b) Bis 1620.

Belebt wie die böhmische Geschichte wird auch das Forschungsfeld, von Königen und Kärrnern gleich liebevoll bebaut, sobald die Zeit der Hussiten in Sicht kommt. Ist sie auch in erster Linie das glanzvolle Zeitalter der tschechischen Nation, so doch ein ebenso wichtiger Abschitt spätmittelalterlicher deutscher Geschichte. Gab 1915 das Hus-Jubiläum den äußeren Anlaß zu einer Reihe gewichtiger Arbeiten über das gesamte Zeitalter, so 1924 die Wiederkehr des 500jährigen Todestages Žižkas, um dessen Gestalt in diesem und dem folgenden Jahre eine ganze Literatur, zum großen Teil panegyrischen Charakters, anwuchs. Dabei ist manches Neue zutage gefördert worden. Bartoš ( 2770), ein erfolgreicher Erforscher des ganzen Abschnittes, hat in der Form scharf geschnittener Skizzen und Essays seine Grundanschauungen über die Hussitenzeit an Hand der Hauptträger zusammengefaßt und weiteren Kreisen zugänglich gemacht. Angefangen von Wenzel IV., für den er eine gerechtere und mildere Beurteilung verlangt, ziehen in bunter Folge die Lebenswerke und Gesichte des Hieronymus von Prag, Hus', der Gegner Husens in Konstanz, Žižkas, des Engländers Peter Payne, dann einer Reihe hussitischer Jünger und Märtyrer, Johann Rokycanas und Georgs von Podiebrad


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vorüber, wobei Bartoš voll und ganz auf hussitischem Boden steht und das Füllhorn des Lobes freigebig neigt. -- Es ist erfreulich, daß auch Loserths ( 2032) bereits 1884 erschienenes Werk, das seither für die deutsche Wissenschaft die Grundlage gewesen ist, eine zweite Auflage erlebt hat, in der Loserth vor allem seine inzwischen gemachten eigenen Untersuchungen verwertet hat, weniger die immer höher anschwellende tschechische Husforschung, in der besonders das Problem Hus--Wiclif in letzter Zeit erfolgreich behandelt worden ist (vgl. dazu Wostry, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Deutsch. in Böhmen 63 [1925], 117 ff.). -- Die wichtigste Arbeit über Žižka floß zweifellos aus der Feder des Führers der tschechischen Geschichtswissenschaft, Pekař ( 2790). Nicht gleich hat eine Arbeit so viel Staub aufgewirbelt wie diese, in der Pekař unerschrocken und ohne Rücksicht auf die durch Alter geheiligte Volks- und Wissenschaftsmeinung an ein Hauptidol tschechischer mittelalterlicher Geschichte greift. Dabei bedient er sich jener Methode, die zuletzt A. Kraus in dem dreibändigen, 1924 abgeschlossenen Werk: Husitství v literatuře, zejména německé (Das Hussitentum in der Literatur, besonders in der deutschen) angewandt hat: ein Ereignis, eine Epoche, eine Persönlichkeit in der Beurteilung der Zeitgenossen und der folgenden Zeit zu studieren, wobei dann nicht nur aufschlußreiche Einblicke in den kulturellen Bau der verschiedenen Zeitalter, sondern auch das Aufkommen und Vererben von Lehren, zumal falscher, zu erkennen möglich ist. Pekař hat es unternommen, die Mit- und Nachwelt über Žižka und sein Werk abzuhören. Bei Eneas Sylvius beginnt das Kreuzverhör. Zunächst stellt Pekař fest, daß die böhmische Geschichte des Eneas Sylvius seit Palacký als ungenaues und tschechenfeindliches Werk fast einmütig verdammt worden sei bis auf Bezold, der gleich Pekař, Voigt und Joachimsen diesem Werke nicht Fälscherabsichten unterschiebt. Was war Sylvius für Žižka? Pekař erklärt: »Den Žižka als große Gestalt der europäischen Geschichte schuf vor allem das Werk des Sylvius, des Kardinals und späteren Papstes der römischen Kirche.« Eneas Sylvius reizte der Kontrast. Neben viel Schlechtigkeit weiß er auch viel Rühmliches zu berichten, und beides in überschwenglichen Worten. Grauen und Bewunderung paaren sich bei ihm innig, so daß die aus dieser Verquickung gegensätzlicher Elemente entstandene Gestalt die Phantasie der weitesten Volksschichten erregen mußte. Wie hier der größte Feind der Hussiten, der römische Kardinal, Žižka in die Weltgeschichte und ins Volk eingeführt hat, so war es ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß im 19. Jahrhundert ein deutschböhmischer Dichter, Alfred Meißner, ein Angehöriger jenes Volkes also, das Žižka am liebsten ausgerottet hätte, Žižka beim tschechischen Volke erst wieder beliebt und sozusagen modern gemacht hat.

