I. Gesamtdarstellungen.

Für die Rheinlande ist das Berichtsjahr von besonderer Bedeutung gewesen. Denn die von manchem bezweifelte Berechtigung, das Jahr 1925 zum Jubiläumsjahr zu stempeln und mit ihm die tausendjährige Zugehörigkeit der Rheinlande zum Reich zu feiern, wurde doch in den weitesten Kreisen bejaht, und diese Feier mußte um so mehr Widerhall finden, als es hier galt, sich über die Not der Zeit zu erheben und eine Bekenntnisformel zu finden, die es der Welt klarmachte, daß eine Loslösung der Rheinlande vom Reich nicht zu erwarten sei. -- Die Ereignisse des letzten Jahrzehnts mit den großen Katastrophen, die sie umschlossen, hatten das Verständnis für die Vergangenheit neu entzündet und vor allem die französische Rheinpolitik zur Diskussion gestellt. So hatte schon 1918 A. Schulte sein trotz begreiflicher Polemik durchaus sachliches und gelehrtes Werk »Frankreich und das linke Rheinufer« erscheinen lassen und 1924 H. Stegemann sein reiches Buch »Der Kampf um den Rhein« dem deutschen Volke gewidmet. Dann hatte im Jahre 1922 die Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde das ausgezeichnete Sammelwerk »Geschichte des Rheinlandes von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart« herausgegeben, das für alle zukünftigen Arbeiten das Fundament bilden konnte.

Sollte die Jahrtausendfeier ein kraftvolles Bekenntnis der Rheinlande zum Reich werden, so galt es, auf dem letztgenannten Werke fußend, Umfassendes


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zu bieten. In erstaunlicher Frische hat A. Schulte ( 253) die große Leistung vollbracht, einen ausführlichen Überblick über dieses Jahrtausend rheinischer Geschichte zu geben. Da der Provinzialausschuß der Rheinprovinz (erst im Herbst 1924!) ihm den Auftrag erteilte, dieses Werk zu schreiben, beschränkt sich die Darstellung im wesentlichen auf die Rheinprovinz. Trotzdem dürfen wir es an erster Stelle nennen, denn keine andere Darstellung kommt der Schultes gleich in der Anmut und Schlichtheit ihrer Diktion, in der wohltuenden Objektivität der Schilderung und in der vollen Beherrschung des Stoffs und der Literatur. Diese eminente Leistung wird keineswegs dadurch beeinträchtigt, daß ein Stab von Mitarbeitern ihm zur Seite trat: M. Braubach für die politische Geschichte der französischen Zeit, F. Steinbach für die Agrargeschichte, A. Wirminghaus für die Wirtschaftsgeschichte, W. Poethen für die neuere Literaturgeschichte und -- was sehr in die Wagschale fällt --Paul Clemen für die Kunstgeschichte. Letzterem ist auch die künstlerische Ausstattung des Werkes zu danken, dessen Grundgedanken Schulte ( 254) an anderer Stelle in knapper Weise zusammengefaßt hat.

Neben Schultes Werk ist gleich an zweiter Stelle das von Wentzcke ( 255) zu nennen. Um eine möglichst einheitliche Wirkung zu erzielen, hat dieser darauf verzichtet, sich für gewisse Gebiete Mitarbeiter zu werben und behandelt (im 1. Bande) nicht sowohl die politische Geschichte wie das gesamte Kultur- und Wirtschaftsleben am Rhein. Mit seiner geopolitischen Betrachtung der weltgeschichtlichen Zusammenhänge setzt sich W. in bewußten Gegensatz zu den Darstellungen, die im wesentlichen nur die Geschichte der heutigen Rheinprovinz berücksichtigen. Seine Vertrautheit mit den oberrheinischen Verhältnissen befähigten ihn zu der lebhaften geographischen Einfühlung in den gesamtrheinischen Schauplatz der Ereignisse und Zustände. Durch gute Kartenbeigaben sucht er das Verständnis für die wechselnde Verlagerung der wirtschaftlichen und politischen Einflußzentren zwischen Ost und West zu vertiefen. Ihm kommt es im wesentlichen auf das Andeuten der großen Entwicklungslinien an, und so wird man bei seiner Darstellung, die ebenfalls den gewaltigen Zeitraum von den Anfängen der deutschen Geschichte bis zum Jahre 1914 umfaßt, Einzelheiten oder tiefere Einführung in den Gehalt etwa von Schrifttum und Dichtkunst nicht erwarten dürfen. Das eigentliche Kernstück des Buches bildet der 6. Abschnitt mit dem Titel »Im Kampf um den Rhein« (1556--1807), dem im 7. Abschnitt »Befreiung und Aufstieg« (1807--1914) folgt. Der 2. Band enthält mit dem Untertitel »Im Kampf um Rhein und Ruhr« (1919--1924) eine Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen, die u. a. die geschichtliche Einheit des Rheintals und die Einheitlichkeit der französischen Außenpolitik behandeln.

