VII. Kirchengeschichte.

Die Abhandlungen zur niedersächsischen Kirchengeschichte weisen zum größeren Teile nach Osnabrück und Ostfriesland. Nur die mittelalterliche Kirchengeschichte erstreckt sich auf Hildesheimer und Bremer Gebiet. H. Homanns ( 2136) Dissertation bietet eine wertvolle Ergänzung zu Schreibers »Kurie und Kloster« für die Diözese Hildesheim. Solche Ergänzungen »durch die historische Erforschung der territorialen Verhältnisse« sind eine Forderung A. Brackmanns, der sie selbst für die Salzburger Kirchenprovinz gegeben hat. Das Ziel der Arbeit ist die Erkenntnis der rechtlichen


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Stellung zu den kirchlichen Oberen. Der kuriale Einfluß war in der Diözese nicht stark; das stimmt zu den Ergebnissen Brackmanns. Wohl strebten die Bischöfe nach straffer Zusammenfassung ihrer Gewalt über die Klöster. Der Höhepunkt dieser Machtäußerung lag im 12. Jahrhundert. -- A. Bertram ( 2013) schließt mit dem dritten Band die Geschichte des Bistums Hildesheim ab. Dieser beginnt mit der Regierung Ferdinands von Bayern ( 1612) und geht bis zum Jahre 1905, in dem der Verfasser den Stuhl des heiligen Bernward bestieg. Neben der Geschichte der Bischöfe und der äußeren Entwicklung des Bistums hat Bertram die Geschichte der einzelnen Kirchen und Orden berücksichtigt. -- H. Strunk ( 310) bietet Quellenstücke von Fehden, Bündnissen und Verträgen in der Zeit von 1381 bis 1432, über das kulturelle Leben im 15. Jahrhundert und die Kämpfe der Wurster um ihre Freiheit. -- G. Wentz ( 457) hat eine Reihe von Eintragungen aus dem Brüderschaftsbuch von S. Maria dell'Anima, der deutschen Nationalkirche in Rom, die auf die Provinzen Hannover und Sachsen, die Länder Braunschweig und Anhalt, die Städte Hamburg und Bremen Bezug nehmen, zusammengestellt, um an einem umfassenden Beispiel den Wert der Publikation für deutsche Verhältnisse darzutun. -- Zahlreicher sind die Veröffentlichungen zur nachreformatorischen Kirchengeschichte. Der Jahrgang 29 und 30 der »Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte« ( 2376) ist dem Oberkonsistorialrat D. Philipp Meyer in Hannover, der am 24. Januar 1927 gestorben ist, gewidmet und führt im Rückblick auf dessen Leitung des damals neu errichteten hannoverschen Predigerseminars den Sondertitel »Erichsburgensia«. Der Inhalt der Festschrift begegnet den besonderen Interessen des Gefeierten: Geschichte des kirchlichen Unterrichts, der kirchlichen Erziehung und des kirchlichen Prüfungswesens. J. Feltrup ( 2377) eröffnet den Band mit einem Beitrag »zur Geschichte des Predigerseminars Hannover-Erichsburg«. F. Cohrs ( 2373) würdigt Christoph Fischers d. Ä. »Einfältige Form« ( 1575), und Weerts ( 2613) untersucht die Dannenbergsche Schulordnung von 1687. E. Rolffs erzählt von dem »Konfirmandenunterricht des Magisters Weibezahn in Osnabrück«, und J. Beste gibt ein Bild von den Kämpfen des Wolfenbüttler Predigerseminars zur Zeit Henkes. E. G. Wolters veröffentlicht Briefe von und gegen Paulus Felgenhauer in Bederkesa, und P. H. Meyer ( 1838) liefert einen Beitrag über »die wirtschaftlichen Leistungen des Klosters Wülfingshausen für die Landesherrschaft während der Regierung Erichs II.«. -- A. Brenneke ( 2371), der die Geschichte der hannoverschen Klosterkammer bearbeitet, hat aus dem zweiten Abschnitt des ersten Bandes, der das Kirchenregiment der Herzogin Elisabeth behandeln wird, das fünfte Kapitel veröffentlicht, wobei die Darstellung der Verhältnisse des Klosterregiments nur im Auszuge mitgeteilt wird. Die damaligen kirchlichen Verhältnisse erfahren in diesem Kapitel eine erwünschte Beleuchtung. Mit Eifer führt Elisabeth, die das Reformationsrecht »lediglich aus ihrer weltlichen obrigkeitlichen Stellung geschöpft, nicht aus einer Übernahme bischöflicher Befugnisse hergeleitet hat«, die Evangelisierung des Territoriums durch. Der Reformator Corvinus, der auf die Abfassung ihrer Landeskirchenordnung eigensten Einfluß ausgeübt hat, hat das wirkliche Regiment des Landesherrn in der Kirche gebilligt und anerkannt. -- Den ersten Teil der Molanusbiographie hat H. Weidemann ( 2374) aus seiner Lizentiatenarbeit umgestaltet. Ihr schließt sich hier eine Untersuchung über die Stellung