Um das Milieu zu zeichnen, in dem Žižka lebte, schlägt Pekař einen dankbar zu begrüßenden Umweg ein, der ihn zunächst in den Ideengehalt der gesamten Taboritenzeit führt. Um Höhen und Tiefen zu erkennen, wendet er sich vor allem an die Zeitgenossen und die Hauptträger dieser Ereignisse um Rat und läßt Freund und Feind Revue passieren. Dabei stellen sich wertvolle Beiträge und Bemerkungen zur bisherigen Kenntnis der gesamten hussitischen Bewegung ein. Als wichtigste Persönlichkeiten der hussitischen Revolution tauchen da gleich Jakubek von Mies und der Deutsche Nikolaus von Dresden auf, die beide vor allem für den Kelch eintraten, durch den die hussitische


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Gemeinde erst ein sichtbares Zeichen ihres Glaubens aufgesteckt bekam. Einen großen Einfluß übten auf beide, besonders auf Nikolaus, die Waldenser aus, deren Einfluß auf das Werden der hussitischen Bewegung bereits im 14. Jahrhundert sehr hoch angeschlagen werden muß, wie Chaloupecký ( 2773) gleichzeitig zeigt. Für die Deutschen bleibt es höchst bemerkenswert, daß die deutsche Kolonisation die Waldenser zum großen Teil nach Böhmen gebracht hat, so daß gerade Deutsche die hussitische Bewegung erheblich gefördert und mit Gedankengut versorgt haben. Auch unter den Kelchnern, die um 1416 aus friedlichen Gottesstreitern zu radikalen, rücksichtslosen Gewaltmenschen wurden, welche das revolutionierte Taboritentum schufen, sind wieder Deutsche zu finden. Die Prager als Gemäßigte gerieten dabei freilich 1417/18 ins Hintertreffen gegenüber den Radikalen. Eine vorzügliche Quelle für diese schrittweise Fanatisierung der Taboriten bietet Vavřinec von Březova. In der dritten Phase trat endlich der taboritische Chiliasmus in Erscheinung, zuerst 1419/20 in Prag. Diese Lehre gipfelt »in der Zeit der Rache«, das Gottesreich mit Christus als König wird unmittelbar erwartet, alle Gottesgegner, voran der Antichrist, verkörpert in König Sigmund, müssen bekriegt werden. Aber schon Ende 1420 war diese Bewegung so gut wie ausgelöscht. Freilich, die Zeit der chiliastischen Taten kam erst. Weiterhin erstrebten nach Pekař die Taboriten keineswegs im Sinne des Kommunismus eine Gleichheit aller Bürger, sie hoben nicht die mittelalterliche Weltordnung aus den Angeln, sie staken vielmehr noch ganz im Mittelalter. Die taboritische Bewegung war gegen die Geistlichkeit gerichtet und wurde von der städtischen Bevölkerung und dem niederen Adel getragen. Es ging um Glaubenssachen, nicht um politisch-soziale Vorteile. Den größten Gegenpol der taboritischen Lehre stellt Peter Chelčický dar, der den geistigen Kampf gegen den körperlichen ausspielt, die Liebe an Stelle von Gewalt setzt und damit zu einer vollständigen Verurteilung des Taboritentums kommt. So sah das Milieu Žižkas aus.

Bei der Untersuchung nun, wie sich die Zeitgenossen und die nachfolgenden Geschlechter zu Žižka stellten, kommt Pekař zu der überraschenden Tatsache, daß die Zeitgenossen und die unmittelbaren Nachfolger durchaus nicht so von seiner Größe überzeugt waren und ihn nicht für den Führer der Taboriten hielten, sondern vornehmlich seine Schattenseiten in den Vordergrund stellten. In Zeitbüchern, wie dem des Nikolaus von Pelhřím, wo unbedingt von Žižka die Rede sein müßte, hört man nichts von ihm, von seinem Leben so gut wie nichts. Von seinem Tode nimmt so gut wie kein Zeitbuch Kenntnis. Bis auf eine Ausnahme weiß auch keiner der führenden Zeitschreiber etwas von der neuen militärischen Taktik und Strategie Žižkas. Mit dem schon genannten Eneas Sylvius setzt eine Änderung ein. Erst die Kämpfe Georgs von Podiebrad zwingen den Vergleich mit der Zeit Žižkas auf, und erst von da ab steigt er im Andenken der Nation. Eine namenlose Flugschrift von 1469 spricht von dem »Bruder Žižka berühmten Andenkens«. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wird Žižka endlich eine eigene Arbeit gewidmet. Daraus kann man ersehen, wie verfehlt es ist, das heute allenthalben bereits feststehende Urteil über diese Gestalt noch länger zu glauben. Pekař setzt seine Studien über Žižka fort.

