IV. Quellen und Darstellungen in der Reihenfolge der Ereignisse.

Hier überwiegt deutlich die Geschichte der neueren Jahrhunderte, die ja durch die Fülle der noch unerschlossenen Quellen und in Anbetracht der großen politischen Rolle, die in ihnen der Habsburgerstaat gespielt hat, notwendig die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich zieht. Der frühesten Zeit gehört die Untersuchung von R. Holtzmann (Zeitschr. f. slav. Philologie 2, 372 ff.) an, die die älteste, seit 1921 aus den von E. Klebel aufgefundenen Salzburger Annalen bekannte Namensform für Preßburg Brezalauspurc behandelt. H. hält sie für eine Ableitung aus dem tschechischen (oder slowakischen) Personennamen jenes Břetislav, der Preßburg als Donaufestung des großmährischen Reiches gegründet haben mag.

Die weiteren hier angezeigten Arbeiten setzen erst wieder mit dem 16. Jahrhundert ein. Ein Sterzinger Haus- und Grundbesitzkataster von 1540


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hat C. Fischnaler ( 900) in Anlehnung an jüngere Quellen zur Rekonstruktion des Stadtplanes veranlaßt, dessen allzuklein geratene Wiedergabe durch reichhaltige, z. T. auch illustrierte Beschreibungen der Kirchen und sonstigen Baulichkeiten verdeutlicht ist. -- In diesem Zusammenhange ist ferner H. Hammers Innsbrucker Stadtansicht ( 535) zu nennen, die die Fußleiste einer reich illustrierten Urkunde Karls V. von 1552 ziert. Sie ist die drittälteste und an Ort und Stelle auf Grund unmittelbarer Beobachtung entstanden. Die beigegebenen Abbildungen lassen ihre Vorzüge deutlich werden.

Ein Lebensbild von allgemeinerer Bedeutung gibt Fr. Martins knapper Abriß seiner Studien über Wolf Dietrich von Salzburg ( 2192), den er als Kirchenfürsten, Bauherrn, Landesfürsten und Menschen vor Augen führt. Familiengeschichte und Sturz sind gleichfalls behandelt. Ein kluger politischer Kopf, ein Weltkind mit verschiedenartigsten Interessen und mit zunehmendem Alter religiös durchaus tolerant, gehört Wolf Dietrich unstreitig zu den interessantesten Persönlichkeiten seiner Tage.

Brunner ( 986a) bringt einen Hinweis auf die etwas spärlichen Angaben über die zweite Türkenbelagerung Wiens, die der Großdragoman der Pforte, Alexander Mavrokordates, der im Gefolge Kara Mustafas den Vorgängen vor Wien beiwohnte, seinem griechisch geschriebenen, von A. Papadopulos- Keraman in den »Texte grecesti« (Bukarest 1911) herausgegebenen Tagebuch einverleibt hat. (B.)

Die Geschichte Maria Theresias hat in diesem Berichtsjahre erfreulicherweise mannigfache Förderung erfahren. Zunächst durch eine Gesamtdarstellung ihres Lebens und Wirkens, die Kretschmayr ( 1016) mit der ihm eigenen Kunst zu schildern in lebensvollen Bildern der Nation vor Augen führt. Der genaue Kenner österreichischer Verwaltungsgeschichte konnte der Regententätigkeit dieser Kaiserin natürlich ganz besonders gerecht werden und bietet in dieser Hinsicht auch mehr, als einer volkstümlichen Lebensbeschreibung zuzukommen brauchte. Durch K.s zwingende Linienführung wird vielen erst so recht klar geworden sein, welchen Schatz an geistiger Ursprünglichkeit, an Frauenwürde und bewußter Deutschheit unsere Vergangenheit in dieser Herrscherin besitzt. Dankbar wird man es anerkennen müssen, daß sich der Verfasser allenthalben bemüht, zum Vorteile einer echthistorischen Auffassung das Gleichgewicht zwischen der preußischen und der habsburgischen Legende herzustellen. Gutausgewählte Bilder und ein Anhang, der Proben aus Niederschriften, Resolutionen und Briefen der Kaiserin bringt, unterstützen in wirkungsvollster Weise den darstellenden Teil dieses Buches. (B.) -- Die Vorzüge des Kretschmayrschen Werkes beruhen zum Teil auf der Teilnahme, die sein Verfasser an den Forschungen von Winkler-Kallbrunner ( 1670) genommen hat. Diese haben einen überaus wichtigen Beitrag zur inneren Geschichte Österreichs unter Maria Theresia beigesteuert. Ihre Aktenveröffentlichung, die leider bisweilen in den Erläuterungen ein greuliches Amtsdeutsch mitschleppt, rückt nicht bloß den Grafen F. W. Haugwitz in das helle Licht des Tages -- das hat Kallbrunner bereits in »Österreich« 1 (1917), S. 115 ff., getan --, sie stellt auch eine ganze Reihe bisheriger Anschauungen richtig. Haugwitz, ein gebürtiger Sachse, der frühzeitig zum Katholizismus übergetreten war, hatte als Präsident des königlichen Amtes in (dem bei


