Spezielles.

Einen wertvollen Beitrag zu der eben erwähnten Montecassineser Schrift liefert Lehmann ( 400) bei seinem Bericht über die Schicksale einiger Handschriften des Klosters, besonders der Chronik des Leo Marsicanus. L. Schiaparelli ( 387) ergänzt an Hand einer Pisaner Urkunde von 748 seine Untersuchungen über den berühmten Cod. 490 der Capitolare von Lucca, auch bezüglich des westgotischen Einflusses auf dessen Schrift. Wenden wir uns dann von Italien zunächst nach England, so verdient R. Priebschs ( 397) Studie zum Heliand Ms. (Cotton Caligula A VII.) Beachtung. Seine Buchstabenbeschreibungen und beigegebenen Faksimiles bereichern unsere Kenntnis von der angelsächsischen Minuskel im 10. Jahrhundert. Über das anfängliche Vorherrschen der insularen Schrift im Scriptorium der Bonifacius- Stiftung unterrichtet Lehmann ( 395) in seinen Fuldaer Studien (sie handeln von den Katalogen der Klosterbibliothek und den Annales Fuldenses antiquissimi) und kündigt dort zugleich weitere, noch umfassendere Forschungen an. Fünf Handschriften in vorkarolingischem Typus aus Oberdeutschland, heute der Stuttgarter Landesbibliothek gehörend, beschreibt Kl. Löffler ( 392). Leider läßt er die Abkürzungen unberücksichtigt, paßt sich überhaupt wenig der Methode an, nach welcher in W. M. Lindsays Palaeographia latina verfahren wird.

Bekanntlich hat sich diese Zeitschrift die Aufgabe gestellt, die einzelnen Schreibschulen des karolingischen Zeitalters genau zu untersuchen. So enthält das 4. Heft eine Beschreibung des Scriptoriums des Mainzer Hochstifts ( 401); und zwar handelt Lindsay von den heute in der Vaticana befindlichen Handschriften, darunter von Pal. lat. 577 mit den althochdeutschen Sprachdenkmälern,


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Lehmann von den Manuskripten, welche in München und Würzburg aufbewahrt werden, wie dem wichtigen Bonifacius-Kodex L. M. 8112. Ein weiterer Aufsatz des gleichen Heftes beschäftigt sich mit Lyon. (Zu dessen Unzial- und Halbunzialhandschriften besitzen wir heute die eingehenden Untersuchungen von Lowe, gegen die Ph. Lauer [ 403] einige beachtenswerte kritische Bedenken geltend macht.) Die Lyoner Minuskelmanuskripte hatte der im Kriege gefallene S. Tafel ( 404) jahrelang studiert. Seine sehr umfangreichen Materialien werden von der Münchener Staatsbibliothek aufbewahrt. Aus ihnen liefert nun Lindsay in seiner Zeitschrift Auszüge, welche besonders Erzbischof Leidrad und dessen Nachfolger sowie Florus magister betreffen. Endlich bringt das 4. Heft noch einen allgemein gehaltenen Aufsatz von de Boüard ( 393) über die Entstehung der karolingischen Minuskel, dessen schematische Betrachtungsweise mir aber wenig gewinnversprechend zu sein scheint. An dieser Stelle verdienen Lehmanns ( 385) Bemerkungen zum gleichen Gegenstande in seiner oben erwähnten Übersicht nochmals hervorgehoben zu werden, wenn sie auch der Lösung des Problems nicht wesentlich näher kommen. (Beim Charakterisieren der Reformabsichten hätten wohl einige Momente nachdrücklicher hervorgehoben werden können, so die Worttrennung, ferner die Verwendung von zwei verschiedenen Schriftarten im selben Kodex.)

Für die ganze Periode vom 9. Jahrhundert bis zur Gegenwart liegen nur drei Beiträge vor. Die Dissertation von W. Müller-Schöll ( 405) untersucht die Entwicklung des päpstlichen Kanzleitypus von 1061--1185 und stellt Beziehungen zur Schrift in Augustinerurkunden fest. Der Fragenkomplex wird meines Erachtens auf breiterer Grundlage nochmals geprüft werden müssen. H. Schneider gibt G. Milchsacks ( 408) »Was ist Fraktur?« neu bearbeitet heraus, eine Streitschrift, welche zwar in Einzelheiten als überholt gelten kann (ich verweise z.B. auf die irrig angenommenen Beziehungen zwischen der italienischen Rotunda und der deutschen Schwabacher), dennoch schon um der originellen Fassung willen ihren Wert behalten wird. Zu dem für die neuere Schriftentwicklung so wichtigen Kapitel der Schreibmeister steuert F. Leberecht ( 409) einiges Material aus Sachsen bei, will aber mehr praktischen als wissenschaftlichen Zwecken dienen.

Über mehrere andere in der Bibliographie enthaltene Arbeiten kann erst im nächsten Jahresbericht referiert werden.


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