Es ist begreiflich, daß diese von Pekař vorgetragenen Ansichten Widerspruch erweckten. Temperamentvoll setzte sich Bartoš ( 2769) für Žižka sofort zur Wehr. Er greift bei der Beurteilung von Eneas Sylvius ein, wobei er immer


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und immer wieder von den Stellen ausgeht, die auch bisher stets die Grundlage für das Verdammungsurteil gebildet haben. Einen großen Teil der Beweise Pekařs läßt Bartoš einfach beiseite. Wo Pekař mit seinem durchdringenden, kritischen Verstande arbeitet, wallt es bei Bartoš von modernen, leidenschaftlich erregten nationalen Gefühlen. Daher stimmt Bartoš auch einen Klagegesang an über das tschechische »Herz« Pekařs, dem er das wahrheitsliebende Herz eines Engländers aus dem 18. Jahrhundert gegenüberstellt, der eine viel anerkennendere und zuverlässigere Darstellung des Lebens Žižkas geliefert habe!

Über die Zusammenkunft der hussitischen Führer mit König Sigmund 1429 in Preßburg liegen nur wenige Nachrichten vor, die nun Bartoš ( 2768) durch Mitteilung der damals von Peter Payne gehaltenen Rede -- Payne war der hussitische Wortführer --, überdies durch Nachrichten aus einer Sammlung von Quellen Thomas Ebendorfers, vermehrt. Damit werden die Ausführungen Herres in den Quellen und Forschungen aus den italienischen Archiven II (Jg. 1901) ergänzt.

Erst mit dem Ablauf des 16. Jahrhunderts, als sich längst in Böhmen die Verhältnisse gründlich geändert hatten, läuft der Faden weiter.

Ohne Zweifel rührte Stloukal ( 2802a) an einer wichtigen Stelle katholischer Reformationsgeschichte. Dennoch schwebte über seiner tüchtigen und flüssig geschriebenen Arbeit ein unseliger Stern. Denn die schönsten Teile des Buches wurden durch andere Arbeiten zum Teil gleichzeitig vorweggenommen, zum Teil kurz darauf überholt. Gleich das erste Kapitel: Klemens VIII. und die päpstliche Kurie zu seiner Zeit, das, ohne unmittelbar zum Gegenstand zu gehören, einen großen Teil des Buches einnimmt, ist durch die nunmehr erschienene Darstellung in Pastors Papstgeschichte zweifellos überholt worden, da Pastor auf ein unvergleichlich reicheres Quellenmaterial bauen konnte und überdies die Fäden der großen Politik besser überschaut, als es die Arbeit eines Jüngeren vermag. Stloukal stützte sich für die Zeichnung der Persönlichkeit Papst Klemens' VIII., der als würdiger Nachfolger Gregors XIII. nachdrücklich auf die Bureaukratisierung der Verwaltung im päpstlichen Staate hinarbeitete und so den übrigen weltlichen Mächten ein zugkräftiges Vorbild gab, fast ausschließlich auf die ältere Literatur. Daß Klemens mit beiden Füßen auf dem Boden der katholischen Reformation stand, ist selbstverständlich. Dankenswert sind die Hinweise Stloukals auf die Organisation der päpstlichen Diplomatie, der Nuntiaturen, des Staatssekretariats, schließlich auf die Finanzen. In dem der päpstlichen Diplomatie gewidmeten Abschnitt versucht er auch eine Art Diplomatik der Nuntiaturkorrespondenz zu geben, worüber noch keine zusammenfassende Arbeit besteht. Muß sich Stloukal auch dabei hauptsächlich mit der vorhandenen Literatur begnügen, so verdient dennoch sein Urteil Beachtung, da er selbst mit einem Teil der vom tschechoslowakischen römischen Institut übernommenen Herausgabe der Nuntiaturberichte aus Deutschland, nämlich von 1598--1603, betraut wurde.

