Im einzelnen nennen wir zunächst für die sächsische Zeit Folgendes. E. Schlumpf ( 867) möchte, was sich freilich im einzelnen schwer beweisen läßt, in der Vita Wiborada Hartmanns im wesentlichen das verlorene Werk Ekkehards I. sehen, das Hartmann nur vollendet und etwas überarbeitet habe. Den Erweiterungen der späteren Vita Hepidans und in den Casus s. Galli Ekkehards IV. mißt er keinen geschichtlichen Wert zu. Eine andere, umfangreiche Veröffentlichung aus Anlaß des


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Wiborada-Jubiläums ( 1940) hat uns nicht vorgelegen. -- Aus der kurzen allgemeinen Übersicht von R. L. Poole ( 100, s. oben S. 261) mögen hier die beiden guten Tafeln zu den Einsiedler Annalen für die Zeit Ottos I. vermerkt werden. -- Das Wesen der Gandersheimer Nonne Hrotsvit, »der ersten deutschen Dichterin«, von deren Leben uns nur ihre Werke Kunde geben, hat K. Brandi ( 2381) anschaulich gezeichnet. Eine italienische Arbeit über ihre Dramen ( 654) war uns nicht zugänglich. -- Die Echtheit beider Fassungen des dunklen, aber für die Zustände Oberitaliens um die Mitte des 10. Jahrhunderts, namentlich die Stimmung zwischen dem 1. und 2. Zuge Ottos des Großen, sehr wichtigen Polypticum quod appellatur Perpendiculum des Bischofs Atto von Vercelli († vor 964) vertritt St. Banner ( 868) mit Recht gegen die im übrigen auch für ihn sehr grundlegende Untersuchung und Übersetzung von G. Goetz.

Die gute Neubearbeitung der Übersetzung der Hamburgischen Kirchengeschichte Adams von Bremen durch S. Steinberg ( 1935) wird namentlich den Studierenden und weiteren Kreisen der Geschichtsfreunde und der Heimatforschung willkommen und nützlich sein. Zu der Einleitung hat B. Schmeidler, dessen Ausgabe der Übersetzung natürlich zugrunde liegt, eine Untersuchung über Adams Leben beigesteuert, in der er im Zusammenhang mit seiner ausgedehnten stilvergleichenden Untersuchung der Briefbücher und Urkunden dieser Zeit die schon früher von ihm vermuteten Beziehungen Adams zu Bamberg zu stützen und greifbarer zu gestalten sucht. Daß es sehr schwer ist, »fast nur durch Stilkritik das Schrifttum dieser Männer, die im Leben und in ihren Schriften viele Berührungen miteinander gehabt haben, sicher auseinanderzuhalten«, wird von ihm stark unterstrichen. -- Mit einer vielbehandelten Adam-Stelle hat es die eingehende Untersuchung über den Limes Saxoniae von Hermann Hofmeister ( 570) zu tun, dessen öfter von seinen Vorgängern oder doch den zuletzt üblichen Deutungen abweichende Erklärung der Örtlichkeiten die neue Übersetzung noch nicht berücksichtigen konnte. Die Arbeit ist besonders wertvoll durch die rücksichtslose Kritik, mit der sie mit vielen haltlosen Vermutungen aufräumt, und durch die Methode ihrer geographisch-archäologischen Darlegungen. Dagegen bietet, was über die Geschichte des Limes und über die Urkunde Heinrichs IV. von 1062 gesagt wird, Angriffspunkte. Daß erst Ludwig der Fromme 818 die Anlage habe in Angriff nehmen lassen, beruht auf einer Mißdeutung der fränkischen Annalen, nach denen sie vielmehr zweifellos älter ist und deshalb ohne Bedenken auch noch in die letzten Jahre Karls des Großen fallen kann.

