II. Stadtgeschichte.

Eine größere Zahl Arbeiten, zum Teil hervorgerufen durch die anschwellenden heimatgeschichtlichen Bestrebungen, sind für das Gebiet der Stadtgeschichte zu verzeichnen. Rein auf den Zweck ortsgeschichtlicher Belehrung weiterer Kreise eingestellt und ihrem wissenschaftlichen Gehalt nach dürftig sind die Bücher von Klute ( 305), bemerkenswert allenfalls wegen ausführlicher Mitteilungen über das Stift Fröndenberg und seinen heutigen Zustand, und von W. Vinke ( 304a). Sehr viel höher steht Ruprecht Ewalds O. F. M. Geschichte der Stadt Brakel ( 304b), allein schon durch die Fülle von Einzelheiten, die er in geschickter und sachkundiger Verarbeitung darbietet.

Plaßmann ( 304) gibt zwar, auf Grund in beschränktem Umfang herangezogener Literatur, eine flotte, mit persönlichen Urteilen stark durchsetzte Darstellung, sie entbehrt aber eigenen wissenschaftlichen Wertes; einen breiten Raum nehmen die Abschnitte über die Wiedertäufer und die Zeit Bischof Christoph Bernhards von Galen ein: mit ihnen, wie auch sonst öfter, greift das Buch über den Rahmen der Stadtgeschichte weit hinaus. Es berührt sich damit nahe mit dem von Brand ( 303), der seinerseits, in Anlehnung an sein Vorbild, die 1837 erschienene »Geschichte Münsters« von H. A. Erhard, die städtische Entwicklung Münsters stark berücksichtigt; wie dieser, führt auch Brand seine Geschichte nur bis zum Ende des Fürstbistums ( 1802), ein Anhang behandelt kurz die Folgezeit bis 1815. Nach dem Vorwort soll das Buch eine »gegenwartsgemäße Umarbeitung« des (längst vergriffenen) Erhardschen sein; die Bearbeitung ist ohne eigene Forschungen oder Quellenstudien auf Grund seither erschienener Literatur vorgenommen, demgemäß wenig gleichmäßig, auch im Stil. Am wenigsten gelungen sind die mittelalterlichen Abschnitte; die Disposition ist verfehlt. Ein Literaturverzeichnis und ein Register fehlen, der Anteil der Vorlagen ist nicht gekennzeichnet.

Von den Städten des westfälischen Industriebezirks mit ihrer oft dürftigen geschichtlichen Überlieferung hat Wattenscheid, ursprünglich eine aus Höfen des Essener Stifts bestehende Siedlung, die erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts von den Grafen von der Mark zur »Freiheit« erhoben wurde, eine ausführliche geschichtliche Behandlung erhalten in Eduard Schulte, Geschichte der Freiheit Wattenscheid ( 306a); angehängt sind Abdrucke von Privilegien und Statuten, eine Ratsliste, eine Gewerbestatistik und ein Grundbuchauszug. -- Auch rechtsgeschichtlich wichtig ist ein Aufsatz des Staatsanwaltschaftsrats Günter Höfken (Alte Bochumer Höfe. In: Bochum. Ein Heimatbuch für Stadt und Land. Bochum, Schürmann & Klagges. S. 6--31), der in einer zugleich für die Geschichte des Reichsguts in Westfalen bedeutsamen Untersuchung die Entwicklung der Stadt Bochum aus einer ursprünglichen Marktsiedlung (auf dem Boden eines alten Reichshofes) durch Einbeziehung von Ländereien der Nachbarhöfe schildert.

Am stärksten durch Einzelforschung gefördert ist die Geschichte der Stadt Dortmund. (Vgl. auch eine Aufsatzreihe zur Geschichte Dortmunds im 19. Jahrhundert in: Die Heimat 7, 243 ff.) Aus Rechnungen der Dortmunder Zimmerkämmerei stellt L. v. Winterfeld ( 509) fest, daß schon 1510 Rot-Weiß die Stadtfarben und ein schwarzer Adler auf weißem Schild das Stadt- wappen Dortmunds bildeten. Die herkömmliche, von Rübel vertretene Ansicht, daß Dortmund die Bestimmungen des Kaiserprivilegs von 1332, bis 1802


S.568

die Grundlage der Stadtverfassung, über Ratswahl und Stadtbuchführung nicht eingehalten habe, erweist dieselbe ( 1618) als verfehlt; Spuren eines Stadtbuchs sind zwar erst seit dem 15. Jahrhundert erkennbar, doch muß die Einrichtung auf jenes Privileg zurückgehen. Vorhanden sind vollständige Gerichtsbücher (mit Lücken) seit 1516. -- Das älteste Buch dieser Reihe (für 1516--18) beschreibt Meininghaus ( 1833) und stellt daraus in Tabellenform die Eintragungen über die (vor dem Richter erfolgten) Grundstücks- und Rentenkäufe zusammen. -- In seinem erstmalig 1913 erschienenen Büchlein über den Dortmunder Freistuhl gibt Meininghaus ( 1620) eingehend über Lage und Aussehen der Gerichtsstätte Auskunft; die neue Auflage zeigt einige Erweiterungen im Text und in den Bildbeigaben. -- Das Dortmunder Patriziat, in dessen Hand bis 1400 das Regiment der Stadt lag, ist nach v. Winterfeld ( 1617) durch Ausscheidung eines engeren Kreises der »besser beerbten« aus der Zahl der grundbesitzenden Erbsassen entstanden. Es ist rein bürgerlichen Ursprungs, in seiner Zusammensetzung stark fluktuierend und nicht abgeschlossen. Seine Angehörigen zählen zum Kaufmannsstande; der Aufstieg einiger typischer Vertreter wird geschildert. -- Inhaltlich berührt sich damit die Untersuchung von v. Klocke ( 456) (die er neuerdings in erweiterter Form vorgelegt hat). Aus seiner Zusammenstellung der Soester Bürgermeister von 1227--1420 ergibt sich ein starker Wechsel der Persönlichkeiten -- mehrmalige Wahl ist Ausnahme -- wie der (ausnahmslos patrizischen, durch Reichtum in Handel und Grundbesitz ausgezeichneten) Geschlechter, aus denen die Bürgermeister genommen wurden. --Derselbe ( 455) zeigt am Beispiel dreier als typisch herausgegriffener Ritterfamilien der Soester Börde den Zusammenhang von Altfreiheit und Dienstbarkeit; für die Mehrzahl der anderen, dem gleichen ständischen Kreise angehörigen Familien des Untersuchungsgebiets hält er ursprüngliche Altfreiheit für erweisbar. »Nicht altunfreies Voll-Ministerialentum, sondern altfreier Ortsadel« bedeute dort »das Hauptherkunftselement der späteren Ritterschaft«. An anderer Stelle ( 454) äußert sich v. Klocke dahin, daß »in weiten westdeutsch-westfälisch-niedersächsischen Gebieten der neue Ritteradel wesentlich altfreien Ursprung besaß«. [J. Bauermann.]


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)