Zu seinem engeren Gegenstande kommt er in dem Unterabschnitt: Das Programm der päpstlichen Politik und die Prager Nuntiatur am Ende des 16. Jahrhunderts. Klemens VIII. knüpfte unmittelbar an die Politik Gregors XIII. an, der die Richtlinien für längere Zeit vorgezeichnet hatte. Felsenfest hatte man dabei an der Kurie auf den in Prag residierenden katholischen Rudolf gerechnet, was sich in der Folge als unrichtig erwies, als sich der Kaiser immer


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mehr mit Ketzern (Protestanten, Utraquisten) zu umgeben begann. Der katholischen Sache wurde dadurch nicht nur im Reiche, sondern vornehmlich in den habsburgischen Ländern viel Boden abgegraben. Manche Schuld daran scheint der in den Jahren 1592--1598 in Prag tätige päpstliche Legat Speziani gehabt zu haben, dem die Natur nicht die Gaben für einen Diplomaten auf so gefährdetem Posten in die Wiege gelegt hatte -- »den man alhie in der gemain für ein ochsen helt«, schreibt drastisch 1595 ein österreichischer Hofrat an den Kaiser. Der nach ihm ernannte Farnese trat den Posten erst gar nicht an. Dafür erschien mit dem Neapolitaner Spinelli ( 1598) ein Mann auf dem Plan, welcher der päpstlichen Politik am Kaiserhofe ein ganz anderes Gesicht gab. Denn er übte trotz seiner 35 Jahre auf den allzu leicht beeinflußbaren Kaiser einen geradezu dämonischen Einfluß aus. Dabei erfreute sich Spinelli des rückhaltlosen Vertrauens des mit dem Prager Posten wohlvertrauten allmächtigen Ratgebers und Kardinalstaatssekretärs am päpstlichen Hofe, Aldobrandini. Spinellis Schicksal schien sich etwas zu verdüstern, als der Rivale Aldobrandinis, San Giorgio, ins Staatssekretariat zurückkehrte. Aber der geschmeidige, überaus arbeitsame und stets nach Rom berichtende Spinelli wußte sich zu helfen, da er eine doppelte Korrespondenz führte, eine amtliche, kühle, sachliche an San Giorgio und eine mehr persönliche, geheime an Aldobrandini. Spinellis Geld- und Geschenksucht scheint Stloukal etwas zu streng beurteilt zu haben. In der Instruktion bekam Spinelli nichts mehr und nichts weniger mit als die Aufgabe, die jetzige kaiserliche Regierung, die ketzerischen Minister, zu beseitigen zugunsten katholischer Männer. Die zweite Aufgabe war, päpstliche Kandidaten auf die schon länger streitigen und erledigten Bischofsitze Breslau und Olmütz zu bringen. Bei der Darstellung dieser Streitigkeiten, die den zweiten Hauptteil des Buches einnehmen, konnte sich Stloukal auf die tüchtigen Monographien von Jungnitz (Z. f. Gesch. Schles. 34 [1900]) für Breslau und auf Tenora: František kardinal z Dietrichštejna, Hlídka ( 1906) für Olmütz stützen. Der Legat begab sich auf seiner Reise nach Prag nach den Haltepunkten Salzburg, Passau, Linz und Wien, wo er überall zugunsten der päpstlichen Sache verhandelte, unmittelbar nach Olmütz, um hier den jungen Dietrichstein als Bischof durchzusetzen. In Breslau kam durch ein Kompromiß der kaiserliche Kandidat Johann Sitsch -- warum ihn Stloukal Jan Sič schreibt, bleibt unerfindlich -- auf den Bischofsstuhl.

Dem dritten Hauptstück: Das Ringen um die Ämter und die Gegenreformation hat freilich die 1922 erschienene Arbeit J. Borovičkas: Pád Želínského, Č. čas. hist. XXVIII, die Hauptergebnisse vorweggenommen, da er sich auf ungefähr das gleiche Material wie Stloukal stützte. Beide schildern in der Hauptsache übereinstimmend den Kampf Spinellis gegen die politischen Drahtzieher und verantwortlichen Ratgeber des Kaisers, vor allem gegen den Vizekanzler der böhmischen Kanzlei Želinský und seinen Sekretär Milner. Es war selbstverständlich, daß sich der für das gesamte Reich bestellte Legat vornehmlich um böhmische Dinge kümmerte, da Böhmen am reformbedürftigsten war, besonders als es den Ketzern geglückt war, die Lobkowitze und Rosenberge, die Säulen der katholischen Partei, aus dem Sattel zu heben. Denn war der Adel des 16. Jahrhunderts, der protestantische wie der katholische, gegeneinander noch durchaus friedlich gesinnt, und traten damals die religiösen Gegensätze hinter den ständischen zurück, so war das Geschlecht, welches um die Wende des