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Österreich gebliebenen) Schlesien aus der Verwaltungsorganisation Preußens Anregungen gewonnen, die er nun dem erschöpften und aller Barmittel entblößten Habsburgerstaate zugute kommen lassen wollte. Während sein Gegenspieler, Graf Friedrich Harrach, die Geldbeschaffung in die Hände der Stände zu legen wünschte, blieb Haugwitz Zentralist. Von der Kaiserin aufs kräftigste unterstützt, konnte er 1749 die große Neuordnung durchsetzen, in der von den drei großen Ländergruppen die österreichische und böhmische für die Zentralverwaltung zusammengelegt wurden, Ungarn hingegen bloß zum Teil (in der Hofkammer und im Hofkriegsrat) einbezogen wurde. Als ein Mittel zur Stärkung dieser Vereinheitlichung der Staatsgewalt in der Person des Landesfürsten hatte Haugwitz ferner die Vereinigung der Finanzverwaltung mit der politischen Verwaltung durchgeführt. Für die dadurch freigewordene Rechtspflege hatte man in aller Eile die »oberste Justizstelle« ins Leben gerufen. Was man bisher vielfach als Ausdruck grundsätzlicher Auffassung, die Trennung der Justiz von der Verwaltung, angesehen hatte, war in Wirklichkeit nur ein Verlegenheitsausweg. (B.) -- Die Geschichte Maria Theresias wurde aber noch durch eine weitere Quellenveröffentlichung gefördert. Mit unermüdetem Fleiße hat Schlitter ( 1017) einen neuen, die Jahre 1770--1773 umfassenden Band seiner Ausgabe von Khevenhüllers Tagebuch angefügt. Wie bei den vorhergehenden Bänden treten auch diesmal die Eintragungen des kaiserlichen Obersthofmeisters an Bedeutung gegenüber den Anmerkungen, die der Herausgeber beigesteuert hat, (nicht bloß dem äußeren Umfang nach) wesentlich zurück. Kein Geschichtsschreiber dieser Zeit kann an diesem Anmerkungswerk (so wenig man es auch an dieser Stelle suchen mag) achtlos vorübergehen. (B.)

In die Zeit Franz II. führen uns die folgenden Schriften. Vor allem mit der Person des Barons Herbert beschäftigen sich die Berichte von Spitzeln und Amtspersonen aus den Jahren 1806, 1809 und 1810, die Ortner ( 1099) als »Zeugnisse zur inneren Geschichte der Epoche der Regierung des Kaisers Franz« veröffentlicht. »Er (Herbert) schien gefährlich,« heißt es in einem dieser Berichte, »weil er anders lebt als andere Menschen.« Der Freund der Aufklärung, in dessen Haus sogar Frauen der Lektüre Kants oblagen, wurde deshalb der Förderung der aus Frankreich kommenden neuen umstürzlerischen Ideen verdächtigt. -- Zum Teil die gleichen Persönlichkeiten wie in dem Aufsatz von Ortner treten auch in dem Popelkas ( 1098) als handelnd oder leidend auf, so der Klagenfurter Polizeidirektor Pausinger, den man überwachte, weil er im Hause Herberts verkehrte. Im hier behandelten Falle war freilich er selbst der Überwachende, der schon 1806 ein Korrespondenzbüro in Klagenfurt einzurichten hatte, um die Wiener Regierung über die Vorgänge in Tirol zu unterrichten. Im Jahre 1809 wurde auch noch in Villach eine Kundschafterstelle ins Leben gerufen. Von dem Augenblicke an, da Metternich die Leitung der österreichischen Außenpolitik übernommen hatte, vermied die kaiserliche Regierung jeden Anlaß, der Napoleons Argwohn hätte erregen können. Folgerichtig wurde Oberst Graf Leiningen, der das Haupt einer, wie es scheint, von England unterstützten Verschwörung zur Befreiung Tirols gewesen ist, zu einem anderen Regiment versetzt und damit der für den 15. Januar 1811 angesetzte Ausbruch eines Aufstandes vereitelt. Als Leiningen den Dienst verließ und im folgenden Jahre mit dem Plan umging, Südtirol aufzuwiegeln, hatte man ihn nach Ungarn abgeschoben. (B.)


