II. Politische Geschichte.

Weitausholend behandelt Carmesin ( 796) die Stellung Thüringens in der Slawenpolitik der Merowinger. Mangelhaft in der quellenmäßigen Begründung der historisch-geographischen Begriffe, gibt die Arbeit beachtenswerte Hinweise auf die Schicksalsverknüpfung des deutschen Binnenlandes mit den großen europäischen Wandlungen. Bis zum Untergang des thüringischen Königtums und noch ein Menschenalter darüber hinaus dem Osten verbunden, hat Thüringen sich seit dem Abzug des ostelbischen Germanentums nach Westen gewendet und in sechs Generationen dem fränkischen Reich eingegliedert.

Sonst ist die mittelalterliche Staatengeschichte wenig bearbeitet worden. Das Jahrhundertgedächtnis aber hat ein starkes Eingehen auf die Geschichte des Bauernkriegs gezeitigt, wobei die Person Münzers und die Schlacht bei Frankenhausen im Vordergrund stehen. Baerwald ( 939 f.) behandelt besonders die Kriegshandlungen, kommt jedoch über ältere, von ihm stark benutzte oder kritisierte Arbeiten nicht wesentlich hinaus. Sein Büchlein ist aber für Geschichtsfreunde und weitere Kreise nützlich zu lesen, zumal es auch in die quellenkritischen Fragen einführt.

Durch die Erinnerung an das 50jährige Regierungsjubiläum Karl Augusts von Sachsen-Weimar im Jahre 1825 sind verschiedene Arbeiten veranlaßt worden. Erich Marcks ( 1047) hat in einem gehaltvollen Vortrag ein historisches


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Charakterbild des Fürsten gemalt. Hans Wahl ( 1048) zeigt das persönliche Bildnis Karl Augusts und gibt damit einen Beitrag ebensowohl zur Biographie dieses von der Geschichtschreibung noch keineswegs voll erfaßten Menschen wie zur Kunstgeschichte. Die zeitliche Ansetzung der Bilder ist oft überraschend, nicht immer ganz überzeugend. Unumgänglich dazu gehörig sind die Beiträge desselben Verfassers im Goethe-Jahrbuch. Über Karl Augusts Stellung im Fürstenbunde werden »neue Dokumente« beigebracht von Des Tours und Schleicher ( 1049). Die Bundespolitik erhielt neue Antriebe durch die Auflösung des Reiches. Hemmend wirkten die Lehnsverhältnisse der kleinen Fürsten, die Eifersucht zwischen Weimar und Gotha, die Schwäche der kursächsischen Politik. -- Auf umfassenden Archivstudien baut Otto Bessenrodt ( 1102) ein Geschichtsbild nach Rankes Art, nur ohne biographische und soziologische Vertiefung: fast Tag für Tag können wir die Schachzüge der Diplomaten während der Franzosenzeit verfolgen. Wir sehen die territoriale Umgestaltung, bedauern oft genug die gebotene knappe Fassung und hoffen, daß die in dem Büchlein enthaltenen zahlreichen Anregungen zu ausführlicher Behandlung der berührten Dinge nicht unbeachtet bleiben mögen, leider fehlt ein Register. Die beigegebene Karte enthält einen schlimmen Fehler (Kahla-Roda koburgisch!).

Dem geist- und verdienstvollen Bernhard von Lindenau, der dem Lande die unglückliche »Lösung« der Territorialfrage von 1825 beschert hat, widmet Börries Frhr. von Münchhausen eine kurze, aber inhaltreiche Gedächtnisschrift (Thüringen, Monatschr. I, 4, S. 58--62).

Als »das System Metternich im Herzogtum Sachsen-Altenburg« stellt Igel ( 1153) die in diesem 1826 neu gebildeten Staat unter der Wirkung der Bundestagsbeschlüsse herrschenden öffentlich-rechtlichen Verhältnisse dar, hauptsächlich auf Grund der Altenburger Gesetzsammlung, in systematischer Anordnung, ohne den Versuch einer pragmatischen Geschichtschreibung. Besondere Beachtung verdient sein Hinweis auf die Akten der zur Demagogenverfolgung 1830 eingesetzten Kriminalkommission. -- Den kampferfüllten Lebensweg des Koburger Publizisten und Verlegers Feodor Streit (1820--1904) schildert Konrad Bechstein ( 1168) auf Grund der von diesem hinterlassenen Papiere. Das Heft ist eine Nebenfrucht planmäßiger Durchforschung des thüringischen Zeitungswesens, der wir die aufschlußreiche Arbeit des Verfassers über die öffentliche Meinung in Thüringen während der für Deutschland schicksalsvollen Jahre 1864--66 verdanken ( 1196). Sie zeigt den Wandel der Stimmung von unverhohlener Gegnerschaft gegen das Preußen Bismarcks zur teils begeisterten, teils widerwilligen Anerkennung. Die vom Großherzog Karl Alexander geplante Berufung Richard Wagners nach Weimar ist hauptsächlich an den politischen Bedenken des Ministers v. Watzdorf gescheitert, was Tille aus den Akten mitteilt (Deutsche Rundschau Bd. 202, S. 1--16).

Offenbar durch das Vorbild des Kaspar Sagittarius angeregt, hat Valentin Hopf es unternommen, eine Jahresgeschichte der Stadt Saalfeld von 1800 an zu schreiben (Die Stadt Saalfeld ... im 19. Jhd. ... Saalfeld, 152 S.), und wie dieser jeweils an die Zeitereignisse anknüpfend, Orte, Dinge, Personen, weit ausholend, historisch zu behandeln. Das Unternehmen mußte im Kriege abgebrochen werden. Die jetzt ausgegebene Chronik geht nur bis 1808, bietet aber eine Fülle von schätzbaren Nachrichten, leider ohne Register und


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Abschluß. Als eine Art Fortsetzung können die Erinnerungen von Friedrich Trinks gelten (Erinnerungen an Herzog Georg II. und Zeitbilder aus und für Saalfeld, 128 S.).


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