V. Wirtschaftsgeschichte.

An die Spitze ist hier ein Buch zu setzen, das zwar nicht an Umfang, wohl aber an inhaltlicher Bedeutung alles Weitere überragt. B. Kuske ( 1730) gilt mit Recht als der führende Mann auf dem Gebiet der rheinischen Wirtschaftsgeschichte. Seine Absicht, die Grundgedanken der gegenwärtigen rheinischen Volkswirtschaft möglichst knapp und klar festzustellen und damit einen Schlüssel zum tieferen Verständnis der wirtschaftlichen Erscheinungen dieses für Deutschland und Europa so wichtigen Gebiets darzubieten, hat er in der vorliegenden Schrift in vollem Maße erreicht. Bei der Würdigung der allgemeinen Grundlagen und Zusammenhänge werden auch die konfessionellen Gegensätze eingehend berücksichtigt. Eine derartige Übersicht, wie sie schon in diesem ersten Abschnitt gegeben wird, vermochte nur ein Mann zu schreiben, der das rheinische Wirtschaftsleben aufs genaueste durchforscht und durchdacht hat. Auch was K. im weiteren über Landwirtschaft, Industrie, Handel und Verkehr hier zu sagen hat, bietet eine wirkliche Wirtschaftserklärung und stellt Gesichtspunkte auf, die für die wissenschaftliche Behandlung von Einzelerscheinungen die stärkste Anregung auslösen. In dem Schlußabschnitt über die geographische Lage wird die enge Wirtschaftsgemeinschaft des Rheinlandes mit den Nachbargebieten charakterisiert und gezeigt, wie der Druck des Auslandes die wirtschaftspolitische Verbindung des Rheinlandes mit ganz Deutschland gefördert habe. Durch die preußische Verwaltung ist die Verschmelzung besiegelt und vollkommen gemacht, dadurch aber dem Rheinland ein bedeutender Einfluß auf den Gesamtstaat verliehen worden.

Von Einzeluntersuchungen nennen wir zunächst die von J. B. Keune ( 1731), der die historischen Zeugnisse über den Moselverkehr zusammenstellt und u. a. Nachrichten über die Trierer Schifferzunft bietet. -- In Übereinstimmung mit den Anschauungen von Cramer, Dopsch u. a. über die Fortdauer wirtschaftlicher Zustände der Römerzeit in Trier nach dem Eindringen der Franken nimmt A. Arlt ( 1732) an, daß sich dort aus der Römerzeit der Kern eines selbständigen Wollgewerbes erhalten habe. Die Wollweberzunft ist bereits für das 12. Jahrhundert bezeugt; ihre bedeutende Stellung in sozialer Hinsicht wirkte


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sich auch im politischen Leben der Stadt aus. Die Stellung der Weber zur reformatorischen Bewegung entsprang wohl zum Teil wirtschaftspolitischen Gründen infolge der Konkurrenz der Klöster. Trotz der Abwanderung vieler Weber nach dem Mißlingen des Umsturzversuchs von 1559 hat die Zunft bald ihre führende Stellung wiedergewonnen. Aber allmählich mußte das Wollgewerbe zugrunde gehen, da die Entwicklung des Handwerks zur maschinenmäßigen Industrie nicht glückte. -- Auch das Buch von E. Barkhausen ( 1734) ist beachtenswert, da es für das 17. und 18. Jahrhundert die Grundlinien einer Wirtschaftsorganisation in Form eines zielbewußten Unternehmertums zeigt, dem auf der anderen Seite eine kampffreudige Arbeiterschaft gegenübersteht. -- Eine sehr tüchtige, auf gründlichem Quellenstudium aufgebaute Arbeit bietet K. Christoffel ( 1733), an der nicht nur die Wirtschaftshistoriker, sondern alle Freunde eines guten Tropfens ihre Freude haben werden.

Dem hansischen Köln widmet E. v. Ranke ( 1799) eine ansprechende Studie, die gründliche Vertrautheit mit den Quellen zur Kölner Wirtschaft verrät. -- L. v. Winterfeld ( 1824) möchte vor allem die Frage beantworten, wie im mittelalterlichen Köln die Vermögensbildung vor sich gegangen ist, und wo die Anfangsgründe des patrizischen Reichtums lagen. Sie nimmt vier Kreise an, die zur Bildung des Patriziats beitrugen (Ministeriale, altgesessene freie Bürger, zugezogene Kaufleute, Handwerker), und untersucht nun die Besitzverhältnisse einzelner Familien und Persönlichkeiten, mit dem Ergebnis, daß die Kölner Patrizier ihre auf Reichtum beruhende Herrenstellung nicht angestammtem Grundbesitz, sondern Handelsgewinnen verdankten. Von einer Leitung industrieller Betriebe durch Kölner Patrizier könne ebensowenig die Rede sein wie von einer Grundrentenanhäufung. -- Die Grundlage der Arbeit von J. Klersch ( 1892) bildet die Aufstellung einer genauen Wirtschaftstopographie der Stadt Köln für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, d. h. einer Übersicht über Fabriken usw., geordnet nach Straßen bzw. Häusern. Diese Verteilung der einzelnen Wirtschaftszweige auf das Stadtgebiet wird im 2. Teil erörtert, während der 1. Teil einen Überblick über die wirtschaftlich bedeutenden Veränderungen im Stadtbild bringt. Beiden Abschnitten geht ein guter Überblick über die wirtschaftstopographischen Verhältnisse der Stadt von der Römerzeit bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit voraus.

Für die Geschichte der Industrie im bergischen Lande kommen außer den Aufsätzen von A. Weyersberg ( 1829) und Fr. Sommer ( 1830) noch die von O. R. Redlich ( 1895) in Betracht. Sie bringen eine Würdigung der im 14. und 15. Jahrhundert in Ratingen blühenden Scherenindustrie, eine Darstellung der Abwanderung der bergischen Industrie auf das linke Rheinufer während der Zeit der Fremdherrschaft und eine Abhandlung über den Schutz der Solinger Fabrikzeichen und beruhen sämtlich auf ungedruckten Quellen des Düsseldorfer Staatsarchivs.


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