II. Familiengeschichten.

Unter den Veröffentlichungen auf dem Gebiete darstellender Familiengeschichte überwiegen weit die Arbeiten, welche sich mit der individuellen Geschichte einzelner Geschlechter befassen, während systematische genealogische Untersuchungen über weitere Kreise noch immer selten sind, obwohl doch nach dieser Seite das strengere wissenschaftliche Interesse und Bedürfnis liegt. Die auf das Stadtgebiet von Mannheim sich beschränkende Sammlung »Alte Mannheimer Familien« erlebte eine 6. Fortsetzung, herausgegeben von Florian Waldeck, enthaltend die Geschichten der Familien Bohrmann (von Elisabeth Hildebrandt), Engelhorn (von Otto Kauffmann), Gobin (von Leopold Göller), v. Herding (von Friedrich Walter) und Mathy (von Ludwig Mathy) ( 449). In ähnlicher Weise, aber in anderer Richtung, hat sich die Genealogische Gesellschaft in Frankfurt a. M. der systematischen Forschung über Frankfurter Kaufmannsfamilien angenommen, indem sie durch Hans Majer-Leonhard ein »Altfrankfurter Firmen-Handbuch« hat bearbeiten und herausgeben lassen (Frankfurt a. M., Limpert, 219 S., 4°). Von wesentlich vererbungswissenschaftlich-biologischem Gesichtspunkt aus hat Sepp Ruf die »Familienbiologie eines Schwarzwalddorfes« (St. Peter im Schwarzwald) (In: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie Bd. 15, Heft 4, S. 353--382) und H. Schloeßmann »Die Hämophilie in Württemberg. Genealogische, erbbiologische und klinische Untersuchungen an 24 Bluter-Familien« (Ebenda, Bd. 16, S. 29--53, 129-- 161, 276--303 und 353 bis 377) untersucht. Erwähnung verdient hier ferner v. Klockes Arbeit über die Soester Bürgermeister und ihre Geschlechter ( 456).

Aus der großen Reihe von Einzelveröffentlichungen deutscher Stamm- und Ahnentafeln verdienen drei Arbeiten aus den Kreisen des hohen Adels besondere Hervorhebung. Prinz Wilhelm Karl von Isenburg hat seine erstmals 1913 von Wilhelm Heinrich Hammann herausgegebene Ahnentafel zu 4096 Ahnen (Darmstadt bei H. L. Schlapp) auf 14 Generationen zu 16 383 Personen erweitert, neu herausgegeben ( 476) und einer eingehenden soziologischen und statistischen Unteruchung unterzogen. Auch drucktechnisch ist diese Veröffentlichung eine bemerkenswerte Leistung. Christian Belschner hat »die verschiedenen Linien und Zweige des Hauses Hohenlohe seit 1153« auf 12 Blättern im Format von 46,5×68 cm zu sehr übersichtlicher Darstellung gebracht (Ludwigsburg: Druck von Ungeheuer und Ullmer). Ein für die Genealogie des österreichischen Adels bedeutungsvolles Werk hat (Fürst) Jaroslav (v.) Thun und Hohenstein in seinen »Beiträgen zu unserer Familiengeschichte« geschaffen ( 493), die neben 15 Stammtafeln des Geschlechts Thun 120 Ahnentafeln der in die Familien eingeheirateten Frauen, fast sämtlich


S.173

aus adeligen Geschlechtern der ehemaligen österreichisch - ungarischen Monarchie, bringen.

Den darstellenden Geschichten einzelner Familien haftet zumeist ein allzu dilettantischer, zu stark chronikalischer Charakter an. Fleiß und sorgsame Drucklegung, immer unter großen materiellen Opfern der Verfasser und Herausgeber durchgeführt, verdienen aber doch besondere Anerkennung, wie etwa bei Gerstmanns Geschichte des Geschlechts Hasenclever ( 473). Eine reizvolle Sonderuntersuchung hat der greise Staatssekretär Graf Arthur Posadowsky- Wehner angestellt in seiner Arbeit über »Die schlesischen Habdanks. Ein Beitrag zur Urgeschichte der Grafen Posadowsky-Wehner, Freiherrn von Postelwitz« (110 S., 4°), deren angeblich normannischem Ursprung und deren weitverzweigter Wappengemeinschaft er nachgeht. -- Der baltische Adel ist auch nach seiner Unterdrückung und Vertreibung um seine Geschichte eifrig bemüht geblieben. So hat das Geschlecht Stackelberg sein in jahrzehntelanger Arbeit sorgsam gesammeltes Urkundenmaterial auf deutschen Boden gerettet und hier, auf seinem ostpreußischen Besitz Schönfeld, durch Otto Magnus Freiherrn von Stackelberg zu einer darstellenden Geschichte verarbeiten lassen, deren vorliegender erster Band ( 489) in einer fesselnden und von warmer Liebe zu Volk und Heimat durchpulsten Erzählung bis 1558 führt. -- Gleich dem preußischen Minister Posadowsky hat sich sein bayerischer Kollege und Altersgenosse -- beide sind 1845 geboren --, Kultusminister a. D. v. Landmann, in seinen hohen Jahren noch liebevoll mit der Geschichte seiner Familie befaßt und sie in einer vortrefflich geschriebenen Arbeit zur Darstellung gebracht ( 478). Eine aus dem Elsaß stammende, in der Kurpfalz und in Hessen durch drei Jahrhunderte bewährte Beamten- und Gelehrtenfamilie behandelt Philipp Webers »Unsere Familie« ( 497). -- Die drei namhaften Genealogen Kekule v. Stradonitz, v. Gebhardt und v. Arnswaldt haben sich in einer Veröffentlichung zusammengefunden, die der Ahnentafelforschung Bismarcks ( 467) gewidmet ist. Kekule steuert darin eine Untersuchung »Über das Wappen der Mencken« bei, v. Gebhard veröffentlicht neue Untersuchungen zur Geschichte der Familie Böckel, und von Arnswald verfolgt die Gandersheimer und Braunschweiger Ahnenfamilien Witten, Bütner, v. Getel, Rörhand, Löhneysen usw.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)