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Das ohne Zweifel bedeutendste Werk auf dem Gebiete neuerer Geschichte Österreichs, das in diesem Berichtsjahre herausgekommen ist, hat v. Srbik ( 1111) in seinem »Metternich« geschaffen. Es ragt durch Umfang, Inhalt, Form und geistigen Gehalt weit über den Durchschnitt empor, hat auch allenthalben in Fachkreisen (mit wenigen Ausnahmen) uneingeschränkte Anerkennung gefunden. Der erste Band bringt zunächst eine Übersicht über die wichtigsten Geschichtswerke, die sich mit Metternich eingehender befaßt haben, und über den Wandel in den Auffassungen in bezug auf die Gestalt dieses Staatsmannes. Es wird dann die rheinische Umwelt geschildert, aus der M. hervorgegangen, seine Tätigkeit als österreichischer Gesandter in Dresden, Berlin und Paris und seine Ernennung zum Nachfolger Stadions als Minister Kaiser Franz II., in welcher Stellung er sich als Meister des Lavierens zeigt. Erst Napoleons Sturz gibt ihm Gelegenheit, sich als europäischer Staatsmann auszuleben, galt es doch jetzt, die politische Neuordnung des Kontinents in die Wege zu leiten. Folgerichtig setzt denn auch v. S. nach Darstellung des zweiten Pariser Friedens mit dem Abschnitt »Der Mensch und sein System auf der Höhe und im Herbst des Lebens« ein. Dieser stark geistesgeschichtlich unterbauten Charakterisierung von Metternichs staatsmännischen Grundsätzen hat der Verfasser offensichtlich besondere Liebe und Sorgfalt zugewandt. Sie war um so schwieriger, als Metternich nicht etwa eine Zusammenfassung seines »Systems« hinterlassen hat, dieses vielmehr erst mühselig aus verschiedenen seiner Äußerungen und Handlungen zusammengetragen werden mußte. »Nicht der Absolutismus, das Legitimitätsprinzip, das politische Gleichgewicht und andere Teil- und Zweckgedanken, sondern der sozialkonservative Gedanke bildet das eigentliche Rückgrat des vollentwickelten Metternichschen Systems.« (I, S. 350.) Wir lernen ihn hier als den Sohn des ausgehenden 18. Jahrhunderts kennen, der den Geist der Aufklärung mit seiner vernunftstolzen Dogmatik, seiner Vorliebe für die Naturwissenschaften voll in sich aufgenommen hat. Wir lernen Metternich aber zugleich als einen Schätzer der Künste und Wissenschaften kennen. Freilich wollte er diesen nur so weit freien Spielraum gewähren, als sie die von ihm als wichtig erkannten Staatsinteressen nicht ungünstig beeinflußten. Dies vor allem im österreichischen Kaiserstaate. Nach wie vor bildete ja Österreich für ihn im Kampfe um das gesellschaftliche Gleichgewicht in Europa die Basis, den gefürchteten »Zeitgeist« zu bannen. Indem aber Metternich seine politische Kunst wider die immer wirksamer werdenden Kräfte des liberalen Gedankens in Europa spielen ließ, wurde er namentlich nach dem Tode Franz II. für alle nach Freiheit strebenden Geister zum Zielpunkte des Hasses und der Verachtung. So wenig er auch für all die Unbilden der Zensur und des moralischen Druckes, der besonders in Österreich herrschte, verantwortlich gemacht werden kann, so büßte er doch durch die gegen ihn bohrende öffentliche Meinung, aber auch durch die Ränke verschiedener Mitglieder der Regierung, wesentlich an Einfluß ein. Er erlitt aber auch Einbußen durch die Geringschätzung, die er den volkstümlichen Bewegungen grundsätzlich entgegenbrachte. Zum Gefangenen seines eigenen »Systems« geworden, erkannte er wohl die Zeichen des kommenden Zusammenbruchs, fand aber nicht die Mittel, sich gegen ihn zu wehren. Noch glaubt er zwar im März 1848, wie früher zusammen mit Preußen auch jetzt durch eine von den Regierungen gelenkte Konferenzeinrichtung das Prinzip


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monarchischer Alleinsouveränität retten zu können, doch das Unheil war schon auf dem Wege. Man wird es nicht bloß als Zeichen der Treue gegen den geschilderten »Helden« zu werten haben, wenn v. S. mit gleicher Ausführlichkeit wie die Zeit des aktiven politischen Handelns auch den »Lebenswinter« behandelt bis zu jenem 11. Juni 1859, da die »Uhr Europas« zu schlagen aufgehört hat, vielmehr entbehrt es nicht eines gewissen Reizes, die Entwicklung der der Revolution von 1848 folgenden elf Jahre in den Spiegelungen zu beobachten, die sie in dem noch immer regen, staatsmännisch interessierten Geiste des Altstaatskanzlers gefunden haben. -- Man braucht nur die überaus knappen Anmerkungen am Schlusse jedes dieser zwei Bände durchzufliegen, um einen Begriff von der Masse des bewältigten Quellen- und Literaturstoffes zu erhalten. Darüber hinaus wird dieses Werk, das zugleich ein Denkmal der modernen geistesgeschichtlichen Geschichtsauffassung bleiben wird, stets bezeichnend für den Wandel in bezug auf das Verhältnis der Deutschösterreicher zur neueren Geschichte sein. Sieht man nämlich von Arneths stoffbeherrschten Darstellungen ab und von jener zu bewundernswerter historiographischer Höhe emporgehobenen Publizistik Friedjungs, so ist es hier das erstemal, daß eine von allen bisherigen politischen, dynastischen und anderen Befangenheiten freie geschichtliche Würdigung einer Persönlichkeit und darüber eines Zeitabschnittes geboten wird, die für das Schicksal des alten Österreichs von bestimmender Bedeutung gewesen ist. Die Deutschen Österreichs sind eben erst jetzt an dem Punkte angelangt, sich ihrer Vergangenheit und ihres Werdeganges innerhalb der letzten Jahrhunderte voll zu besinnen. (B.) -- In gedrängter Form hat der Verfasser das, was er in seinem Werke über das Metternichsche System gesagt hat, der umfangreicheren Darstellung vorangehen lassen ( 2517). (B.) -- Eine Sonderfrage aus der Geschichte Metternichs, seinen Plan der Neuordnung Europas 1814/15, hat v. S. in einer eigenen Abhandlung dargestellt ( 1112). (B.) -- Der besonderen Wertschätzung, die Metternich den Naturwissenschaften zollte, hat v. Srbik ebenfalls einen Vortrag gewidmet ( 1113). Diese durch persönliche Beziehungen zu Alexander v. Humboldt und Justus Liebig gekennzeichnete Vorliebe für die »exakten Wissenschaften« hängt mit der stark rationalistischen Einstellung dieses Staatsmannes zusammen und wird von dem Verfasser auch in das Gesamtbild des Mannes harmonisch eingefügt. (B.)

