III. Geschichte in chronologischer Reihenfolge.

Für die älteste Zeit bieten H. Aubins ( 749, 753) Forschungen dankenswerte Ergebnisse. Man wird ihm beistimmen müssen, daß von einem eigentlichen Rheinhandel erst in römischer Zeit die Rede sein kann, wenn auch die germanischen Uferbewohner schon vorher Fahrzeuge verwendeten. Denn erst durch die militärischen Bedürfnisse Roms wurden gewisse Strombauten vorgenommen, vor allem aber durch die am Rhein angesiedelten römischen Truppen und Beamten das Handelsbedürfnis geschaffen. Aubins Darstellung der eigenartigen römisch-keltisch-germanischen Mischkultur macht es verständlich, daß die Rheinlande in der Zeit der Völkerwanderung sich verhältnismäßig rasch völlig germanisierten.

An Quellenuntersuchungen für die Zeit des Mittelalters kommen für unser Gebiet nur die von P. Wagner ( 873) in Betracht. Er gibt hier einen eingehenden Überblick über das für die Geschichte Nassaus durch die von dem Salmschen Beamten Schott gefälschten Bleidenstadter Traditionen angerichtete Unheil. Nur allzu viele Forscher haben sich auf diese Quelle gestützt, bevor es Wibel und später Zedler gelang, sie als eine schamlose Fälschung nachzuweisen. Die nassauische Geschichte und vor allem auch die des Nassauer Grafenhauses bedarf einer völligen Neubearbeitung. Auch die Geschichte der Sammlung Bodmann-Habel erfährt durch diesen Aufsatz eine treffende Beleuchtung. Nachdem P. Wagner ( 913) solchergestalt den Boden für neue Forschungen bereitete, sucht er nun in subtiler Untersuchung die Anfänge des Hauses Nassau nach Möglichkeit aufzuhellen. Auf Grund von vier Urkunden des 12. Jahrhunderts, die den Streit des Wormser Domkapitels mit dem Grafen von Laurenburg behandeln, untersucht er die Zeit der Erbauung der Burg Nassau. Ein weiteres Kapitel widmet er den Grafen von Laurenburg. Schenks Hypothese ihres Abkommens von den Grafen von Zütphen wird als unhaltbar erwiesen. Dagegen erklärt sich W. für die Echtheit der Urkunde über die Propstei Lipporn, weist aber nach, daß die Lipporner Burg nicht der Anfangspunkt der Herrlichkeit des Hauses Nassau gewesen sein kann. Zum Schluß wird in starker Polemik gegen Conrady die Gründung des Klosters Schoenau behandelt. -- Dem Nassauer Gebiet gehört auch die Arbeit Ziemers ( 914) an. Hier wird mit guten Gründen nachgewiesen, daß die Tradition, nach welcher im Jahre 1389 in Idstein zwölf Waldensische Prediger und andere Leute wegen Ketzerei verbrannt worden seien, auf einem Irrtum beruht. Es liegt hier eine Verwechselung mit der Diözese Eichstädt vor, in der im Jahre 1457 ein derartiges Ketzergericht stattfand. In den Bydragen en Mededeelingen der Vereeniging »Gelre« (d. XXVII S. 129 ff.) behandelt B. Vollmer die Belagerung Arnheims und seine Verpfändung an Kleve (1467--1483) auf Grund eines ergiebigen Aktenmaterials im Düsseldorfer Staatsarchiv.

Das erstmalige Aufflammen eines nationalen Gedankens im deutschen Volk am Ausgang des Mittelalters sieht G. Kallen ( 894, 895) in den Vorgängen bei der Belagerung von Neuß im Jahre 1475. Seine anschauliche Darstellung des Heldenkampfes der Neußer, die zugleich ein wertvolles Bildermaterial enthält, wird durch die Berücksichtigung der höheren politischen Faktoren noch gehoben. Gewisse Dinge, so die diplomatischen Verhandlungen Friedrichs III. mit Burgund oder die Einwirkung Englands auf Karl bleiben freilich doch im Dunkel. Bemerkenswert ist der Hinweis auf den Unterschied der militärischen bzw. artilleristischen Angriffskraft zwischen 1475 und 1586.


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In die Zeit der sozialen Unruhen und Gärungen am Beginn des 16. Jahrhunderts führt uns die Arbeit von A. Henche ( 948). Er bewertet die im Jahre 1525 von der Bürgerschaft zu Limburg aufgestellten Artikel als eine orts- und landesgeschichtlich ganz besonders interessante Erscheinung im Hinblick auf eine lange Reihe bürgerlicher Errungenschaften in Limburg und im Vergleich zu den gleichzeitigen Artikeln von Oberwesel, Boppard und Trier. Dem Widerstreit gegen den Stadtherrn tritt hier der Gegensatz zwischen Patriziern und niederen Bürgern zur Seite. Beeinflussung durch die Frankfurter Wirren ist anzunehmen, ein ursächlicher Zusammenhang mit der lutherischen Reformbewegung aber nicht nachzuweisen. Als sozial-politische Zeugnisse verdienen die Artikel Beachtung, zugleich liefern sie einen Beweis für die Überzeugung, daß die bürgerlich-bäuerlichen Unruhen meist nur Parallel-, aber nicht Folgeerscheinungen der sog. »evangelischen Freiheit« darstellen.

