IV. Rechts- und Verfassungsgeschichte.

Seit den Forschungen von Stutz über die Königswahl haben sich die Arbeiten beträchtlich gemehrt, die sich mit Wahl und Krönung der Könige und Kaiser beschäftigen. Hier hat die rheinische Jahrtausendfeier befruchtend und anregend gewirkt. Die mit großer Überzeugungskraft vorgetragenen Darlegungen von G. Kentenich ( 1610) gipfeln in der Feststellung, die Rheinlande seien »jahrhundertelang nicht bloß ein Brennpunkt der Kultur, der seine befruchtenden Strahlen hinaussendet in alle Gebiete deutschen Volkstums, sondern auch der verfassungsmäßige Mittelpunkt der politischen Leitung der Nation«. Die Führerstellung des rheinischen Episkopats bei der Königswahl sei aus ihrer Zugehörigkeit zur fränkischen Erde entsprungen, wodurch dann auch 1198 der Pfalzgraf bei Rhein als bevorzugter Wähler habe auftreten können. Erst nach schweren Kämpfen sei dann im 13. Jahrhundert die Zulassung des Sachsenherzogs und des Markgrafen von Brandenburg zur Königskur erfolgt. -- Auch die älteste Verfassung Kölns gehört zu denjenigen Gegenständen, die immer aufs neue die Gemüter erregen. L. v. Winterfeld ( 1613) untersucht jetzt im Hinblick auf das Werk von R. Koebner die Frage, ob sich in Köln städtische Traditionen aus der Römerzeit erhalten haben, oder ob die Stadt eine mittelalterliche Neugründung sei. Dabei kommt sie unter Hervorhebung der Bedeutung der Pfalz zur Bestätigung der These Koebners, daß die räumliche Entwicklung Kölns nicht anders verlaufen sei, als die der Marktgründungsstädte im Innern Deutschlands. Im Gegensatz zu Koebner hält sie die Bürgerschaft nicht für die Repräsentantin einer natürlichen Volksgemeinschaft mit Rücksicht auf die verschiedenen in Köln lebenden Stände und lehnt auch dessen Anschauungen über die Verfassungsentwicklung ab.

Von der wertvollen Publikation Th. Ilgens ( 1614) ist jetzt der zweite Teil der Quellen erschienen. Ilgen hat die Vollendung des Druckes nicht mehr erlebt, und so sind die umfangreichen Register von Redlich bearbeitet worden. Dieser Band enthält im ersten Teil die fürstlichen Ordnungen, Erlasse an die Amtleute, Briefwechsel mit diesen, Deichordnungen, Partikularrechte einzelner


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Landesteile, die kleve-märkische Gerichtsordnung des 16. Jahrhunderts, sowie Ämterlisten, Amtsrechnungen, Brüchtenrechnungen und -protokolle. Schon diese Übersicht sagt dem Kundigen, welch reiches Material zur Territorialgeschichte hier niedergelegt ist. Daß der 2. Teil Weistümer, Landkunden und Kundschaften bringt, wird insofern vielleicht Verwunderung erregen, als die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde besondere Publikationen über die Weistümer veröffentlicht. Andererseits mußte es wichtig erscheinen, diese große Quellenpublikation nach dieser Richtung hin abzurunden. Und eine Sonderpublikation der Weistümer würde den Herausgeber gezwungen haben, in der Einleitung vieles zu wiederholen, was er bereits im ersten Band ausgeführt hatte. So darf man sich des reichen Ertrages dieser mühevollen Publikation freuen, die in Rücksicht auf die Not der Zeit ohnehin schon stark beschnitten werden mußte. Die in dankenswerter Weise beigegebene Karte über die territoriale Entwicklung des Herzogtums Kleve hat J. Nießen ausgearbeitet.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine Dissertation erwähnen, die mir für die älteren Rechtsverhältnisse bedeutungsvoll zu sein scheint. Wenn auch der Verfasser (Sandkaulen, J., Fährgerechtsame unter besonderer Berücksichtigung niederrheinischer Verhältnisse. Kölner jurist. Diss. 1925, 54 S.) vor allem der rechtlichen Seite des Fährwesens seine Aufmerksamkeit widmen mußte, hat er doch, um dem Ursprung der Fährgerechtsame auf die Spur zu kommen, so viel urkundliches Material heranziehen müssen, daß der Ertrag seiner Forschungen auch für die Geschichte, zumal für die Siedlungsgeschichte, Beachtung verdient. Die Gerechtsame hängt aufs innigste zusammen mit den Grundstücken, die am Fluß lagen, und ist jedenfalls ursprünglich nicht Regal. Zahlreiche Beispiele aus dem niederrheinischen Gebiet werden hier herangezogen auf Grund umfangreichen Materials und an der Hand einer Übersichtskarte erläutert.