Auch sonst wendet sich das Interesse der Historiker gern der Zeit zu, in der die Gestalt Metternichs den geschichtlichen Mittelpunkt darstellt. Nicht immer freilich die positiven Seiten so in den Vordergrund schiebend, wie dies bei v. Srbik der Fall ist. Die von Doblinger ( 1139) mitgeteilten Eintragungen Erzherzog Johanns zum 8./11. April 1819 und 29./30. Oktober 1819 in sein Tagebuch (das jetzt im Steiermärkischen Landesarchiv zu Graz aufbewahrt wird) zeigen den Erzherzog als einen ruhigen und vernünftigen Beurteiler der durch die Ermordung Kotzebues geschaffenen Lage. Ein Gegner Metternichs, erkennt er richtig: »Österreich, welchem diese Gegenstände nicht angehen, ist der Wortführer in einer ihm fremden Sache, die eigentlich Preußen und die anderen Fürsten betrifft, es ladet alles Gehässige auf sich und ist in der Fabel das Thier, welches sich für die anderen die Pfoten verbrennt.« (B.)

In einer für die heutigen Druckverhältnisse und die Bedeutung des Gegenstandes wenig passenden Umständlichkeit schildert Winkler ( 1121), wie


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Gallus Jakob Baumgartner, der 1831--1847 fast ununterbrochen an der Spitze des Kantons St. Gallen stand, als junger Mann wegen Zugehörigkeit zu einem freiheitlichen Vereine, der von Schweizern gegründet worden war, 1820 aus Österreich ausgewiesen wurde. Er hatte nämlich in Wien sein Studium der Rechte fortgesetzt und wie viele andere seiner Landsleute in einem adligen Hause Erzieherdienste geleistet. Aus dem einstigen Demokraten, der in demokratischem Sinne die Verfassung von St. Gallen gestaltet hatte, wurde aber allmählich ein Mann konservativer Gesinnung, der die Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken zu mildern bestrebt war. Damit begann seine Hinneigung zu Österreich, die von Metternich ausgenutzt wurde. 1841 wurde seine Abschaffung aus Österreich rückgängig gemacht. Doch anstatt nur die Führerschaft einer katholischen Partei in seinem Vaterlande zu übernehmen, wie man dies in Wien wünschte, suchte er um eine Anstellung bei der österreichischen Regierung an. Als Baumgartner 1847 zu Verhandlungen über Postangelegenheiten nach Wien entsendet wurde, warb er wieder um eine Stelle, doch zerschlug sich schließlich das Ganze zum Teil aus seinem eigenen Verschulden. (B.)

Das Bild des Herzogs von Reichstadt, der ja nur zum Teil der österreichischen Geschichte angehört, hat in V. Bibl ( 1119) wieder einen Biographen gefunden, der sich der rührsamen Seite dieses frühverhauchten Lebens nicht ganz zu entziehen vermochte. Vielleicht deutet der Untertitel dieses schön ausgestatteten, populär geschriebenen, aber auf Quellenforschung beruhenden Werkes »Sein Lebensroman« an, daß der Verfasser sich jener Seite der Betrachtungsweise gar nicht entziehen wollte. Leider kam Bibl nicht in die Lage, die Ausgabe von Papieren des Napoleoniden zu benutzen,die Bourgoing ( 1120) aus dem Nachlaß des Grafen Moritz Dietrichstein veröffentlichte. Dietrichstein, der 1815 zum stellvertretenden Obersthofmeister und Erzieher des Prinzen bestellt worden war, hatte, wie es scheint, ein Interesse, nicht alles an Briefen und sonstigem Stoff, das vom Herzog herrührte, der Nachwelt aufzubewahren, aber einige Reste finden sich doch in seinem Archiv. Sie beweisen die Brüchigkeit im Wesen jenes unglücklichen Jünglings, dem es nicht an Geist gebricht, der viele durch seine rasche Auffassung zu blenden weiß, dem es aber an Ruhe und Halt fehlt, und in dem sich das Schicksal vollendet, das so oft den Kindern nach einem Genie zuteil wird, daß sie an dem Widerspruch von Wollen und Können sich innerlich aufzehren. (B.)

