhältnisse in der Travemünder Bucht fortgeht, hat F. Rörig ( 1740f) zu einem neuen Gutachten veranlaßt, in dem er sich gegen ein solches von mecklenburgischer Seite wendet und lebhaft für das Recht Lübecks auf die Wasserfläche eintritt. Ihm antwortet sehr ausführlich W. Strecker ( 1739). Ist die ganze Streitfrage auch in erster Linie staatsrechtlicher Art, so bietet ihre Erörterung doch auch nicht geringes geschichtliches Interesse, z. B. für die Frage der landesherrlichen Hoheit über den Strand und das Meer. In gar manchen Urkunden wird die Fischerei bis an oder in das Meer verliehen, und es ist nicht immer leicht, zu entscheiden, wie die Ausdrücke im einzelnen zu erklären sind. Dafür findet man manchen Fingerzeig in den Gutachten.

Wie die beiden Mecklenburg, die sich dem deutschen Zollverein ängstlich ferngehalten hatten, auch 1866 höchst ungern sich dem einheitlichen Zollgebiet des Norddeutschen Bundes einfügen ließen, stellt K. Pagel ( 1920) kurz dar. Die großen Erwartungen, die man dann an die Zugehörigkeit zum Zollverein knüpfte, erfüllten sich kaum in vollem Maße. H. Westphal ( 1919) stellt die Agrarkrisis von 1819--26 sehr ausführlich im allgemeinen und in Mecklenburg


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dar und findet die Ursachen in der Überproduktion, in dem erweiterten Anbau der Kartoffel, in den Schutzzöllen der Getreideeinfuhrstaaten, im Preissturze, Absatzmangel u. a. m. Wie schließlich die Krisis günstige Folgen hatte, ist ganz lehrreich zu lesen. Unter den Gewerben hatte im Mittelalter das der Böttcher eine hohe Bedeutung in den Handelsstädten, wie es Fr. Techen ( 1743) auf Grund eines sehr reichen Materials für die wendischen Städte der Hanse, besonders für Wismar, nachweist. Die von ihnen angefertigten Tonnen und Fässer dienten zur Verpackung einer großen Zahl von Waren. Die Einrichtung der Gilden und die Bestimmungen ihrer Willküren und Rollen unterscheiden sich in den Einzelheiten nicht gar sehr von denen anderer Handwerke, aber die Handelsbeziehungen zwischen den einzelnen Städten führten dazu, daß die verschiedenen Gilden untereinander Einungen schlossen und gemeinsame Bestimmungen trafen, ja sogar Versammlungen abhielten. Auch nur in Maschinenschrift ist vorhanden die Dissertation von B. Eilenberger ( 1921).

In drei stattlichen Bänden liegt vor das große Werk von G. Willgeroth ( 2390), in dem die Pfarren Mecklenburg-Schwerins, geordnet nach den Superintendenturen, behandelt sind. In der Hauptsache handelt es sich um eine Zusammenstellung der Geistlichen, die seit dem Dreißigjährigen Kriege in einem einzelnen Pfarrorte tätig waren. Für sie werden reichhaltige biographische Angaben mitgeteilt. Nebenbei werden auch Nachrichten über die ältere Zeit gegeben, die allerdings für die vorreformatorische Zeit aus den Urkunden zu ergänzen wären. Für die Orts- und Familiengeschichte liegt hier ein reiches Material vor. Einige statistische Angaben am Schlusse behandeln die Herkunft und Abstammung der Pastoren und sind für darauf bezügliche Fragen recht lehrreich, wenn z. B. berechnet wird, daß etwa ein Drittel aller aufgeführten Geistlichen als Söhne von Pastoren bezeichnet werden können. Mit dem Archivrat C. F. Evers (1729--1803) in Schwerin trat der bekannte Direktor der mathematischen Klasse der Berliner Akademie Johann Bernoulli (1744--1807) in Verbindung, dessen Reisebeschreibungen (z. B. durch Brandenburg, Pommern, Preußen usw. 1777/78) oder Sammlungen von Reisebeschreibungen heute noch wohl verwertet werden können. W. Stieda (Jbb. V. Meckl. Gesch. 89, 325--356) teilt Briefe von Evers mit, in denen er über die Verbreitung der Bücher Bernoullis in Mecklenburg Mitteilung macht und auch Verbesserungen vorschlägt oder allerlei Bemerkungen zufügt. Auf das literarische Interesse in dem Lande fällt einiges Licht. Ebenso werden die künstlerischen Bestrebungen einer älteren Zeit durch W. Burmeister beleuchtet. (Wandmalerei in Mecklenburg. Jbb. V. Meckl. Gesch. 89, 229--320.) Die Wandmalereien, die vor 1400 entstanden sind, in 19 mecklenburgischen Orten, in Lübeck Stadt und Land sowie im Lauenburgischen werden stilkritisch behandelt. Dabei zeigt sich ein starker Einfluß von Niedersachsen und vom Rhein oder Westfalen aus. Natürlich hat Lübeck mit seinen weiteren Verbindungen eine besonders starke Bedeutung für die Orte an der Küste und im westlichen Mecklenburg. Dagegen erhält sich im Osten des Landes eine eigene Kunstrichtung, die von außen wenig gestört wird.


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