VII. Personennamen.

Was die Elwertsche Verlagsbuchhandlung in Marburg i. H. veranlaßt hat, Vilmars »Deutsches Namenbüchlein« ( 712) neuerdings unverändert herauszugeben, ist eigentlich nicht recht einzusehen. Denn auch der, dem es bloß um »belehrende Unterhaltung« zu tun ist, wünscht heute schließlich doch mehr, als Vilmar im Jahre 1865 zu bieten vermochte. Freilich wäre das Übel noch größer gewesen, wenn der Verlag den Herausgeber dieser Auflage mit einer Neubearbeitung betraut hätte; denn die von R. Homburg in eckiger Klammer beigefügten Zusätze sind mit wenigen Ausnahmen verfehlt, ja geradezu lächerlich, so wenn H. in »Dollfuß« (d. i. »Klumpfuß«) das Adj. »toll« sucht oder »Bornscheuer« (d. i. »Brunnenhäuschen«) durch »Bauernscherer«


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übersetzt und noch hinzufügt: »Vgl. Bauernschreck«. Berichtigend sei festgestellt, daß Kurzformen, die durch Weglassung der ersten Silbe entstehen, durchaus nicht aufs Niederdeutsche beschränkt sind, wie ja die oberdeutschen Rufnamen Hias, Toni, Brosi u. a. m. beweisen; und auch die Namen »Wagner« und »Binder« können ebensogut österreichischer wie niederdeutscher Herkunft sein. Zum Namen »Schelhorn« vgl. R. Much in der »Sudeta« [Zs. f. Vor- u. Frühgesch.] II, 67 und bzgl. »Wiethase« verweise ich auf die daleminzischen Vićazi, urk. vithasii (vgl. E. Schwarz, Zs. f. slav. Phil. II, 104ff.).

Demgegenüber liegt in Bahlows Studie ( 723) eine gediegene, fruchtbare Untersuchung vor. Sie stützt sich auf die Urkunden, Rechnungsbücher und Handschriften von Liegnitz aus den Jahren 1250--1399 und behandelt sowohl die Taufnamen und die auf sie zurückgehenden Familiennamen als auch die Gewerbe- und Amtsbezeichnungen. Die alte Einnamigkeit hat sich in L. bis in die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrhunderts gehalten. Seit 1350 nehmen durch den Einfluß der Kirche die fremden Vornamen ganz bedeutend zu. Die genetivischen Familiennamen des Typus Conradi und Mertyns halten sich im Gegensatz zu Norddeutschland in Schlesien nicht. Bemerkenswert ist auch die Feststellung, daß »Opitz« nicht slavisch sein muß (vgl. tschech. opice »Affe«), sondern sehr häufig auf der alten Kurzform »Apizzo« beruht, die in den Urkunden mit der Vollform »Albrecht, Olbrecht« wechselt. Besprochen durch A. Götze, Zeitschrift für Ortsnamenforschung III, 231/2.

Neben ingävonischen Spuren in den nordhannoverschen Ortsnamen glaubt Zahrenhusen ( 719, vgl. o.) solche auch in den Personennamen seiner Heimat zu finden, und zwar in dem t und i der Namen »Tietke, Tiedemann, Tibbe« (zu altsächs. thiod »Volk«), in dem t von »Tamme, Tamke, Tante« und in dem e von »Ehlers, Elvericus« neben »Ahlers, Albericus« usw. -- Der kleine Beitrag von Buchner ( 716) enthält zwar fast keine urkundlichen Belege und nur schlagwortartige Namendeutungen, daneben aber immerhin manche für Kultur- und Wirtschaftsgeschichte wertvolle Hinweise; ich nenne z. B.: Himmelstoß, Windstoßer, Wadler (drei alte Bezeichnungen für »Landstreicher«) oder Koster, Kurer (= amtlicher Lebensmittelprüfer). Ein zweiter Teil dazu ist in den Bll. d. bayer. Landesvereins f. Familienkunde [München 1926] H. 1/3 erschienen. --Wentscher ( 722) gibt einen kurzen Auszug aus einer Untersuchung über die 620 Rufnamen der in den Jahren 1552--1600 von der Görlitzer Buchmacherinnung aufgenommenen Lehrlinge. Die Beschränkung auf den kurzen Zeitraum und auf Namen von ungefähr gleichaltrigen Knaben war Absicht; der Verfasser gewann aus ihnen ein ziemlich einheitliches Kulturbild, das den Übergang von der alten katholischen Überlieferung zur evangelischen Bibelgläubigkeit erkennen läßt.

Hier ist auch die bereits besprochene Übersicht von Brückner ( 724) nochmals zu nennen, da in ihr abgesehen von der gelegentlichen Erwähnung einiger slavischer Personennamen auf S. 5--8 Richtigstellungen zu mehreren von Jegorov falsch gedeuteten Familiennamen beigebracht werden. Es handelt sich dabei um mecklenburgische Adelsnamen wie »Schorlemer, Suckow, Barnekow, Parkentin« und um die Feststellung, daß der Schweriner Bischof Brunward (1195--1228) kein Slawe gewesen ist. Bemerkenswert, wenn auch nicht recht überzeugend scheint mir die Behauptung, daß »die zahlreichen Iwane, die gerade für den mecklenburgischen Adel charakteristisch sind, für den Kenner


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nur den alten Zusammenhang mit dem Westen (Westfalen, Flandern) beweisen«, weil deutsche Iwane vom 11. bis 13. Jahrhundert im Hennegau und am Oberrhein nachzuweisen seien.

Ein Aufsatz A. Goetzes ( 716 a) handelt von »Alemannischen Namenrätseln«. Im ersten Teil wird die Auffassung des Familiennamens »Staehelin, Stehlin, Stoelli« als verkleinernde Kurzform zu den althochdeutschen, mit stahal »Stahl« zusammengesetzten Namen wie Stahalgôz usw. abgelehnt und ihre Entstehung aus dem einem Schmied oder Schlosser gegebenen Beinamen Stehelîn »Der Stählerne« angenommen. Der zweite Teil behandelt die eigenartige, in manchen Gegenden noch heute erhaltene Sitte, für alle Kinder stets den gleichen Vornamen zu wählen und sogar mehrere Geschlechter hindurch an demselben Vornamen festzuhalten, woraus sich nach G. verschiedene Differenzierungen dieser Namen ergeben.

Much ( 694) lehnt die von Edw. Schröder (Zs. f. deutsch. Altert. LXI, 59 f) vorgeschlagene Verknüpfung des Namens der inschriftlich bezeugten Göttin Harimella mit dem in der Umgebung von Lüttich zweimal vorkommenden Ortsnamen »Hermalle« (779 Harimalla) ab, weil sich der Göttinnenname von dem niederrheinischen Frauennamen Fledimella nicht gut trennen läßt, während Harimalla ebenso wie Theotmalli (= Detmold) mit malla < germ. madla »Versammlungsplatz, Gerichtsstätte« zusammengesetzt ist, vgl. angelsächs. heremeðel »Volks-, Heeresversammlung« < germ. harimaþla. Die Entstehung des Ortsnamens ist erst für die fränkische Zeit vorauszusetzen und nicht für die ältere, tungrische.


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