Zur Geschichte des Jahres 1848 liegen einzelne Arbeiten vor, so hat jetzt Walter ( 1161) die Protokolle über die Verhandlungen der »permanenten Kommission des Reichstages zur Sicherheit der Stadt Wien«, einer Kommission, die nach der Ermordung des Kriegsministers Latour in aller Eile gebildet wurde, abgedruckt. Sie waren bisher unter Verschluß. Sie reichen vom 6. Oktober bis einschließlich 31. Oktober 1848, wurden im folgenden Jahre beschlagnahmt und der Politischen Erhebungskommission übergeben, die sie zur Grundlage einer gerichtlichen Untersuchung gemacht hat. (B.) -- Einige Richtigstellungen und eine schärfere Kennzeichnung vom Leben und Wesen des achtundvierziger Freiheitskämpfers Anton Füster bietet Molisch ( 1161a). (B.) -- Die diplomatischen Verlegenheiten, die die Flucht Kossuths nach der Türkei, seine Freilassung, seine Beförderung auf der amerikanischen Fregatte


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»Mississippi« nach Nordamerika, die Verlegenheiten, die das anmaßende Benehmen Kossuths auf seiner Hinreise und während seines Aufenthaltes (1851/52) den verschiedenen Regierungen, namentlich auch seinen Gastfreunden, bereitete, schildert v. Wertheimer ( 1173) auf Grund von Akten aus dem Wiener und Berliner Staatsarchiv. (B.)

In eine uns ungleich näher liegende Zeit geleitet uns Heller ( 1259), der in drei großen Kapiteln die Frage behandelt, welche Gründe Bismarck zu dem Entschluß geführt haben, ein Bündnis mit der Habsburgermonarchie einzugehen, welche Bedeutung er diesem Abschluß beimaß und wie sich das Bündnis späterhin auswirkte. Er zeigt, wie Bismarck den Balkanangelegenheiten auf die Dauer nicht gleichgültig gegenüberstehen konnte, wie er ferner solches Gewicht auf die Verbindung mit Österreich-Ungarn legte, daß er bei ihrem Zustandekommen sogar seine Vollmachten überschritt. Leider habe aber die bloß völkerrechtliche Bindung des konstruktiven Zieles entbehrt, doch habe die alte Monarchie im Weltkriege dadurch, daß sie dem Ansturm des Zarismus standhielt, dem Deutschen Reich und Europa einen großen Dienst geleistet und auch diese unvollkommene Form gerechtfertigt. (B.) -- Wer die Briefe des Kronprinzen Rudolf an den Journalisten Szeps gelesen hat, versteht erst ganz die Darlegungen v. Wertheimers ( 1265). Mit begreiflicher Sorge betrachtete Bismarck das politische Einverständnis, das zwischen dem österreichischen Kronprinzen und Journalisten wie Szeps und Frischauer bestand und längst kein Geheimnis mehr war. Die Besorgnisse Bismarcks gründeten sich vor allem darauf, daß man von beiden zu wissen glaubte, daß sie von Frankreich Geld erhalten hatten, und daß die Gefahr nahelag, der Erzherzog würde durch den Einfluß dieser franzosenfreundlichen Zeitungsleute auf die Seite der Deutschenfeinde gezogen werden. Diese Bedenken vermochten die Berichte des deutschen Botschafters zu Wien, des Prinzen Reuß, nicht ganz zu zerstreuen. Wer den Briefwechsel Rudolfs mit Szeps liest, wird auch feststellen können, daß den deutschen Reichskanzler in dieser Beurteilung eine feine Witterung leitete. (B.) -- Einen weiteren Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses der Wiener Regierung zum Deutschen Reiche bringt v. Wertheimer ( 1262), der aus einer schriftlichen Zusammenstellung, die der 1880 bis 1895 zu Berlin als österreichisch-ungarischer Militärbevollmächtigter weilende Freiherr Karl von Steininger hinterlassen hat, charakteristische Stellen veröffentlicht. Dabei fällt gerade auf die Berliner Verhältnisse zu Anfang der Regierung Wilhelms II. neues Licht und auch mancher Schatten. Man findet dort auch einige Aufklärung über die Haltung Berlins anläßlich der Reise Bismarcks nach Wien zur Hochzeitsfeier seines Sohnes Herbert, der sich 1892 mit der Gräfin Margarethe Hoyos vermählte. (B.)

Einblicke in die Struktur der österreichisch-ungarischen Armee gewährt uns das nächste Werk. Typische Züge eines auf sich selbst gestellten jungen Offiziers aus Altösterreich vermischen sich in den Tagebucheintragungen Conrads ( 1256) mit den schon sichtbarlich werdenden Zeichen eines sich immer stärker regenden Selbstbewußtseins, in dem der künftige Heerführer offenbar wird. Anspruchslosigkeit, Opfermut, klarer Blick und persönliche Kühnheit kennzeichnen den in bescheidensten Verhältnissen lebenden Conrad, der schon bald zu schwierigen und geheimen Sendungen ausersehen wird. Die Tagebücher, Denkschriften, Briefe und Karten, die da abgedruckt wurden, stammen aus den


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Jahren 1878, 1879 und 1882 -- die Jahre 1880 und 1881 kommen nur ganz kurz weg -- und betreffen die militärischen Verhältnisse in Bosnien, Herzegowina und Westserbien. Conrad bewährt sich darin übrigens auch als ein guter Beobachter des Volkslebens. (B.)