Ein höchst umfangreiches, prächtig ausgestattetes Werk haben Wentzcke und Lux ( 256) herausgegeben, das im wesentlichen statistischen Wert hat. Eine große Anzahl Mitarbeiter haben sich hier vereint, um nach den verschiedensten Richtungen hin ein Bild von Geschichte und Landschaft, Kultur und Wirtschaft der Rheinprovinz zu entwerfen. Die rheinischen Städte und die rheinische Wirtschaft sind hier in Selbstdarstellungen vertreten. In einem »Rheinisches Schicksal« betitelten Aufsatz hat hier Wentzcke eine gedrängte Übersicht über die Geschichte der Rheinprovinz gegeben. Drei von J. Nießen gezeichnete Karten über die prähistorischen Funde, die Besiedlung


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bis in die preußische Zeit und über den Zustand der Rheinlande im Jahre 925 bieten eine willkommene Ergänzung der Darstellung.

Neben dieses als Prachtband ausgestattete Sammelwerk treten zwei weitere Sammelwerke, deren einzelne Aufsätze Beachtung verdienen. Das eine, unter dem Titel »Der Westdeutsche Volksboden« ( 257) von W. Volz herausgegeben, bietet eine Reihe von Vorträgen dar, die bereits 1924 gehalten und dann zu Aufsätzen erweitert wurden. Sie sollen die Öffentlichkeit aufklären über den tausendjährigen Kampf des Franzosentums gegen den westdeutschen Volksboden, der sich »auf alle Gebiete des Lebens, Denkens und Fühlens erstreckt«. Hier sucht zunächst A. Hettner verständlich zu machen, wie Frankreich durch seine überaus günstige geographische Lage und die zentralisierte Bodengestaltung früh zu Kultur und einem einheitlichen Nationalstaat gekommen ist. Gegenüber den haltlosen Behauptungen eines Vidal de la Blache und Brunhes zeigt F. Metz die Einheit der oberrheinischen Ebene sowie die Übereinstimmung der Kultur usw. auf beiden Rheinufern auf und schließt daran die Mahnung, den Glauben an das Deutschtum der Elsässer nicht zu verlieren. Ganz damit überein stimmen auch die Ausführungen G. Wolframs über den Rhein als natürliche Grenze. Hier wird auch die Behauptung bekämpft, daß die Elsässer als keltische Stammesgenossen und die Orte auf -weiler als gallorömische Gründungen anzusprechen seien. Wolfram weist überzeugend nach, daß die Weilernamen erst in nachrömischer Zeit entstanden sein können. Endlich zeigt er den grundlegenden Unterschied im Hausbau des Elsaß gegenüber dem in Lothringen auf und kommt zu dem Schluß, daß schon seit Cäsars Zeit das Elsaß keltenfrei und rein germanisch besiedelt war. Weitere Ausführungen über die Bevölkerung der Rheinlande im Altertum gibt F. Koepp, der feststellt, daß die Kelten weder im Rheinland noch auch in Frankreich selbst autochthon waren. Die Denkmäler der La-Tène-Kultur bezeugen die Anwesenheit der Kelten höchstens für die letzten vier Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Koenig gibt eine eingehende Übersicht über den verlorenen Reichsboden von der Zeit der deutschen Kaiserherrlichkeit bis zum 19. Jahrhundert und von verlorenem Volksboden. Auf den Aufsatz Platzhoffs über den tausendjährigen Kampf um die deutsche Westgrenze, von dem hier nur ein Auszug vorliegt, werden wir noch zu sprechen kommen. Wertvoll ist der Aufsatz von E. Wechßler, der zum Teil von literarischen Gesichtspunkten aus eine feinsinnige, gedankenreiche Skizze des Aufbaues der französischen Nation im Mittelalter, Neuzeit und Gegenwart auf den drei Stufen Bildungsgemeinschaft (Civilisation), Staatsgemeinschaft (Patrie) und Volkgemeinschaft (Nation) entwirft. Für manchen wird es erwünscht sein, durch den Aufsatz von Kaden einen Einblick in Organisation, Umfang und Ziele der französischen Kulturpropaganda gewinnen zu können.