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16. und 17. Jahrhunderts mannbar wurde, durchaus im religiös kampfbaren Geiste erzogen worden. Spinellis erste Schritte führten daher zu dem unzufriedenen katholischen Hochadel des Landes. Bereits in der ersten Audienz beim Kaiser begann er gegen Želinský zu arbeiten. Die Mittel und Beweise, deren sich dabei Spinelli bediente, sind nicht bekannt. Sie scheinen darin bestanden zu haben, daß Spinelli dem Kaiser das Schreckgespenst eines Bundes der böhmischen Ketzer mit den protestantischen Fürsten des Reiches gegen die katholischen Habsburger an die Wand gemalt hat. Überdies wußte er in dem bedeutend katholischeren Mähren Unwillenskundgebungen gegen Želinský hervorzurufen, so daß dieser schließlich samt seinen Helfern 1599 abgesetzt wurde. Damit beginnt die gegenreformatorische Ära für Böhmen. Die katholischen Herren übernehmen die höchsten Landesämter. Der Sieg erstreckte sich auch auf die Städte, wo bald Katholiken in die Ratsstuben einzogen; gegen die Lutheraner auf den königlichen Gütern und gegen die Prediger des Adels wurde streng vorgegangen. Schließlich war Spinelli der Urheber des Ketzeredikts von 1602, einer Neuauflage des durch Wladislaw 1508 erlassenen, besonders gegen die Brüder gerichteten Edikts. Zum Schluß wirft Stloukal noch die bedeutsame Frage auf, ob die Gegenreformation nicht auch ohne Schlacht am Weißen Berge allmählich gesiegt hätte wie in anderen Ländern.

Wie Fäden zwischen dem Protestantismus des Sudetenraumes und des Reiches hin und her schossen, erhellt auch aus Hrubý (Čas. mat. moravské 1925), der die Tagebücher von vier mährischen jungen Adligen, welche an Deutschlands hohen Schulen studierten und mit führenden Männern zusammenkamen, veröffentlichte. Gleich eng blieben die Beziehungen der protestantischen Prediger, wie Wotschke ( 2416) und Pick ( 2417) dartun.

Durch glückliche Funde ist Hrubý ( 2777) in den Stand gesetzt, Wichtiges über den mährischen Aufstand von 1620 und seine Folgen mitzuteilen. Es handelt sich dabei um eine Bittschrift Karls von Zierotin für Gefangene, um eine Bittschrift von elf Spielberggefangenen an den Kaiser und um ein Rechtfertigungsschreiben des Ladislaus Velen von Zierotin an die mährischen Stände. Dabei rollt Hrubý nochmals das geschichtliche Bild des am Beginn des 17. Jahrhunderts in Mähren eine wichtige Rolle spielenden Karl von Zierotin auf. Als Hauptkennzeichen jeder Tätigkeit Zierotins seit dem mährischen Aufstande von 1608 bezeichnet er auf Grund neuer Belege seine Bedächtigkeit und peinliche Besorgnis um die Mitte, seine Furcht vor dem Zuweit, schließlich seine Unentschlossenheit. In politisch hochgespannten und günstigen Augenblicken verstand er es nicht, die Vorteile restlos heimzuholen, sondern begnügte sich mit einem geringeren Maße um den Preis der Ruhe. Aber seiner harrte die bittere Erfahrung, daß die Gegenseite viel skrupelloser war und auf seine Absetzung hinarbeitete. Verhängnisvoll wirkten Zierotins Eigenschaften zur Zeit des böhmischen Aufstandes, dessen Gelingen geradezu in Mährens Hände gelegt war. Zierotin aber führte durch sein Widerstreben gegen Böhmen -- er war einer der geschworensten Feinde der Tschechen, obwohl er selbst ein mährischer Slawe war -- den unglücklichen Ausgang des böhmischen Aufstandes mit herbei. Er war erfüllt von kindlicher Liebe zur Dynastie, der er zwar mit starker Kritik, aber doch mit tiefer Verehrung anhing, so daß die Absetzungspläne der Böhmen niemals sein Gehör fanden. Überdies eignete ihm religiös durchaus die dulderische Gesinnung der Brüder, nichts besaß er von


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hussitischem Geiste, unbegreiflich war ihm, für die Religion jemals die Waffen zu erheben.


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