Die Gewalt der Gegenkräfte, die schon längst wider das alte Regierungssystem in Österreich am Werke waren, wurde den Zeitgenossen nicht immer deutlich. Brügel ( 1973) verschafft uns Einblick in das Spiel dieser Gegenkräfte. Mit diesem 5. Bande, der den Untertitel führt: »Parlamentsfeindlichkeit und Obstruktion. Weltkrieg. Zerfall der Monarchie. (1907--1918)« beschließt Brügel sein Werk, das nicht den Anspruch erheben kann, als wissenschaftlichobjektive Darstellung zu gelten, das aber durch die fleißige Benutzung archivalischen Stoffes seinen Wert stets behaupten wird. Daß es in der Kriegsschuldfrage mit seinen Beschuldigungen Österreichs über die Ansichten moderner französischer Forscher hinausgeht, beruht wohl auf mangelnder Kenntnis der neueren Literatur. Ein Abschnitt aber wie der über den tschechischen Separatismus gewährt lehrreiche Einblicke in die Ursachen des politischen Niedergangs der Habsburgermonarchie und zugleich in das Wesen der deutschen Sozialdemokratie. (B.)

Besser als die Österreicher selbst sind bisweilen Außenstehende in der Lage, die Vorzüge und Fehler Altösterreichs gegeneinander abzuwägen. Zu solchen Kennern zählt Schüßler ( 1108a). Mit wohltuender Wärme und gutem Verständnis für die geschichtliche Eigenart der österreichisch-ungarischen Monarchie hat er das letzte Kapitel der Geschichte jenes Staates in großen Zügen erfaßt. Von der Persönlichkeit Franz Ferdinands aus, die offenkundig seinen Blick ganz besonders fesselt, die er gewiß auch einigermaßen in ihrer Bedeutung überschätzt, erwächst ihm die Erkenntnis von der eigentümlichen Lage, in die der Dualismus das Habsburgerreich gebracht hat. Nicht immer hat man im Deutschen Reiche so klar gesehen, welche üblen Nebenwirkungen die Rücksichten auf die Magyaren für die Deutschösterreicher zur Folge hatten. Ob die Föderalisierung der Monarchie wirklich, wie Schüßler meint, deren Bestand zu sichern in der Lage gewesen wäre, läßt sich heute kaum eindeutig bejahen. (B.) -- Nicht mit den Augen des Geschichtsschreibers, wie Schüßler, sondern mit denen eines dankbaren Dieners, der seinem Herrn Treue übers Grab hält, hat Nikitsch-Boullès ( 1332) das Charakterbild des Erzherzogs Franz Ferdinand entworfen. Wendet man nötige Kritik an, so wird man auch aus der durchaus lobenden und verehrenden Darstellung Nikitschs einiges verwerten können. (B.)

Einen Beitrag zur Vorkriegsgeschichte liefert Werkmann ( 1321) -- es handelt sich zum größten Teil um einen Wiederabdruck seines Aufsatzes in der Weihnachtsnummer 1924 der »Düsseldorfer Nachrichten« --, in dem er den Nachweis zu erbringen sucht, daß die bisweilen bezweifelte Tatsache von der Werbung König Eduards bei Kaiser Franz Josef zu Ischl als geschichtlich zuverlässig zu betrachten sei. Seine Gewährsmänner sind ein Sektionschef im österreichisch-ungarischen Außenministerium (Freiherr Jettel von Ettenach) und der Chefredakteur des damals offiziösen »Fremdenblattes«, Dr. Julius Szeps. (B.)

v. Wiesner ( 1396) wendet sich gegen die willkürliche Art, in der die von der Friedenskonferenz bestellte Kommission zur Feststellung der Verantwortlichkeit


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der Kriegsurheber auf Grund des »Dokuments Wiesner« den Beweis dafür als erbracht erklärte, daß die Österreichisch-ungarische Monarchie mit vorsätzlicher Absicht das kleine Serbien habe vernichten wollen. Diese Angaben beziehen sich auf einen Auszug jenes Wiesnerischen Berichtes vom 13. Juli 1914, der nur vier Zeilen umfaßt, indes das Dokument selbst 51 Druckzeilen aufweist. Mit Recht macht Wiesner darauf aufmerksam, daß die Feststellungen, die er in aller Eile damals nach Wien berichten konnte, keinen endgültigen Charakter trugen, also auch nicht zur Grundlage für die Kriegsschuldfrage gemacht werden dürfen. (B.)