Auf dem Wege der Stilvergleichung kommt B. Schmeidler ( 870) für den viel umstrittenen Verfasser der Vita Heinrici IV. imperatoris auf einen Diktator der Kanzlei Heinrichs IV. (den Mainz-Speirer Diktator), den er, besonders in Stücken des Codex Udalrici, aber auch der Hannoverschen und einer St. Emmeramer Sammlung, zunächst im Dienst des Erzbischofs Sigfrid von Mainz, seit Ende 1075 im Dienst des Königs, seit 1077 auch im Diktat zahlreicher Urkunden, verfolgt und dem er gerade »viele der wichtigsten und bedeutendsten Stücke« zuerkennen möchte, wie das Wormser Absetzungsschreiben an Gregor VII. und andere Stücke von 1076, das Absetzungsdekret von Brixen 1080 und den Brief des Kaisers an Philipp I. von Frankreich Anfang 1106, einen Mann, der nach ihm gewiß ein treuer und hervorragender Diener seines Herrn, aber auch »ein großer Betrüger Zeit seines Lebens« war. In seinem inzwischen erschienenen


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Buch über »Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit« (Leipzig 1927) hat Schmeidler seine sehr anregenden Ausführungen noch breiter begründet und in einigem schärfer gefaßt.

Die fortgesetzte, oft tief eingreifende Umgestaltung der Chronik des Leo von Monte Cassino in den 3 späteren Fassungen rührt nach Wilhelm Smidt ( 871) nicht von Leo selber, sondern erst von seinem Fortsetzer Petrus Diaconus her, dem er insbesondere alles zuweist, was auf die Normannengeschichte des Amatus zurückgeht; die Fassung 2, die allein zugleich die Fortsetzung des Petrus enthält, rückt er dementsprechend zeitlich an die letzte Stelle hinter 3 und 4.

Eine Reihe meist kleinerer Arbeiten beschäftigt sich mit niederlothringischen und benachbarten Quellen des 11. und 12. Jahrhunderts. Die älteste Vita der heiligen Godeliva von Ghistelles († 30. Juli, anscheinend 1070) hat M. Coëns ( 872) zum erstenmal gedruckt und ihren Verfasser Drogo als Mönch von Bergues-Saint-Winnoc, wie es schon Holder-Egger vermutete, erwiesen. Eine anscheinend zusammenfassende Behandlung der hagiographischen Literatur des 11. Jahrhunderts aus Flandern und Niederlothringen (B. de Gaiffier d'Hestroy S. J., L'Hagiographie dans le marquisat de Flandre et le duché de Basse-Lotharingie au XI siècle, nur auszugsweise gedruckt in: École nationale des Chartes. Positions des thèses soutenues par les élèves de la promotion de 1926, Paris, Alph. Picard 1926, S. 45--54) ist uns nur aus einer Erwähnung in der Revue belge de philologie et d'histoire V (1926), 259 bekannt. -- Zu dem Text der Vita des Grafen Karl von Flandern († 1127) von Galbert von Brügge schlägt P. Thomas ( 886) einige beachtliche Verbesserungen vor. Außer dem ausdrücklich als Werk des Reiner von St. Laurentius in Lüttich bezeugten Triumphale Bulonicum, der Erzählung von der Wiedereroberung der Burg Bouillon 1141, nimmt K. Hanquet (»'Triumphus' et 'Triumphale', deux œuvres de Renier de Saint-Laurent«, in Nr. 213, I, 181--188) auch dessen Vorlage, den anonym überlieferten Triumphus sancti Lamberti de castro Bullonio, für denselben Verfasser in Anspruch. Die Vergleichung beider Werke besonders in stilistischer Beziehung wäre noch genauer erwünscht. -- Mit gewichtigen Gründen spricht J. van Mierlo S. J. den bekannten Verfasser der Trophées du Brabant, Christophorus Butkens († 1650) als den Fälscher der auch früher schon verdächtigen Chroniken eines angeblichen Nicolaus Alta Terra oder Hoogland, Abtes von Middelburg 1330, und eines angeblichen Zisterziensers Alberich van ter Doest (Albericus Thosanus, † 1286) an (»Eene reeks valsche kronieken van Christophorus Butkens«, Analecta Praemonstratensia II, 1926, S. 60--81 und 113--138). Gedruckt sind daraus (aus der Chronik des Nikolaus) ein Leben des Abts Andreas von Averbode († 1166) und ein Leben eines angeblichen heiligen Arnikius († 1208), die man beide nun endgültig aus der Reihe der echten Quellen streichen muß.