Bemerkenswert ist auch der Aufsatz von M. Spahn, der auf dem Umweg weit ausholender historischer Betrachtungen das Wesen des Rheinländers und sein Verhältnis zum Preußentum zu erfassen und verständlich zu machen sucht. In einem gedankenreichen Aufsatz von W. Kapp, »Staatlichkeit und Volkstum auf westdeutschem Volksboden«, finden wir die Ansicht vertreten, daß das staatliche Formprinzip für Deutschland stets eine größere Bedeutung gehabt habe als für andere Völker, und daß dies sich gerade am augenfälligsten in den westlichen Grenzgebieten Deutschlands zeige, da hier die Vorbedingungen zur


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Ausbildung starken völkischen Selbstgefühls nicht so wie im Osten gegeben waren. Und da hier das Reich seine eigentliche Basis hatte, wuchs man in ein Reichsbewußtsein hinein, das mit deutschem Volksgefühl nicht so viel zu tun hatte. Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet er das Volkstum der Deutsch- Schweizer, Elsässer, Luxemburger und Flamen. Dem Elsaß von heute widmet W. Kapp dann noch einen besonderen Aufsatz; durch die scheinbare Lösung der elsaß-lothringischen Frage ist hier alles auf dem toten Punkt angelangt und in ein allgemeines Mißbehagen geraten. Die Elsässer sind jetzt völlig auf sich selbst angewiesen und müssen zeigen, was sie sich für eine Zukunft als eigenes Volk erobern können.

Ein weiteres Sammelwerk unter dem Titel »Frankreich und der Rhein« ( 258) verdanken wir den Dozenten der Universität Frankfurt. Diese Beiträge zur Geschichte und geistigen Kultur des Rheinlandes bieten ein gediegenes Rüstzeug zum Verständnis der rheinischen Geschichte und der Psyche unseres westlichen Nachbarn. Entstanden aus Vorträgen, die von den Verfassern im Wintersemester 1923/24 gehalten worden sind, behandeln sie vor allem die Frage nach der Zugehörigkeit des linken Rheinufers. G. Wolfram weist in dem Aufsatz »Entstehung der nationalen und politischen Grenzen im Westen« mit guten Gründen die französischen Ansprüche zurück. Ihm, dem ausgezeichneten Kenner der Geschichte von Elsaß-Lothringen, ist es ein leichtes, für das oberrheinische Gebiet besonders anschaulich zu machen (auch an der Hand einer guten Kartenbeilage), wie Volkstum, Siedlungsform und staatliche Entwicklung beide Rheinufer verbinden. In den Bestimmungen des Vertrages von Ribémont (880) sieht er die endgültige Abgrenzung zwischen Deutschland und Frankreich, wie sie im wesentlichen bis 1648 bestanden hat. F. Schneider, der von 880 ab die Geschichte der lothringischen Frage bis zum Interregnum führt, lehnt dementsprechend auch die Bedeutung des Jahres 925 als Jubiläumsjahr ab. Die unnationale Universalpolitik der Kaiser unterwirft er in seiner gedankenreichen Darstellung einer herben Kritik. Ebenso wie W. Platzhoff, der die französische Ausdehnungspolitik von 1250 bis zur Gegenwart behandelt, befindet er sich mit Kerns Buch (von 1910) in Übereinstimmung. Sehr überzeugend zeigt Platzhoff, daß der französische Revanchegedanke sich nicht nur an der Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen entzündete, sondern immer die Rheingrenze als Ziel im Auge behielt.

In dem Aufsatz »Deutschland und Frankreich im Spiegel der Jahrhunderte« sucht G. Küntzel die Psyche des französischen Volkes zu erfassen. »Es gibt neben England kein Volk, das so bis in die Tiefen von dem einheitlichen Gedanken, ein Weltherrenvolk zu sein, erfaßt und von dem politischen Machtgedanken so durchdrungen worden ist, wie das französische.« Und so weist er nach, daß die politische Richtung Frankreichs, einerlei, ob unter den Königen, dem Kaisertum und der Republik, immer dieselbe geblieben ist. Alles dient hier den politischen Gesamtzielen. Eine Fülle feinsinniger Bemerkungen über die französische Eigenart und Denkrichtung ist hier niedergelegt, so z. B. über die schon seit dem 14. Jahrhundert in Frankreich herrschende Vorstellung, daß Frankreich auch der eigentliche Träger der mittelalterlichen Kaiserrechte sei. Auf geschichtliche Theorien gründen sich die Rechtsansprüche der französischen Regierungen. Deutschland bildet hier nur das Objekt der französischen Politik.