Mit großer geistiger Schärfe und getragen von einem nationalen Ethos, das mit Bewußtsein das »Sine ira et studio« des Tacitus von sich abweist, hat Fester ( 1434) die politischen Vorgänge während des Weltkrieges seit dem Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916 unter die kritische Lupe genommen. Hierbei rückt Österreich-Ungarn in den Vordergrund. Seiner Überzeugung nach hing der Bestand der Habsburgermonarchie davon ab, daß sie sich mit Hintansetzung aller Sonderbestrebungen in die Politik des Deutschen Reiches restlos einfügte. Freilich könnte man dieser Behauptung voll zustimmen und doch die Versuche Kaiser Karls, seiner Gattin und seines Ministers, dem Kriege ein Ende zu bereiten, geschichtlich verstehen, ohne hinter diesen Versuchen Intrigen und sittliche Verwerflichkeit zu sehen. Wie der Ausgang des Weltkrieges gezeigt hat, stand für Österreich-Ungarn auf jeden Fall mehr auf dem Spiele als für Deutschland. In solcher Lage hätte eine stärkere Persönlichkeit, als es der letzte Habsburger war, Entschlüsse nach der einen oder anderen Richtung gefaßt, die ihr den Ruhm fleckenlosester Bündnistreue oder das Schicksal eines heroischen »Verräters« gesichert hätten. Da sich Karl zu keinem von beiden Schritten entschließen konnte, hat F. in gewissem Sinne Recht, wenn er Karls Handlungsweise nach bürgerlichen Moralbegriffen wertet. Historisch-technisch gesehen, bietet er in der Darstellung der Sixtusbriefe und auch sonst wahre Meisterstücke kritischer Zergliederung. Man nimmt es darum gern in Kauf, wenn er, wie manche Kritiker, den kritisierten Gegner bisweilen, ohne es zu wollen und zu merken, zu einem Range erhebt, der ihm gar nicht zukommt. (B.) -- In gewissem Sinne stellt das Buch von B. Auerbach ( 1423) den Gegenpol zu Festers Werk dar. Wissenschaftlich darf freilich die französische Leistung nicht in einem Atem mit der des deutschen Gelehrten genannt werden. Darin steht sie zu weit hinter jener Festers zurück. Immerhin hat man Gelegenheit, die reichliche Benützung publizistischer Literatur zu bewundern. A.s stark auf Zeitungs- und Memoirenlektüre aufgebaute Darstellung der Geschichte Österreich-Ungarns während des Weltkrieges ist gesättigt mit allen Voreingenommenheiten Frankreichs gegen die Deutschen. Durch die nicht immer kritische Bewertung der verschiedenen Zeitungsstimmen läßt er sich zuweilen zu ganz falschen Vorstellungen von den Verhältnissen in der Habsburgermonarchie verleiten. So sieht er überall »Unterdrückung« der nichtdeutschen Nationalitäten durch Deutsche und Madjaren und zieht daraus Folgerungen, die völlig ungeschichtlichen Charakter tragen. Das hindert nicht, daß er manche Dinge sehr richtig und treffend beurteilt, z. B. die eigensüchtige Wirtschaftspolitik der Ungarn, die Verhältnisse in der italienischen Armee usw. Im übrigen sind viele seiner Urteile nur ex eventu richtig und besitzen höchstens politischen, aber


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nicht wissenschaftlichen Wert. Je mehr sich der Verfasser gehen läßt, um so deutlicher wird die aktuelle politische Absicht, die für die meisten seiner Behauptungen den Hintergrund abgibt. Freilich mag man bezweifeln, ob eine solche Zweckschrift, die erst über die »arrogance« der Deutschen im alten Österreich spricht, die Deutschen des neuen Österreichs für sich zu gewinnen vermag, zu gewinnen für eine Politik gegen das Deutsche Reich. (B.)

Gemessen an diesem Tendenzwerk, gewinnen die sachkundigen, von der Carnegie-Stiftung veranlaßten Schriften erhöhten Wert. Wenn auch nicht von einem Historiker, so doch von einer überaus sachverständigen Persönlichkeit wurde das österreich-ungarische Geldwesen im Kriege behandelt. Popovics ( 1531) stand ja selbst der österreichisch-ungarischen Bank vor. In seiner Darstellung greift er auf das Jahr 1867 zurück, schildert, wie 1887 zum ersten Male anläßlich der Verwicklungen im Osten an finanzielle Vorbereitungen für den Kriegsfall gedacht wurde. Dann wieder 1908, als man sich bei der Annexion Bosniens und der Herzegowina die Frage vorlegte, wie die Kosten für eine Teil- oder Gesamtmobilisierung gedeckt werden könnten. Eingehend berichtet P. über die Maßnahmen bei Ausbruch des Krieges und während des Krieges, wobei die Geldversorgung im besetzten feindlichen Gebiete nicht die geringste Rolle spielte. Das Jahr 1918 bildet den Abschluß. (B.)

Überaus aufschlußreich sind die Darlegungen der zwei Verfasser Gratz und Schüller ( 1535), die an den Vorgängen, die sie hier schildern, zum Teil in hervorragendem Maße beteiligt waren. Es handelt sich da in der Hauptsache um die Bemühungen, ein in sich geschlossenes größeres mitteleuropäisches Wirtschaftsgebiet zu schaffen. Zu diesem Zwecke hat schon 1915 die deutsche Regierung ein Promemoria ausgearbeitet, das aber von Österreich nur mit Zurückhaltung aufgenommen wurde. Inzwischen zogen sich 1916/17 die Verhandlungen zwischen Österreich und Ungarn zur Erzielung eines »Ausgleiches« hin. Als dann am 24. Februar 1917 ein solcher für die Zeit von 20 Jahren nur unter großen Schwierigkeiten -- das Ministerium Körber war darüber gefallen -- zustande kam, knüpfte man neuerdings mit dem Deutschen Reiche Wirtschaftsverhandlungen an, die am 11. Oktober 1918 zu Salzburg ihren Abschluß fanden. Leider hatte der Zusammenbruch ihre Ausführung verhindert, sie wären gegenwärtig eine erwünschte Grundlage für die wirtschaftliche Vereinigung Deutschösterreichs mit dem Deutschen Reiche. (B.)