Daß die deutsche Kaiserchronik erst um 1150, nicht in ihrem Hauptteil bereits vor 1131, abgefaßt ist, bleibt nach M. Lintzel ( 873) auch dann bestehen, wenn sie dem Verfasser des deutschen Rolandsliedes bekannt war. Denn dieses dürfte, wie Lintzel mit älteren sehr ansprechend annimmt, nicht in die Zeit Heinrichs des Stolzen um 1131, sondern erst in die Zeit Heinrichs des Löwen um 1170 gehören.

Justus Hashagen ( 105) würdigt die elsässische Geschichtschreibung der


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Stauferzeit, den Ligurinus, der freilich nicht sicher gerade dem Elsaß zugewiesen werden kann, Gunther von Pairis als Verfasser der Geschichte des 4. Kreuzzugs, den er mit Sturm von dem Ligurinus unterscheidet, und die Marbacher Annalen, als eines der stärksten »unter den vielen und festen Banden, die das Elsaß unter den Staufern mit der deutschen Zentralgewalt verknüpfen«. Allen gemeinsam ist, bei aller sonstigen Verschiedenheit, entsprechend der starken, geistigen Abhängigkeit von Otto von Freising und entsprechend den Verhältnissen, in die sie gestellt waren, eine doppelseitige vermittelnde und darum in sich nicht widerspruchslose Haltung; sie hängen »durchweg mit aufrichtiger, ja warmer und begeisterter Verehrung« an ihrem Herrscherhause, sind zugleich aber auch fromme und ergebene Söhne der Einen römischen Kirche. »Die eigentliche Problematik der Geschichtschreibung im staufischen Elsaß war«, so sagt H. mit Recht, »nicht nationalpolitischer, sondern kirchenpolitischer Art«, mit Recht, denn »die französische Frage« war damals für das Elsaß noch keine Frage (die Stelle des Lig. VI 390, die auf G. Frid. III 12 zurückgeht, gehört doch nicht in diesen Zusammenhang). -- Die Beziehungen zwischen den Quellen des 3. Kreuzzuges beschäftigen wieder die Forschung. Nachdem H. Steinacker ( 881) die durch M. Kaufmann auf Veranlassung von A. Chroust (s. N. A. 46, 1925, S. 292 f.) neu belebte Erörterung weiter geführt hat, hat auch K. Zimmert ( 880) noch einmal dazu Stellung genommen. Beide stimmen der (von Steinacker auch schon selbständig vermuteten) Annahme zu, daß T (der unter Tagenos Namen von Aventin gedruckte Bericht) erst von Aventin im wesentlichen auf Grund der Chronik des Magnus von Reichersberg angefertigt ist, weichen aber sonst im einzelnen mehr oder weniger voneinander und von früheren Aufstellungen ab. Steinacker möchte auch, was doch nicht erwiesen erscheint, die Historia Peregrinorum statt um 1194 erst 1213/15 ansetzen. Die im Erscheinen begriffene neue Ausgabe aller dieser Stücke in den MG. von Chroust, wird hier voraussichtlich weitere Klärung bringen. -- Hier mag auch die astrologische Weissagung auf das Jahr 1186 (zuerst bei Rigord von St. Denis) erwähnt werden, in der Fritz Baer ( 910), der dabei auch andere Stücke ähnlicher Art bespricht, eine alte Apokalypse aus der Zeit der letzten Kämpfe zwischen Byzanz und den Persern oder der ersten Kämpfe mit dem Islam erkennt und an deren Zurichtung auch nach ihm der Jude Johann von Toledo beteiligt ist.


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