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R. Kautzsch behandelt »die rheinische Kunst und Frankreich« und kommt zu dem Ergebnis, daß in der rheinischen Kunst überraschend wenig Französisches ist. »Die rheinische Kunst ist kein Sproß oder Zweig der französischen, vielmehr ein besonders reiches, besonders feines und besonders deutsches Glied unserer großen deutschen Kunst.« Eine Fülle schöner Abbildungen, die zu diesem Aufsatz gehören, ist über das ganze Buch hin zerstreut. -- Zum Schluß sucht F. Schultz den nationalen Charakter der rheinischen Literatur zu erweisen, freilich unter Betonung der wesentlich anderen Voraussetzungen, die gemäß dem Wesen rein geistiger und literarischer Gebilde in Betracht kommen. Ist doch z. B. die mittelalterliche Literatur Europas ein internationales Gebilde und an keinen Raum gebunden. Das Problem »Frankreich und der Rhein« wird eigentlich erst in der napoleonischen Zeit für die deutsche Literatur von tiefer Bedeutung, und erst seit 1815 spielen die Rheinlande auf diesem Gebiet eine besondere Rolle. Diesem rheinischen Schrifttum in seiner Verbundenheit mit dem vaterländischen Denken sucht der Aufsatz gerecht zu werden.

Außer diesen Sammelwerken hat die Jahrtausendfeier aber auch eine Anzahl Festreden veranlaßt, die dann, soweit sie dazu geeignet erschienen, gedruckt worden sind und an die Seite der kleineren Schriften treten, die sich entweder nur mit der Vorgeschichte des Jahres 925 befassen oder einen allgemeinen Überblick über das Verhältnis des Rheinlandes zum Reich im letzten Jahrtausend zu geben suchen. Aus der Fülle aller dieser zum Teil ephemeren Erscheinungen seien nur einzelne hier kurz charakterisiert.

In knappem Abriß versteht Paul Kaufmann (Rheinische Jahrtausendfeier. Berlin 1925) in faßlicher Form die Ereignisse zwischen 840 und 925 darzustellen im Anschluß an einen Überblick über die Besitzverhältnisse am Rhein seit der Römerzeit. Die dem Schriftchen außer einer Übersichtskarte über Deutschlands westliche Grenzen im Jahre 925 beigegebenen, fein ausgewählten Bilder (besonders Kaiserporträts) sollen nicht unerwähnt bleiben. -- W. Levison ( 260) beschränkt sich nicht darauf, nachzuweisen, daß die Rheinlande seit rund anderthalb Jahrtausenden und teilweise noch länger deutsch sind, und daß das Jahr 925 nur über ihre politische Stellung entschied, sondern schildert im Zusammenhang damit auch in gedrängter Übersicht die Bedeutung des Rheinlandes für das Reich, dessen Geschichte ohne die linksrheinischen Rheinlande nicht zu denken wäre. Auch hier starkes Betonen der engen Zusammengehörigkeit der beiden Rheinufer, wie sie sich besonders auch in der kirchlichen Gliederung zeigt, und überall der sichere Boden ernster Forschung. Auch die beigegebenen Anmerkungen bieten viel Beachtenswertes. Die von J. Nießen entworfene Karte von Lotharingien im Jahre 925 deckt sich im wesentlichen mit einer der von Wentzcke ( 256) publizierten. Hier ist auch die kleine, zur Verbreitung in Schulen usw. bestimmte Schrift von P. Wentzcke ( 265) zu erwähnen, dem wir ja in der Hauptsache den rechtzeitigen Hinweis auf die Bedeutung des Jahres 925 verdanken. Auch diesem populären Schriftchen sind mehrere Kartenskizzen beigegeben.

