VI. Wirtschaftsgeschichte.

Hier ist eine Fülle von Arbeiten zu verzeichnen, die, wenn sie sich auch zuweilen in engem räumlichen oder zeitlichen Rahmen bewegen, doch meist den Zusammenhang mit dem Ganzen nicht vermissen lassen. B. Poll baut seine Untersuchung über das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs ( 1800a) vornehmlich auf dem Quellenmaterial der Weistümer auf und verfolgt an dem Hintergrunde der Entwicklung der bäuerlichen Besitzrechte im allgemeinen und des Erbrechts als des Korrelates zum Heimfallsrecht im besonderen die mannigfachen Varianten, die das Heimfallsrecht des Grundherrn unter der Einwirkung jener bis 1848 herauf aufweist. Ähnlich sind auch das Heimfallsrecht als Strafe für Urbarvergehen und die vielerlei Formen der Erbschaftssteuer als Überreste des Heimfallsrechts gleichfalls bis ins 19. Jahrhundert des näheren untersucht.

Einen Beitrag zur Geschichte des Siebenjährigen Krieges, aber zugleich auch eine wichtige wirtschaftsgeschichtliche Studie verdanken wir v. Loehr ( 1859), der, weit ausgreifend, die Versuche schildert, die im Reiche zur Ordnung des Münzwesens gemacht wurden. Wir sehen, wie Friedrich II. dem Bestreben Österreichs in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts, seine mit Bayern abgeschlossene Münzkonvention weiter auszudehnen, tatkräftigst entgegengetreten war. Die gewaltigen materiellen Opfer, die der Siebenjährige Krieg dann forderte, suchte der Preußenkönig dadurch aufzubringen, daß er die Münze seiner Feinde und die der neutralen Mächte verschlechterte, sein eigenes Land davon aber möglichst verschonte. Loehr neigt entgegen der Ansicht Kosers dazu, die Angabe des Königs, die Kriegskosten hätten sich auf 140 Millionen Rtlr. belaufen, für die richtige zu halten. Österreich, dessen Ausgaben die Höhe von 260 Millionen Gulden erreichten, hatte sich von dem Auskunftsmittel der Münzverschlechterung ferngehalten, hingegen seinen Kredit aufs höchste angespannt. Von der obengenannten Summe wurden 165 Millionen durch Kredite aufgebracht. Die ungarischen Länder mit 7 Millionen stehen weit hinter den deutschen und böhmischen Ländern mit 90 Millionen zurück. 32 Millionen streckte die Wiener Stadtbank vor. Interessant ist es nun, daß zur Tilgung dieser Schuld im Jahre 1762 von der Wiener Stadtbank für 12 Millionen Gulden Zahlungsobligationen in Abschnitten zu 5, 10, 25, 50 und 100 Gulden ausgegeben wurden, die an öffentlichen Kassen bis zur Hälfte des zu leistenden Betrages anstelle baren Geldes als Zahlung angenommen werden mußten. Damit taucht hier zum erstenmal in Mitteleuropa die Banknote auf, die ihre Herkunft vom Wechsel und der Staatsobligation noch deutlich zur Schau trägt. Bisher unbekannt war, daß Österreich von Frankreich Subsidien erhielt, nicht in der vereinbarten Höhe, aber doch etwa 20½ Millionen Gulden. (B.)


S.643

Wenn auch zunächst vor allem Oberösterreich betreffend, so erstreckt sich doch die Tatsache der Schiffahrtsabgaben, die Neweklowsky ( 1874) behandelt, in ihren Auswirkungen auf ganz Österreich. Vor dem Schiffahrts vertrag, den Österreich und Bayern am 2. Dezember 1851 behufs Abschaffung aller Abgaben geschlossen haben, der späterhin auf Grund des Pariser Vertrages von 1856 im folgenden Jahre auf alle Donauuferstaaten ausgedehnt wurde, gab es landesfürstliche und örtliche Schiffahrtsabgaben. Diese Beschränkungen eines freien Verkehrs wurden noch verschärft durch Vorrechte einzelner Schiffergilden und Forderungen einzelner Schiffmeister und Herrschaften. Der Verfasser hat seine durch eine Karten- und Tabellenbeigabe vervollständigte Darstellung auf einem umfangreichen Bericht vom 29. August 1825 aufgebaut, den Regierungsrat Ritter von Hartmann für die Commerz- Hofkommission verfaßte. (B.)

