V. Kirchengeschichte.

Eine wissenschaftliche Darstellung der elsässischen Kirchengeschichte fehlt leider noch immer. Das Büchlein von Truttmann ( 2011) kann nach Zweck und Umfang diese Lücke nicht ausfüllen. Es will nur ein kurzes Handbuch sein und mag als Kompendium allenfalls einige Dienste leisten, obwohl sich selbst dagegen gewichtige Einwände erheben lassen. Auch wenn die Absicht des Buches noch so starke Kürzung erfordert, läßt sich doch die elsässische Kirchengeschichte von der allgemeinen Kirchengeschichte nicht luftdicht abschließen. Man vermißt bei Truttmann stets die Einordnung in die großen historischen Zusammenhänge, die sich ohne Schwierigkeit vollziehen ließe, wenn dafür andere (überflüssige) Erörterungen gestrichen würden. Was er etwa über die iro-schottische Mission oder die Mystik schreibt (und ähnliches läßt sich auch von anderen Abschnitten sagen), ist allzu schulbuchmäßig, ja geradezu dürftig und könnte auch im Rahmen eines kurzen Handbuchs in gediegener Weise dargeboten werden. Am meisten aber schadet dem


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Wert des Buches ohne Zweifel, daß der konfessionelle Standpunkt des Verfassers zu deutlich zur Schau getragen wird. Es geht doch entschieden zu weit, eine untergeordnete Natur wie Manegold von Lautenbach pomphaft als »großen Mann« zu feiern und diesem blindwütigsten aller Eiferer eine »versöhnende« Wirkung zuzuschreiben. Am meisten krankt an dieser Einseitigkeit der Auffassung natürlich die Darstellung des 16. Jahrhunderts. Von der beinahe weltpolitischen Rolle, die Straßburg damals spielte, erhält man keinen Begriff; eine Persönlichkeit wie Bucer wird mit wenigen Worten abgetan; ein Jakob Sturm, den Ranke den bedeutendsten Vorkämpfer des Protestantismus genannt hat, muß sich gar mit einer nur beiläufigen Nennung seines Namens begnügen. Daß diese Erörterungen »vom rein historischen Standpunkt aus« gegeben seien, vermag ich beim besten Willen nicht anzuerkennen; die naive Großmut, mit welcher der Verfasser wenigstens von einer »Beleidigung von Personen« der anderen Konfessionen abzusehen bereit ist, kann für einen so auffallenden Mangel an historischem Sinn schwerlich entschädigen. -- Von den Regesten der Bischöfe von Straßburg ( 184) ist im Berichtsjahre die 2. Lieferung erschienen, die den Pontifikat Bischof Heinrichs III. v. Stahleck (1244--1260) umfaßt. Referent muß sich als Mitherausgeber der Regesten auf diese einfache Feststellung beschränken. -- Die Biographie Korums von Treitz ( 2223), die sich in ihrem Hauptteil naturgemäß mit Korums Wirksamkeit in der Trierer Diözese befaßt, bietet für die kirchliche Geschichte Elsaß-Lothringens nur wenig Neues, etwa für die Verhandlungen über die Nachfolge des Bischofs Du Pont des Loges von Metz im Jahre 1880 und über die Straßburger Koadjutorfrage im folgenden Jahr. Der Verfasser hat hierfür wie für Korums Tätigkeit als Bischof dessen Nachlaß und eine Reihe anderer handschriftlicher und gedruckter Quellen benutzt, aber die Quellenauswahl ist so einseitig und unzureichend, daß schon aus diesem Grunde das Buch nicht den Wert einer wissenschaftlichen Biographie beanpruchen kann; übrigens gibt sich der Verfasser selbst keiner Täuschung darüber hin, daß er kein eigentliches Geschichtswerk geschaffen hat, sondern höchstens eine brauchbare Vorarbeit. Liebe und Verehrung haben bei der Zeichnung dieses Lebensbildes die Feder geführt, worüber die wissenschaftliche Erkenntnis zu kurz gekommen ist; immerhin wird der künftige Biograph Korums die Treitzsche Arbeit als schätzenswerte Materialsammlung dankbar begrüßen können.


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