V. Kirchengeschichte.

Auf dem Gebiet der Kirchengeschichte hat C. Rolfs ( 916) zu der Frage nach den religiös-kirchlichen Zuständen in Deutschland vor der Reformation einen Beitrag aus der Dithmarscher Geschichte geliefert. Trotz strengen Festhaltens an dem alten Glauben machte sich auch hier im Norden Unzufriedenheit mit verschiedenen kirchlichen Institutionen geltend, vor allem der drückenden geistlichen Jurisdiktion des Hamburger Domkapitels, so daß weder der Dompropst noch sein Offizial zu Visitationen das Land mehr zu betreten wagten, mit den Zehnten und Abgaben an dieselben Instanzen, so daß schließlich die Dithmarscher Landesregierung der Achtundvierziger 1533 sich entschloß, die alte Verbindung mit dem Domkapitel zu kündigen, die Besetzung der Pfarrstellen von jetzt an selbst vorzunehmen und die Zahlung von Abgaben an jenes zu verbieten. Auch durch die Bestimmung, daß alle auswärtigen Inhaber von Pfarrstellen und Vikarien ins Land zurückkehren müßten, suchte man einem schweren Mißstand abzuhelfen. Auf der andern Seite legen der Bau neuer Gotteshäuser und Klöster, deren Ausschmückung, die Errichtung neuer Altäre, die gesteigerte Heiligenverehrung, der Marienkult, das Verlangen nach Ablässen und Seelenmessen, wofür besondere Gilden entstanden, der Wallfahrtsbetrieb (nach Jerusalem, San Jago, besonders nach Wilsnack) von einem überaus starken religiösen Sinn und Drang der Bevölkerung aufs neue Zeugnis ab.

Im 17. und 18. Jahrhundert war das Herzogtum Schleswig kirchenpolitisch in elf Unterkonsistorien geteilt, denen das Oberkonsistorium auf Gottorp übergeordnet war. Hadersleben war der Sitz eines solchen Unterkonsistoriums, das für alle Fragen der Kirchenzucht, für Ehe- und Verlobungssachen, aber auch für Lehre und Leben der Kirchen- und Schulbehörden die oberste richterliche Instanz bildete. Für die Stellung des Deutschtums hier im Herzogtum Schleswig ist es, wie Th. Matthiessen ( 2388) an der Hand der Protokolle dieses Konsistoriums zeigt, charakteristisch, daß Hadersleben von 1639 bis 1715 nur mitteldeutsche, meistens sächsische Pröbste gehabt hat. So stark war die dauernde Verbindung mit dem Ursprungsland der lutherischen Reformation, daß die dänischen Könige und ihre Amtmänner an keinerlei Gegenwehr gegen diese fortwährende Einwirkung des deutschen Kirchentums und Geisteslebens denken konnten. Ja, es sollte eine Bevorzugung sein, daß keine Stadt der Herzogtümer in solch reichem Maße mit namhaften auswärtigen Theologen bedacht wurde wie gerade Hadersleben, das schon Bugenhagen als »Hadersleve im Deutschen Land« bezeichnet hat. Einer der bedeutendsten dieser aus Sachsen stammenden Haderslebener Theologen war ohne Frage der Direktor des Konsistoriums und spätere Generalsuperintendent für den Königlichen Anteil von Schleswig, Bonaventura v. Rehfeld, dessen schwierige Tätigkeit im Bereich der kirchlichen Verwaltung 1649 bis 1673, also mitten in der furchtbaren Epoche der Schwedenkriege, aus jenen Akten zu erkennen ist. Zu seiner Aufgabe machte er sich vor allem die Bekämpfung der in dieser rauhen Zeit eingerissenen Unsitten im geistlichen Stand; auch gegen adventistische Lehren und »magische Künste« mußte damals eingeschritten werden.

Kultur- und Bildungsgeschichte. Ein Hort des Deutschtums in Hadersleben war sodann seit ihrer Gründung durch Herzog Hans den Älteren 1567 die Gelehrtenschule des Johanneums, die an die Schule des alten Kollegiatstiftes der St. Marienkirche anknüpfte. Wie T. O. Achelis ( 2614) nachweist,


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waren die Lehrer deutsch, ebenso der Unterricht. Auch hier machte sich der Einfluß Wittenbergs noch lange geltend: schon der erste Inhaber des Amtes eines Lektors, der im Sinne der Reformation und des Humanismus Vorlesungen über die Heilige Schrift und die griechische Sprache hielt, war der in Wittenberg ausgebildete Johann Wenth aus Goslar. Und auch weiterhin gab Deutschland das Muster für die Einrichtungen dieser Schule, in der die Jugend des nördlichsten Teiles des Herzogtums Schleswig die Vorbildung für das Universitätsstudium erhielt. Mochten auch die Schüler sich als Dänen fühlen, solange Schleswig-Holstein zu dem dänischen Gesamtstaat gehörte, so wurzelten sie doch derartig fest in der deutschen Kultur, daß, als um 1830 die nationale Scheidung einsetzte, sie fast alle auf deutscher Seite standen. Erst 1850, als jenes dänische Zwangsregiment im Herzogtum Schleswig aufgerichtet wurde, ist auch diese Hochburg des Deutschtums rücksichtslosen Danisierungsmaßnahmen (Entlassung der bisherigen Lehrer, Einführung der dänischen Unterrichtssprache) zum Opfer gefallen.

Dem Eindringen des Rationalismus und der Romantik, diese hauptsächlich vertreten durch den Reventlowschen Kreis auf Schloß Emkendorf, sowie dem Kampf zwischen beiden Richtungen in Kirche, Universität und Schule geht das Buch Otto Brandts ( 1046) für die Wende des 18. Jahrhunderts nach, auch P. v. Hedemann-Heespen beschäftigt sich, im Anschluß daran, in einem tiefgreifenden Aufsatz ( 1046a) mit diesen großen geistigen Bewegungen.


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