Neben diesen beiden Untersuchungen allgemeinerer Art sind weiter noch folgende, im wesentlichen Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg im besonderen berührende wirtschaftsgeschichtliche Arbeiten zu nennen. Zunächst jene von E. Frieß und J. Seidl ( 1803), die durch den Abdruck des zweiten, finanztechnischen Teiles des herzoglichen Weinmautbuches vom Roten Turm zu Wien von 1445/47, sowie durch die tabellarischen Übersichten über die im ersten Teile genannten Händler und Frächter einen anziehenden Einblick in das Getriebe des Wiener Weinhandels und in die Gebarung des Herzogs mit dessen Erträgnissen vermitteln. -- G. Mohr ( 1800) erstreckt seine 1917 abgeschlossenen Forschungen über die wirtschaftliche Bedeutung des Gästerechtes, besonders in den niederösterreichischen Städten des Mittelalters, auch auf Märkte und Grundherrschaften. Auf Wien ist nur wenig Bezug genommen. Die Arbeit erweckt den Eindruck eines viel zu weit gehenden Schematisierens. -- R. Geyer ( 1802) zieht für das erste Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts die wichtigsten Grundlinien der Organisation und Verwaltungstechnik der niederösterreichischen Silberbergwerke, wobei von einer vergleichenden Heranziehung der nachbarlichen Bergbaue zumeist abgesehen ist. Eine Übersichtskarte und Beamtenlisten sind beigegeben. -- J. Kraft ( 1872) gewährt an dem Beispiele der niederösterreichischen Ortschaft Stopfenreith auf Grund der herrschaftlichen Gerichtsbücher auch kulturgeschichtlich wertvolle Einblicke in bäuerliche Verhältnisse des 17. und 18. Jahrhunderts (Besitz und Hausrat, Wirtschaft, Viehzucht, Feldbau u. dgl.).

Als Vorstudie für eine Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte des Schnalser Hochalpentales gibt Fr. Huter ( 488) eine anziehende, für die Geschichte des Vinschgauer Deutschtums wichtige Darstellung der Schicksale des Schnalser Herrengeschlechtes, das nach kurzer Blüte der Territorialpolitik Graf Meinhards II. von Görz-Tirol und seiner Söhne erlegen ist. Unter den Beilagen verdient Swikers Testament von etwa 1298 Beachtung. -- Es ist lediglich der Anteil des Stiftes Wilten, das sich mit Frauenchiemsee in den Besitz des benachbarten Selraintales teilte, den M. Gaßner ( 533) näher untersucht. Sie verfolgt dabei namentlich das allmähliche Entstehen von Dauersiedlungen, deren Verteilung und fortschreitende Zerlegung und zeigt zugleich, wie die vorherrschende Form der freien Erbleihe das Besitzrecht des Klosters mehr und mehr beeinträchtigt. Wesensart und Entwicklung der bäuerlichen Wirtschaft und der grundherrlichen Abgaben kommen gut zur


S.644

Geltung. Unter den Beigaben seien Tabellen über die Inhaber einzelner Schwaighöfe hervorgehoben, die sich zum Teil vom 14. bis ins 18. Jahrhundert verfolgen lassen. -- K. Außerer ( 472) bringt als wertvolle ortsgeschichtliche Quellen den Text zweier Urbare der Brixener Gegend aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts, dem er eingehende, durch eine Stammtafel der Halbsleben illustrierte genealogische Untersuchungen über diese und die Obermayr in Lüsen vorausschickt. -- K. Möser zeigt (S. 235 ff. von Nr. 194), wie der zuerst von Meinhard II. von Görz-Tirol um 1270 zu Meran geschlagene, mit einem Doppelkreuz versehene Grossus (Zwanziger) um dieser Ausstattung willen zuerst in Süddeutschland und erst ein halbes Jahrhundert später auch in seiner Heimat als »Kreuzer« bezeichnet worden ist.

Zwei im Anhange wiedergegebenen Nachrichten aus Vorarlberg von 1319 und 1355 schickt St. Müller ( 1806) nähere Angaben über die Ausbreitung des Montafoner Bergbaues und das Mitwandern des Ortsnamens voraus.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)