II. Historische Landeskunde.

Die Landeskunde Niedersachsens hat vor allem einige wichtige Beiträge zur Methodik der Stadtgeographie erhalten. Besonderes Verdienst hat sich hier auf dem Gebiete der Grundrißforschung P. J. Meier erworben. Neben rückhaltlosem Lob, wie es O. Schlüter und R. Gradmann gespendet haben, hat freilich die erste Abteilung seines Städteatlasses auch scharfe Angriffe erhalten. Außer Gerlach hat besonders K. Frölich im 44. Bande der »Zeitschrift der Savigny-Stiftung« eine tadelnde Kritik geschrieben. Hierauf antwortet P. J. Meier ( 563), weist die einzelnen Vorwürfe als »Irrtümer« zurück und lehnt die Kritik als befangen ab. Frölich ( 563) vertritt darauf in einer »Gegenerklärung«, ohne von seinen Ausführungen mehr als einen Punkt zurückzunehmen, »mit aller Entschiedenheit den Standpunkt, daß vor einer Methode, die in erster Linie mit Konstruktionen und 'kühnen', jeweils nach Lage der Dinge wechselnden Vermutungen den auftauchenden Problemen beizukommen versucht, der Weg nüchterner und sorgsamer Ausnutzung des gesamten vorhandenen Quellenbestandes den Vorzug verdient«. -- Zu den Arbeiten Meiers gehört auch ein Aufsatz von W. Martiny ( 560). Dieser behandelt die Städte und Flecken auf dem Boden des alten Sachsenstammes und stellt »ein entschiedenes Vorwiegen der ungeregelten Gebilde, bei denen das Erwachsen des Ortes als Flecken auch dann wahrscheinlich ist, wenn der Ort nun schon lange städtisch ist«, fest. Die regellose Ortsgestalt findet er vorwiegend im Tiefland des Nordens samt dem nordelbischen Gebiet, das planmäßig gestaltete Stadtgebilde, »also die herrschaftlich begründete Stadt«, aber im Hügelland östlich der Weser mitsamt dem Lippischen und dem Schiefergebirgsanteil Westfalens. -- Dem widerspricht keineswegs C. L. Wenzel ( 568) in seinem in erweiterter


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Form gedruckten Vortrage, wenn er Münden für eine von einem bestimmten Grundherrn -- Heinrich dem Löwen -- um das Jahr 1175 gegründete Stadt hält. -- Ähnlich wie P. J. Meier vermag auch H. Dörries ( 565) durch sein Werk die geographische Städteforschung wertvoll zu befruchten. Er behandelt die Entstehung und Entwicklung der drei Leinetalstädte und »verfolgt sie gleichsam von der Keimzelle an bis zur heutigen Form«. Nach einleitenden allgemeinen Kapiteln behandelt er die Grundzüge der wirtschaftlichen und topographischen Entwicklung der drei Städte im Laufe der Jahrhunderte. Dann untersucht er im geographischen Teil ihre Lage, d. h. ihre nachweisbaren Beziehungen zur weiteren Umgebung, also die geographische oder Verkehrslage, wie zur allernächsten Örtlichkeit, die topographische oder Ortslage. Die beiden letzten Kapitel sind der Siedlungsform (Grundriß) und dem Siedlungsbilde (Aufriß) gewidmet. Das Kernstück des Werkes ist der geographische Teil; auf historischem Gebiete ist der Verfasser nicht so zu Hause. Hier setzt daher gleich die Kritik ein, besonders durch W. Spieß ( 566). Dieser spricht dem historischen Inhalt eine »wesentliche Förderung unserer wissenschaftlichen Erkenntnis« ab und sieht den Grundfehler darin, daß die Arbeit geographische und geologische Voraussetzungen beweist, oft genug auch nur zu beweisen versucht, und daraus historische Schlußfolgerungen zieht. -- Die Anfänge der Stadt Einbeck, insbesondere die topographische Entwicklung der heutigen Innenstadt, untersucht Spieß ( 567) in einem besonderen Aufsatz. -- G. Schnath bietet in seinem Aufsatze: Eringaburg und Kukesburg. Ein Nachtrag zum »Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen Niedersachsens«. (Nachrichtenblatt für Niedersachsens Vorgeschichte, N. F. 2, 49--55.) ein gutes Beispiel für die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Quellendeutung und Geländeforschung zur Erschließung wichtiger historischer Zusammenhänge.


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