Von den akademischen Festreden, die aus diesem Anlaß gehalten worden sind, überragt wohl die von E. Marcks ( 259) die übrigen an innerer Geschlossenheit, an dem Vermögen, zu seelischer Erhebung emporzureißen. In kurzen, markigen Zügen ein Bekenntnis zum Rhein als zur Lebensader des


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Reichs, der Wiege unserer Kultur, dem Ausgangspunkt des kirchlichen Geisteslebens und des Wirtschaftslebens. »Alle westeuropäischen Wellen wurden hier abgefangen und hier verdeutscht« (ein Gedanke, den auch P. Clemen in seinem oben erwähnten Beitrag auf die rheinische Kunst anwendet). Erst von 1300 ab die Verdrängung des Rheintals aus der zentralen Stellung; das Rheinland wurde allmählich zum Randgebiet und durch die konfessionelle Spaltung weiter zersplittert. Das Leben stockte, bis dann die französische Invasion kam, die jedoch den deutschen Kern nicht treffen konnte. Und dann brachte Preußen neues Leben. Und nach der Zeichnung dieser inneren Entwicklung des Rheinlandes, »die deutsch, nichts als deutsch ist«, ein Blick auf die französische Rheinpolitik mit dem Ausklang »Herr, mach uns frei!« -- Inhaltlich nicht minder bedeutungsvoll ist die Rede von E. E. Stengel ( 268), die zunächst hauptsächlich die französische Ausdehnungspolitik ins Auge faßt, aus deren hohem Alter sich die magische Anziehungskraft dieses Brennpunkts der gesamten Weltpolitik begreifen läßt. Denn die französische Rheinpolitik ist so alt wie das französische Volk. Seit der Zeit Philipps des Schönen kann man in der französischen Offensive die drei Abschnitte unterscheiden, die in der Folge wie eine Schlachtordnung immer wiederkehren sollten: das Zentrum und die Flanken des Quell- und Mündungsgebiets. Im weiteren wird dann die bis zur Neuzeit konsequent durchgeführte französische Politik geschildert und die zweifellos überzeugende These aufgestellt, daß die französische Rhein-Idee nur durch die alte deutsche Rhein-Idee überwunden werden könne, welcher der Rhein ein Inbegriff des Reiches selber ist. Der zweite Teil dieser Rede wird durchzogen von dem Gedanken der Verklammerung mit dem inneren Deutschland, die dann durch Preußen neu gekräftigt wurde. -- Mehr kühl und akademisch sind die immerhin sehr bemerkenswerten Ausführungen der Rede von W. Erben ( 264) über die 879 gezogene Westgrenze, die sich ungefähr mit den im Weltkrieg festgehaltenen deutschen Stellungen deckte, aber natürlich keine Sprachgrenze war. E. verweilt bei den Ereignissen der Jahre 921 (Bonner Zusammenkunft), 923 und 925, bei der durch den Herzog von Lothringen vorbereiteten und geleiteten Krönung Ottos 936, bei dem Abfall und Tod Giselberts und dem Schicksal und Charakter dessen Witwe Gerberga, welche die Gattin des französischen Königs wurde.

Während diese genannten Reden und die von Hashagen ( 263), Oncken ( 261) und Tuckermann ( 262) sich in der Hauptsache mit der Zeit von 843 ab beschäftigen, greift E. Troß ( 270) weiter in der europäischen Geschichte zurück, schildert den Einbruch der Kelten im Rheinland und Gallien, den Einfluß Roms und den zweiten Einbruch der Germanen, die Durchdringung des fränkischen und romanischen Wesens, und erst zum Schluß das deutsche Rheinland und seine politische Bedeutung. -- Besondere Erwähnung verdient der feinsinnige Versuch J. Hansens ( 269), den Begriff des Rheinlandes, die Gliederung der Landschaft und Bevölkerung, das Aufkommen des Wortes »Rheinländer«, den historischen Beruf der Rheinprovinz und den Charakter ihrer Bewohner in kurzen, meisterhaft abgewogenen Strichen zu zeichnen.

Neben dieser das gesamte Rheinland oder die Rheinprovinz im allgemeinen betreffenden Erscheinungen hat die Jahrtausendfeier Veranlassung gegeben, für einzelne Gebiete, Kreise, Kommunen oder andere Verbände Festschriften zu veröffentlichen, zum Teil in reicher äußerer Ausstattung, die für die lokale


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Literatur eine Bereicherung darstellen, in einzelnen Fällen aber auch für die Allgemeinheit ein gewisses Interesse haben. So wurde vom Kreise Düren den Besuchern der Jahrtausend-Ausstellung auf Burg Nideggen ein anonymer (Verfasser ist Waldemar Schleicher) »Abriß der Geschichte des Jülicher Landes von 925--1925« gewidmet, der eine geschickte Zusammenstellung aus der Geschichte des Rheinlandes von Hansen, Levison usw. bietet. Ein Heimatbuch des Kreises Grevenbroich wurde von Prof. Zumbusch herausgegeben, das allerlei Beachtenswertes über die Entwicklung der Kultur und der Industrie enthält. Auf einzelne Aufsätze des Trierer Heimatbuchs ( 275) werden wir noch zu sprechen kommen, ebenso auf die unter 1664--1666 genannten Werke, die gleichfalls der Jahrtausendfeier ihren Ursprung verdanken.

