I. Quellenkunde und Schrifttum.

Das Regestenwerk von Otto Dobenecker ( 187) hat mit der Vollendung des 3. Bandes einen vorläufigen Abschluß gefunden. Jetzt, da das mit gewohnter Sorgfalt ausgearbeitete alphabetische Register vorliegt, wird auch weiteren Kreisen der Wert dieser Darbietung aufgehen, dessen sich die Fachgenossen seit vielen Jahren dankbar bewußt sind. Der Band umfaßt rund 3800 Regesten aus den Jahren 1228--1466, dem Endjahr des langen Kampfes um die Nachfolge des alten Landgrafenhauses. Es kann gar nicht oft genug gesagt werden, daß schlechthin jede geschichtliche Forschung über Thüringen im Mittelalter mit einem genauen Studium dieses Werkes beginnen muß. Mit der Landesgeschichte teilen sich die Reichsgeschichte, insbesondere die Kaiserdiplomatik, und viele Orts- und Familiengeschichten in den Ertrag. Der 3. Band geht an manchen Stellen über den Rahmen der Aufgabe hinaus, indem er auch ungedruckte Stücke aus Kopialbüchern und Sammlungen verzeichnet. Berichtigungen und Nachträge zu den zwei ersten Bänden mußten für den 4. Band zurückgestellt werden, dessen Herausgabe hoffentlich bald gesichert wird.

Vom Urkundenbuch des Hochstiftes Naumburg ist im Berichtsjahr der 1. Band erschienen ( 188). Dreizehn Bogen (967--1155) waren noch von Felix Rosenfeld, der sich durch die Ordnung des Domkapitelarchivs vor Jahren ein großes Verdienst erworben hatte, in Druck gegeben worden. Nachdem er ein Opfer des Krieges geworden († 5. Juli 1917), hat Walter Möllenberg sich der großen Mühe unterzogen, die Fortsetzung druckreif zu gestalten. Der Band schließt mit dem Tode des Bischofs Bertold II. 1207 und enthält 430 Nummern, von denen 178 vollständige Abdrucke sind, und zwar 106 nach Originalen, 69 nach Kopialbüchern und 3 nach Drucken. Bisher ungedruckt sind davon 18 Stück. Der Hauptwert des Werkes besteht in der sorgfältigen Wiedergabe der Urkundentexte aus den Domarchiven in Naumburg und Zeitz. Die Forschung hat sich schon oft mit Naumburger Urkunden beschäftigt. Die dabei meist zugrunde gelegte Veröffentlichung von Lepsius (a. d. J. 1840) ist nunmehr überholt. Manche Naumburger Stücke haben bereits


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eine gewisse Berühmtheit in der Diplomatik erlangt, und so wird das Urkundenbuch, dessen 1. Band nicht weniger als 11 Fälschungen behandelt, auch in Seminarübungen eine Rolle spielen. Ist auch der Sprengel von Zeitz-Naumburg einer der kleineren im Reiche, so ist seine Geschichte doch von großer Bedeutung, in dem behandelten Zeitraum hauptsächlich für die Besiedlung des thüringischen Osterlandes, seine kirchliche Organisation und die Territorialbildung.

Die fast ausschließlich in Eisenach und Erfurt blühende Chronistik des mittelalterlichen Thüringens hat im XVII. Jahrhundert eine Wiedergeburt erfahren. Als eine Art Sammelbecken solcher Historiographie hat lange Zeit das Eisenacher Geschichtswerk des Paullini einen gewissen Ruhm behauptet, der allerdings später als Fälscher entlarvt wurde. Klinghammer ( 876) unterzieht die Eisenacher Annalen einer quellenanalytischen Untersuchung und kommt zu dem Ergebnis, daß Paullini aus wenigen Mittelquellen Auszüge von älteren Chroniken entnommen hat, die er nennt, aber wahrscheinlich nicht benutzt hat. Seine Kompilation ist also literarisch verfälscht, aber nicht in bezug auf das Tatsächliche. Quellenwert haben nur einige Berichte nach 1620.

Die Geschichtsvereine des Landes haben die Inflation größtenteils überstanden und zeigen ein reges Leben, zuweilen noch durch die alte Zersplitterung gehemmt, an manchen Stellen der geschichtlichen Gliederung entsprechend umgestaltet ( 8). Schätzbar sind daneben die in mehreren Städten neu entstandenen heimatgeschichtlichen Blätter, meist Beilagen von Tageszeitungen, und die ganz Thüringen umfassenden Hefte der Berg-, Burg- und Waldgemeinden. Das Monatsblatt des thüringischen Landbundes bringt Auszüge aus Druckwerken und Anzeigen landesgeschichtlicher Arbeiten. Vielseitige Anregung bietet die neue Monatsschrift »Thüringen«, herausgegeben von Fritz Koch, dem Leiter der staatlichen Beratungsstelle für Heimatschutz und Denkmalpflege.


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