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Molans als Konsistorialdirektor an. Eine biographische Behandlung dieses bedeutenden Loccumer Abtes ist nicht nur lokalgeschichtlich von Wert. Denn die Kämpfe um die kirchliche Einigung nach der politischen Einigung des Landes und die Schaffung einer zentralen Verwaltungsbehörde in dem hannoverschen Konsistorium, die die Amtstätigkeit Molans ausfüllen, tragen eine typische Bedeutung. Neben dem fürstlichen Absolutismus war sein Ziel der kirchliche Absolutismus. Der Sinn für die seelsorgerischen Aufgaben des Geistlichen fehlte ihm ganz. -- Drei Aufsätze behandeln die Osnabrücker Kirchengeschichte. H. Rothert ( 2370) gibt uns in dem Abdruck einer Erkundung über die Religionsverhältnisse der Osnabrücker Ritterschaft eine wertvolle Übersicht über die damals vorhandenen Edelsitze und ihre Besitzer. F. Schultz ( 2230) widmet nach einer Schilderung der Schicksale des 1235 oder früher gegründeten Stiftes Quakenbrück den Hauptteil seiner Arbeit einer Untersuchung des Kapitels und besonders der Stiftsprobstei bis zu ihrer endgültigen Überlassung an die lutherischen Domherren im Jahre 1669. --Bindel ( 1680) untersucht den Status ecclesiasticus des Fürstentums Osnabrück, den Vitus Büscher mit Hilfe von vier Mitarbeitern geschaffen hat. Diese Polizeiordnung ist für die Beurteilung der kirchlichen und kirchenregimentlichen Verhältnisse von besonderer Bedeutung, weil sie im Gegensatz zu den zeitgenössischen Berichten des Lucenius und Bronkhorst von Protestanten abgefaßt ist. -- Von der ostfriesischen Kirchengeschichte und ihren Kämpfen berichten mehrere Aufsätze. F. Ritter ( 2379) verrät die unerwartete Tatsache, daß Enno II. zwei Jahre vor seinem Tode im Verein mit seinem Bruder Johann insgeheim und doch unverhüllt die Rückkehr Ostfrieslands zum Papsttum betrieb. -- H. Garrelts ( 2381) unterzieht die lutherischen Berichte vom Jahre 1593 einer eingehenden Untersuchung mit dem Ergebnis, daß sie geschichtlichen Wert haben, und gibt einen textkritischen Abdruck dieser Darstellung sowie des Gegenberichtes. -- F. Ritter ( 2380) handelt über das von dem reformierten Pastor Ritzius Lucas herausgegebene Gesangbuch vom Jahre 1616, das den persönlichen Beziehungen dieses Emder Predigers zu Graf Enno III. seine Entstehung verdankt. -- E. Kochs ( 2383) prüft, soweit es für die reformierte Gemeinde Emden zutrifft, die Frage, »ob fast völlig unberührt vom Rationalismus die reformierte Kirche Ostfrieslands sich jeder Neologie verschlossen hat«, und stellt fest, daß der vulgäre Rationalismus nicht Wurzel geschlagen hat. »Nur gewisse Kreise haben sich dem Idealismus der Aufklärung zugewandt und sind auch durch die Erneuerung des kirchlichen Lebens um die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht wiedergewonnen worden.«


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