Für die Verwaltung einzelner rheinischer Regierungsbezirke liegen übersichtliche Arbeiten vor. Besondere Beachtung verdient diejenige von H. Schubert ( 1664), der sich nicht auf die lokalen Quellen beschränkt, sondern in reichem Maße das Berliner Material verwertet hat. Er gibt nicht nur eine Darstellung der verwaltungsgeschichtlichen Entwicklung der Regierung, sondern vor allem ein Bild von der Tätigkeit der Behörde und ihrem Wirken im Lande. Er räumt hier auch mit der Anschauung auf, als ob die Rheinländer bei Beginn der preußischen Verwaltung nur von altpreußischen Beamten regiert worden wären. Vielmehr war die Staatsregierung durchaus darauf bedacht, die Wünsche der Bevölkerung und ihrer Eigenart bei der Wahl der Beamten zu berücksichtigen. In welchem Umfang sich die Verhältnisse unter preußischer Verwaltung bessern konnten, zeigen z. B. die Ausführungen über das Volksschulwesen und über die Forsten. Gerade das Studium solcher Abschnitte, in denen die Zahlen eine beredte Sprache führen, zeigt am besten, was die Rheinlande unter preußischer Verwaltung gewonnen haben. -- Nicht ganz auf dieser Höhe steht die Geschichte des Düsseldorfer Regierungsbezirks ( 1665), der aber wieder andere Vorzüge nachzurühmen sind. Das Buch ist im wesentlichen ein Neudruck der Abhandlung, die Bammel 1911 verfaßt hatte. Da die Regierung die Nachfolgerin der brandenburgisch-preußischen Verwaltungsbehörden für das Herzogtum Kleve sowie für Geldern und Moers geworden ist, stellte Bammel eine Schilderung dieser älteren Verwaltung (1609


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bis 1806) voran, behandelte auch die Zeit der Fremdherrschaft und des Generalgouvernements, um dann die Ergebnisse der Verwaltungsperiode bis 1866 zusammenzufassen. Dieser Teil ist nun in der Neuausgabe ergänzt worden bis zur Gegenwart. Nicht nur die Ausdehnung des Bezirks, sondern seine wirtschaftliche Bedeutung verleihen dieser Darstellung, die auch die Vorgänge beim Einmarsch ins Ruhrgebiet und die Zeit des Separatismus mit umfaßt, ihren Wert. -- Das von Horion ( 1666) zur Jahrtausendfeier herausgegebene Prachtwerk ist wesentlich statistischer Art, enthält aber als Einleitung einen von Horion verfaßten trefflichen Überblick über Geschichte und Organisation der provinziellen Selbstverwaltung.

Die umfangreiche Publikation von F. Küch ( 1678a) ist das Ergebnis einer überaus entsagungsvollen Arbeit, denn der Umfang der weitschweifigen ständischen Verhandlungen des 17. Jahrhunderts steht im umgekehrten Verhältnis zu ihrem Wert. Die Edition verdient die größte Anerkennung. Sie wird durch einen guten Überblick über die Entwicklung der politischen Verhältnisse von 1611--24 eingeleitet. Einzig das Fehlen von Registern ist bei dieser mühevollen Publikation zu beklagen.


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