Gestützt auf seine ausgezeichneten Kenntnisse des österreichischen Verwaltungslebens, hat Jos. Redlich ( 1536) in seiner Darstellung von Österreichs Regierung und Verwaltung im Weltkriege ein wertvolles Stück österreichischer Geschichte geliefert, die den großen Wandel von den Tagen der Pragmatischen Sanktion bis in die Zeit des vorherrschenden Nationalismus mit all seinen Einwirkungen auf den Vielvölkerstaat in sich begreift. Die unglückliche Politik des Grafen Stürgkh im Weltkriege, die Rolle der Tschechen und Südslawen in Paris und London, die Kriegswirtschaft und der Staatssozialismus -- all das findet eine interessante Würdigung. (B.)

Unter den der militärischen Seite des Weltkrieges gewidmeten Werken ragt das von Conrad ( 1460) ganz besonders hervor. Über den letzterschienenen 5. Band seines großen Memoirenwerkes, der die letzten drei Monate des Jahres 1914 umfaßt, läßt in bezug auf seinen Inhalt sich kaum mehr sagen, als die Schlagwörter des Inhaltsverzeichnisses besagen. »Erneuerte Offensive in


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Galizien und Polen, Kämpfe am San und an der Weichsel; Rückzug der Verbündeten in Galizien und Polen; Vorbrechen der russischen Massen über die Weichsel; Schlachten bei Lodz-Lowicz, Krakau und Limanowo-Lapanow; Vorrücken der Verbündeten; Kämpfe in Polen, Schlachten am San und bei Sambor; Kämpfe in den Karpathen; Wiedervordringen der Russen; Begrenzung des beiderseitigen Vorgehens; vorübergehender Stellungskampf von der Ostsee bis zur Grenze Rumäniens; die zweite Offensive und der Rückschlag in Serbien.« Die Eigenart dieses Memoirenwerkes, das keine zusammenhängende Darstellung, sondern eine Sammlung von Akten, Briefen, Berichten zum Hauptinhalte hat, bringt es mit sich, daß dieser wie der vorhergehende Band eine »tagweise Wiedergabe der Ereignisse« liefern kann. Dadurch, daß der greise Feldmarschall über der Vollendung dieses Bandes gestorben ist, gewinnen die Bemerkungen, die er im Vorwort und in dem »Rückblick« am Schluß bringt, den Charakter einer Art feierlichen Vermächtnisses. Mag man auch vielleicht im einzelnen da und dort persönlich anderer Meinung sein, die vornehme Gesinnung und den rücksichtslosen Willen zur Wahrheit wird man nicht bestreiten können. Die herben Urteile über die Friedenspolitik sowohl Franz Josefs wie Wilhelms II. sind gerade von seinem Standpunkte aus nur zu verständlich. Befreiend wirkt sein mehrfach geäußertes Bekenntnis zur genauesten Befolgung der Bundestreue, die er sich bis zu seinem Rücktritt als Chef des Generalstabes (27. Februar 1917) trotz verschiedener Differenzen mit den deutschen Heerführern zur Richtschnur gemacht habe. Subjektiv hat er gewiß Grund zu Klagen gehabt, so z. B., daß man ihm die Niederlage an der Marne verschwiegen habe. Trotzdem verharrte er dabei, die Eintracht zu wahren. »Nicht nur die Überzeugung der politischen und militärischen Notwendigkeit hielt mich an dieser Linie fest, sondern auch mein deutscher Sinn.« (B.)

Der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine setzt Handel-Mazetti ( 1470) ein geschichtliches Denkmal. Sein mit vielen schönen Abbildungen ausgestattetes Werk geht zwar auf die frühesten Zeiten zurück, legt aber doch auf die Leistung der Flotte im Weltkrieg das Hauptgewicht, der auch der weitaus größte Platz eingeräumt wird. (B.) -- Eine wertvolle Ergänzung zu Handel-Mazetti bietet vom französischen Standpunkt A. Thomazi ( 1480), der die Unternehmungen besonders der französischen Flotte in der Adria von 1914 bis 1918 in 17 Kapiteln, denen noch eine Reihe von Anhängen und 3 Tafeln beigegeben sind, sehr eingehend schildert. (B.)

Weber ( 1391) verweist auf die Gründung einer »Kommission zur Erforschung der Kriegsursachen« in Ungarn unter Vorsitz des Ministers a. D. Julius von Pekar, die die Schuld Serbiens und die der panslawistischen Wühlarbeit nachweisen soll. (B.) -- Insofern als die serbische Frage eng verknüpft ist mit dem Untergang des Habsburgerreiches, verdient an dieser Stelle das Buch von Wendel ( 1418) Erwähnung. Südslawischen Nationalismus übernimmt Wendel in seiner von Freiheitsbegeisterung getragenen Darstellung, die durch die schriftstellerischen Fähigkeiten ihres Verfassers besticht. Sie beruht in erster Linie auf Literatur. Selbständiger wissenschaftlicher Wert kommt dem Werke nicht zu. (B.)


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