Die lange Zeit hindurch etwas stiefmütterlich behandelten geistlichen Fürsten der neueren Zeit erfreuen sich jetzt größerer Beachtung. So hat G. Müller ( 965) dem ernsten und bedeutenden Trierer Kurfürsten Jakob III. von Eltz, der die Reichsunmittelbarkeit der Stadt Trier mit Erfolg bekämpfte und zielbewußt der Gegenreformation in seinem Erzstift zum Siege verhalf, eine ansprechende und solide Untersuchung gewidmet. -- M. Braubach ( 1001, 1002) hat sich an den kölnischen Kurfürsten des 18. Jahrhunderts seine wissenschaftlichen Sporen verdient. Seine auf bisher noch unbekannten Quellen im Düsseldorfer und Münchener Archiv beruhende Darstellung zeigt vor allem, daß der Kurfürst Joseph Clemens infolge seiner Unfähigkeit und Schwäche allzusehr dem Einfluß seines Bruders, des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, verfiel und dadurch auf Wege geriet, die zum Abfall vom Reich führten. Seit 1702 geriet er völlig in die Abhängigkeit von Ludwig XIV., als die Annäherung des Kaisers an den unerfüllbaren Forderungen Max Emanuels gescheitert war. So kam es zur Flucht des Erzbischofs aus seinem Territorium und zu seiner Verbannung, mit der B.s Darstellung abschließt. Sie wird durch eine Reihe von Beigaben (Verträge und Briefe des Kurfürsten) vervollständigt. -- Der Aufsatz von E. Renard ( 1043) ist als Vorfrucht seines jetzt erschienenen Werkes über Kurfürst Clemens August zu betrachten, auf das später zurückzukommen sein wird.

Das Buch von M. Braubach über den letzten Kurfürsten von Köln, Max Franz von Österreich ( 1043a), das er bescheiden als »Versuch einer Biographie auf Grund ungedruckter Quellen« bezeichnet, verdient ernste Beachtung. Wie schon von Srbik hervorgehoben hat, erhebt sich diese Monographie über das Beschreiben eines menschlichen Einzeldaseins zum wertvollen Beitrag zur deutschen Geschichte. Man darf behaupten, daß es B. gelungen ist, das Bild des Regenten wie des Menschen in den wesentlichsten Zügen klarzustellen, den umfangreichen Quellenstoff zu meistern und der Tragik dieses Fürstenschicksals gerecht zu werden. Der so ganz auf die ruhige Arbeit des Friedens eingestellte und hier (Justizreform, Schulreform) erfolgreiche Sohn der Maria Theresia, der von den Idealen der Aufklärung erfüllt war und auf dem Boden der friderizianischen Staatsauffassung stand, wurde nur zu bald in ein kriegerisches Gewirre verwickelt, das die Früchte seiner Tätigkeit zerstörte. Eine Darlegung der gesamten äußeren Politik hat sich B. hier versagen müssen und sich darauf beschränkt, dasjenige zu berücksichtigen, wobei der Kurfürst aktiv beteiligt


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war. Für die letzten Lebensjahre des Kurfürsten bot seine in Münster vorliegende eigenhändige Korrespondenz aus den Jahren 1794--1801 eine vorzügliche Quelle.

In einer kleinen Studie stellt O. R. Redlich ( 1042) die Verdienste des Kurfürsten Karl Theodor um Düsseldorf zusammen, die auf kulturellem Gebiet liegen. -- Die Franzosenzeit am Rhein (1794--1814) hat gerade im Hinblick auf die heutigen Verhältnisse zum Vergleich herausgefordert. Die von O. Koellreuter ( 1070) veröffentlichten Briefe der Fritze Jacobi, der Schwägerin des Philosophen F. H. Jacobi (sie wird als talentvollste und geistreichste der Töchter v. Clermonts in Vaals bezeichnet), an ihren Vetter Hausmann 1797--99 aus Düsseldorf gesandt, zeigen, daß die Franzosen sich damals in Düsseldorf keineswegs Sympathien zu erwerben verstanden. Als Stimmungsbilder sind die frisch und geistreich hingeworfenen Briefe recht lesenswert. -- Auf Studien in den Verwaltungsakten des Kölner Stadtarchivs gründet sich eine Fülle kleiner Aufsätze zur Geschichte der Fremdherrschaft in Köln, die J. Bayer ( 1071) jetzt gesammelt herausgegeben hat. Bemerkenswert sind die hier (S. 148) mitgeteilten Pläne Napoleons über die Rheinbefestigung in Koblenz und Köln.


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