a) Bis 1378.

Es hängt mit der Dürftigkeit der Überlieferung zusammen, daß sich der Geschichte des früheren Mittelalters in den Sudetenländern die Wissenschaft verhältnismäßig selten zuwendet.

Zur Quellenkunde ist nur der sehr beachtliche Aufsatz Hrubýs ( 2776) zu verzeichnen, in dem er zur Neuausgabe der Chronik von Cosmas durch Bretholz Stellung nimmt. Zunächst bestreitet er das genaue Geburtsjahr 1045, da damit in Widerspruch stehe, daß Cosmas sich 1074 noch puer nenne, woraus Hr. schließt, daß Cosmas ums Jahr 1050 geboren sein müsse. Die Armut der Nachrichten für die Jahre 1075--1081 erklärt er damit, daß Cosmas damals fern von Böhmen, wohl in Lüttich, weilte. Zur Frage nach der etwaigen polnischen Abkunft des Cosmas bringt Hr. die einleuchtende Erklärung vor, daß an der fraglichen Stelle attavus erst später eingefügt sein müsse und den Sinn von Alter habe, so daß damit ein alter Genosse gemeint sei. Schließlich kommt Hr. zu einer ganz anderen Ansicht über die Entstehung der Chronik als Bretholz. Er zerlegt sie in zwei deutlich voneinander geschiedene Teile, deren erster die zwei ersten Bücher umfaßt, um 1110 geschrieben ist und die Geschichte bis 1092 erzählt. Dieser Teil wurde von Cosmas selbst als selbständig betrachtet. Dazu kam dann ohne inneren Zusammenhang mit dem ersten Teil als zweiter das knapp vor Cosmas' Tode geschriebene, unfertige dritte Buch. Daß alle drei Bücher schließlich als Ganzes betrachtet und herausgegeben wurden, ist erst nach dem Tode des Cosmas durch einen Abschreiber, nicht durch Cosmas selbst, geschehen.

Für die vor- und frühgeschichtliche Zeit der Sudetenländer bringt Preidel ( 778) in einem Auszuge einer größeren Arbeit Beachtliches vor. Danach hätten Germanen bereits um 200 v. Chr. in Böhmen gewohnt, bis nach dem Abrücken der Bojer und der Zuwanderung der Markomannen Böhmen rein germanisch besiedelt wurde. Diese Stämme wurden dann durch Thüringer und Langobarden abgelöst. Die Einwanderung der Slawen wird aus sprachlichen Gründen von Gierach ( 607) und Schwarz ( 610) in das schließende 6. Jahrhundert verlegt. Dem stimmt nunmehr auch Šimek ( 2799) zu, der vom archäologischen Standpunkt die slawische Autochthonenlehre, welche solange die tschechische Wissenschaft befangen hielt, rückhaltlos ablehnt und die ersten fünf nachchristlichen Jahrhunderte den Germanen zuschreibt. Zugleich versucht Šimek, gestützt auf das ursprüngliche Landschaftsbild, das er sich für Böhmen aus einer Reihe kleiner, abgeschlossener Landschaften zusammengesetzt denkt, in die Landnahmezeit der Slawen in Böhmen und ihre Organisation an Hand der zwei überaus wichtigen Landesburgen Prag und Vyšehrad einiges Licht zu bringen. Aufs neue geht er von der Tatsache, daß Böhmen ursprünglich eine viel engere Bedeutung hatte und nur einen Teil des späteren Gebietes Böhmen umfaßte, aus und trachtet an Hand der so wichtigen Burganlagen die einzelnen Stammesmittelpunkte festzustellen,


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wozu er als wichtiges Hilfsmittel mit Recht die spätere Kreiseinteilung verwendet. Danach hatten ursprünglich keineswegs Prag und Vyšehrad die führende Stellung. Diese erlangten sie erst als feindliche Grenzburgen in der Zeit des Einigungsvorganges, wobei Prag dem Vyšehrad durchaus den Rang ablief, bis dieser erst unter Karl IV. nach der Anlage der Neustadt zu großer Bedeutung gelangte. Zu verschiedenen Malen weist Šimek auf die erhöhte Glaubwürdigkeit der Nachrichten von Cosmas für die Frühzeit hin.

Eine anspruchslose Lebensbeschreibung des hl. Wenzel veröffentlicht Stejskal ( 2801), in der er über die Arbeiten von Nägle, Novotný u. a. kaum hinauskommt. Verdienstlich ist eine Zusammenstellung über die Verehrung des Heiligen im Ablauf der Jahrhunderte bis zur Gegenwart.

Ein sehr wichtiges Gebiet betritt Novák ( 853), der an Hand der böhmischen Chronisten untersucht, wie die Idee des römischen Kaisertums auf das politische Denken in den Sudetenländern eingewirkt hat. Ausgehend von dem Gedanken der Übertragung des Kaisertums, zeigt er, wie seit Karl d. Gr. auch die Slawen mit dieser universalen Macht in Berührung kamen und durchweg in ihren Bannkreis gezogen wurden. Sich als Teil des römischen Imperiums zu betrachten, war den tschechischen politischen Kreisen durchaus selbstverständlich, so daß auch die Chronisten, von Cosmas angefangen bis ins 13. Jahrhundert, davon achtungsvoll und wie von einer Selbstverständlichkeit berichten. Mögen auch deutschfeindliche Züge bei Cosmas durchklingen, unberührt bleibt dadurch die Haltung zum übernationalen, christlichen, universalen Imperium. Die Umkehr in dieser Auffassung ist durch das Sinken des Imperiums im 13. Jahrhundert bedingt. Wenn auch die alten Anschauungen noch eine Zeitlang nachwirken, so ist doch seit Dalimil eine deutliche, immer größer werdende Abkehr gegenüber dem nunmehr deutsch, den Tschechen feindlich aufgefaßten Kaisertum bemerkbar. Vorübergehend fanden sich die Tschechen nur in der Zeit der Vereinigung von böhmischer Königskrone und der Kaiserkrone auf einem Haupte mit der Idee des Kaisertums, das nunmehr seinen Sitz in Böhmen aufgeschlagen hatte, ab, bis die Hussitenwirren auch diese Bande zerschnitten.


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