b) Evangelische Kirchengeschichte der Neuzeit.

Von K. Bauer liegen zwei Arbeiten aus der Reformationsgeschichte der Stadt Frankfurt vor. In einem 5. Teil beschließt er seine Untersuchungen über den Bekenntnisstand der Reichsstadt ( 2358). Während noch bei der Aufnahme der Fremdengemeinden von einem »Bucerschen Unionsprotestantismus« gesprochen werden konnte und es den Tatsachen entsprach, wenn 1554 dem Rat geschrieben wurde: »die (d. h. die Wallonen) sind euerer Religion«, wandelte sich der Bekenntnisstand durch den Niedergang des Philippismus, der -- für die Stellung des Rats bezeichnenderweise -- durch ein verunglücktes Finanzunternehmen einen starken Stoß erlitten hatte, und durch den Einfluß des Vorkämpfers des reinen Luthertums, Westphal, zur lutherischen Orthodoxie. Und doch entschieden wieder politische Rücksichten, daß die Bergische Konkordie nicht unterschrieben wurde. Die Wandlung der dogmatischen Anschauungen hatte sich also bei der Stadt vollzogen. Sie führte zum Verbot des eigenen Gottesdienstes der Fremdengemeinden 1561 und zur teilweisen Abwanderung der Fremden. Den Gründen des Verbots geht Bauer in einer besonderen Schrift ( 2359) nach, in der er diese Frage nicht vom Standpunkt nur der lokalen Kirchengeschichte betrachtet, sondern sie in Zusammenhang mit der allgemeinen kirchen- und dogmengeschichtlichen Entwicklung bringt, wie sie sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts vollzogen hat.

Kirchliche Fragen der Gegenwart haben H. v. d. Au ( 2355) veranlaßt, der Geschichte der Einrichtung des Seniorats für das althessische Gebiet des Volksstaats Hessen unter Heranziehung alles erreichbaren Materials nachzugehen. Die Bedeutung des Amtes, das als solches 1539 auftrat und bis 1832 bestanden hat, lag in der Beteiligung des Laienelements an der Seelsorge. -- Dem 1921 erschienenen 1. Band der Hassia sacra, dem Pfarrer- und Schulmeisterbuch, hat W. Diehl ( 2357) einen noch stattlicheren 2. Band folgen lassen, der »Beiträge zur Geschichte der Kirchenleitung, des geistlichen Standes und der Schulmeisterschaft in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt in der Zeit von


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der Reformation bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts« bringt. Eine eigentliche Geschichte der kirchlichen Behörden und des geistlichen Standes ist also von dem Verfasser nicht beabsichtigt. Sehr stark macht sich sein Interesse an der Persönlichkeit geltend. So läßt er einem kurzen Überblick über das Kirchengebiet und seine Sprengel Biographien sämtlicher Superintendenten folgen. Von kirchlichen Behörden werden weiter die Definitorien, die Konsistorien und die Unterbezirke der Superintendenturen behandelt. Mehr statistischer Natur sind die Kapitel über die Geistlichkeit und die Schulmeister, die Zusammenstellungen über ihre Zugänge und Abgänge in den einzelnen Bezirken, über die Exulanten, d. h. die Opfer der »Reformationen nach der Reformation«, über Konvertiten usw. in erstaunlicher Vollständigkeit enthalten. Kulturhistorisches Interesse beanspruchen die Ausführungen über das decorum pastorale. In den Schlußkapiteln findet sich u. a. auch eine Zusammenstellung der literarischen Leistungen der Geistlichen und Schulmeister. Es ist eine Überfülle des Inhalts auf den 630 Seiten des Bandes, wie sie jahrelanger Fleiß zusammengetragen hat, die aber zum Teil noch der Bearbeitung harrt. Das Personenverzeichnis zeigt, daß hier auch der Familienforscher reiche Beute findet.

Die Geschichte der katholischen Kirche ist nur durch die gewandt und voller Verehrung für ihren Helden geschriebene Dissertation von Ranft ( 2222) vertreten, die auch nur im letzten Abschnitt, der die Anstellung Münzenbergers als Stadtpfarrer in Frankfurt behandelt, das engere Berichtsgebiet berührt. In den vorhergehenden Kapiteln gibt uns der Verfasser einen Einblick in das für den rheinischen Katholizismus der Mitte des vorigen Jahrhunderts hochbedeutsame Wirken und die Persönlichkeit des nach den Urteilen von Zeitgenossen »seltenen« Mannes.


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