Die Ausführungen in den Beiträgen zur Heimatgeschichte des Kreises Geilenkirchen ( 278) verdienen insofern Beachtung, als dieser ursprünglich ganz auf Landwirtschaft eingestellte Grenzkreis durch das Eindringen der Industrie starke Wandlungen erfahren hat. Neben einem guten Überblick über die Geschichte der Herren von Geilenkirchen finden wir eine zuverlässige Darstellung der jülichschen Mannkammer. Auch eine Untersuchung der Ortsnamen im Zusammenhang mit der Siedlungsgeschichte sowie ein Abriß der Wirtschaftsgeschichte bieten Beachtenswertes. -- In den populär gehaltenen, aber sicher fundierten Aufsätzen des »Mayengau« ( 279) haben die Benediktiner von Maria Laach die Vergangenheit dieses westlich von Koblenz gelegenen, von Mosel und Rhein eingefaßten Landstrichs aufzuhellen gesucht. Förster behandelt Entstehung, Rechtsverhältnisse und Lage des Gaues, der urkundlich sicher schon 755 bezeugt ist. Die Ausführungen von Hilpisch über Kirchen und Klöster (besonders Maria Laach) ergänzen die von Schippers über die kirchliche Baukunst. Letzterer widmet auch den Legenden und Sagen einen fesselnden Abschnitt und zeigt zusammen mit Hopmann, wie die Bodenschätze des Gaues zu Bauten und Plastiken verwandt wurden. Auch einige charakteristische Porträtsiegel teilt er aus diesem Gebiet mit. -- Die Aufsätze von O. R. Redlich und F. Lau ( 283) beruhen durchweg auf archivalischen Studien. Redlich behandelt u. a. die alten Rheinorte Monheim, Bürgel, Zons und Urdenbach und kommt hinsichtlich der Zeit des Rheindurchbruchs bei Zons zu neuen Ergebnissen. Seine hier veröffentlichten Aufsätze zur Geschichte der Industrie werden unten noch Erwähnung finden, ebenso sein Aufsatz über Karl Theodor. Aus den Beiträgen von Lau zur Geschichte der Stadt Düsseldorf ist besonders beachtenswert die Kritik an einer Ansicht in Merians Westfälischer Topographie, die zu ähnlichen Prüfungen Veranlassung geben sollte. Auch die Ausführungen über die zweite Gemahlin des pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm beseitigen bisher herrschende unrichtige Auffassungen, und der Aufsatz über Joh. Wilhelms Bankier Joseph Jacobs (den Urgroßvater Heinrich Heines) bietet einen interessanten Beitrag zur Charakteristik der Hofjuden. Eine sehr wertvolle Untersuchung bietet Lau über die Architektenfamilie Pasqualini, deren amtliche Bautätigkeit hauptsächlich der Festung Jülich zugute kam. Sie wird von den Kunsthistorikern eingehend zu würdigen sein. -- In den Beiträgen zur Geschichte der Stadt Bad Ems ( 287) sind besonders die Ausführungen von P. Wagner zur Rechts- und Verfassungsgeschichte der Stadt ergebnisreich. Sie erstrecken sich auf Siegel und Wappen der Stadt. --


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Schließlich ist hier noch das Büchlein von F. Körholz ( 307) zu nennen, der in knapper Form das Wichtigste aus der Werdener Geschichte in abgerundeten Bildern bietet. Als Hilfsbuch für den heimatkundlichen Unterricht kann es vorzügliche Dienste leisten. Aber auch dem Anspruchsvolleren ist eine solche Orientierung erwünscht, da es an einer neueren Darstellung der Werdener Geschichte fehlt und da hier doch schon die Ergebnisse der Studien Kötzschkes verwertet sind. Trotz der gedrängten Form ist z. B. auch über Verfassung und Verwaltung der Stadt alles Wesentliche gesagt. Auch eine Karte des Stifts ist dem Heftchen beigegeben.


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