II. b) Urkunden. Briefe. Rechtsquellen.

Als besonders erfreulich ist ein neuer Halbband der Diplomata der MG. zu verzeichnen ( 172), in dem noch Harry Breßlau, zuletzt unterstützt von P. E. Schramm, die gemeinsam von ihm und dem ihm im Tode noch vorangegangenen H. Wibel bearbeiteten Urkunden Heinrichs III. bis 1047, bis zum Abschluß des 1. Italienzuges, in 204 Nummern hat vorlegen können. Trotz der schweren Schläge, die die Abteilung der Salierurkunden erst durch den 1922 erfolgten Tod ihres langjährigen Mitarbeiters und dann durch den Heimgang ihres Leiters erlitten hat, ist bei dem Stande der Vorarbeiten der Abschluß des Bandes mit Einleitung und Registern und den Fälschungen wohl in absehbarer Zeit zu erhoffen. Wenn auch nur gelegentlich noch ein ungedrucktes Stück, wie Nr. 182 für S. Salvator zu Settimo, darunter ist, so bedarf doch die Wichtigkeit dieser Veröffentlichung keines weiteren Wortes. -- Das Urkundenbuch der Erfurter Stifter und Klöster von A. Overmann ( 196) bringt an Königsurkunden nur


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eine Konrads II. von 1030 (DK. II. 150), dafür aber, neben einigen neuen Papsturkunden des 13. Jahrhunderts (Innocenz III. vom 16. Januar und vom 15. März 1206 betr. Veßra, usf.), um so mehr Urkunden der Mainzer Erzbischöfe seit der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts (darunter z. B. eine unbekannte Adalberts I. von 1132).

Zu den Kaiserurkunden des 10.--12. Jahrhunderts liegen eine Reihe von Einzeluntersuchungen vor, die teils an die Monumenta-Ausgabe anknüpfen, teils mittelbar oder unmittelbar als Vorarbeit für sie dienen. Zum Ottonianum von 962 ist auch hier auf die an anderer Stelle (S. 185 u. 424) gewürdigte Untersuchung von E. E. Stengel ( 1894) über die Entwicklung des Kaiserprivilegs für die römische Kirche hinzuweisen. -- Eine verlorene echte Urkunde Heinrichs IV. von 1058 möchte K. Helleiner ( 392) aus einem der gefälschten österreichischen Freiheitsbriefe erschließen. -- A. Brackmann ( 397) zeigt, wie das umstrittene Diplom Heinrichs IV. für Hirsau von 1075 zwischen 1080 und 1090 verfälscht wurde, nachdem Abt Wilhelm 1079, nicht schon 1075, sein Kloster an Cluni angeschlossen und reformiert hatte; er weist dabei darauf hin, wie die deutschen Reformer und insbesondere Wilhelm nicht von Anfang an, sondern erst allmählich politische oder kirchenpolitische Folgerungen aus ihren Bestrebungen gezogen haben und wie selbst Gregor VII., »nicht von vorneherein als 'Revolutionär' fertig, sondern durch die Tradition gebunden«, 5 Jahre, bis 1080, gebraucht habe, um seine praktische Politik in Einklang mit seinem 1075 proklamierten System zu bringen. -- Die Fälschung Lothars III. für Kloster Hillersleben aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, der aber eine echte Urkunde desselben Kaisers von 1135 zugrunde liegt, wird von E. von Ottenthal ( 403) zusammen mit den andern, zum Teil ebenfalls verunechteten Hillersleber Stücken von 1096--1221, meist Halberstädter Bischofsurkunden, behandelt. -- Hans Hirsch ( 390) ermittelt Ort und Zeit der Entstehung mittelalterlicher Fälschungen (14./15. Jahrhundert bzw. 1329/41) auf den Namen Ottos III., Lothars III. und Konrads III. für zwei Adelsfamilien von Piacenza. In einer zweiten Arbeit ( 391) erweist er von zwei angezweifelten Urkunden Konrads III. für S. Ambrogio in Mailand von 1129 wenigstens die eine, von ihm erstmalig gedruckte als echt; mit Recht deutet er auf die Möglichkeit, man möchte sagen Notwendigkeit einer politisch gerechteren Beurteilung des italienischen Unternehmens des Gegenkönigs hin. Auf Konrad und die durch ihn veranlaßten Unruhen in der Lombardei 1129 ff. deutet D. Germain Morin auch den Schluß einer Mailänder Synodalrede eines Abtes Ubert (von St. Simplician?), die er in den Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens N. F. 12 (g. R. 43), 1925 (München 1926), S. 1--13 veröffentlicht hat. -- Fedor Schneider ( 174) druckt aus ehemals Veroneser Überlieferung, die sonst z. B. Aufschluß über die Familie des Gegenpapstes Cadalus gibt, 8 teilweise auch anderweitig bekannte Stücke von 1018--1184, darunter Urkunden Heinrichs IV. und Friedrichs I. sowie eine Urkunde des Welfen Heinrichs (des Schwarzen) von 1100 aus Este und 3 bei Hübner noch nicht verzeichnete Placita von 1018, 1034 und 1077. -- H. Zatschek ( 393) zeigt die Verwendung von »Formularbehelfen« in der Kanzlei Konrads III., die auch schon den Codex Udalrici kannte, und Friedrichs I. und verfolgt dabei das Eindringen des »päpstlichen Formulars« in die deutsche Königsurkunde. -- Die Urkunden der Kaiserin Constanze, der normannischen Gemahlin Heinrichs


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VI., hat R. Ries ( 178), dessen Heidelberger Dissertation über Constanze leider ungedruckt geblieben ist, in 127 Nummern von 1191--1198 verzeichnet und mit sorgsamen kritischen Ausführungen begleitet. W. Holtzmann hat dazu ein paar Stücke beigesteuert und eins davon, für S. Maria del Patir bei Rossano an andrer Stelle ( 175) gedruckt.

Die kleine von Ch. H. Haskins ( 385) besprochene Briefsammlung aus Bologna von Anfang des 12. Jahrhunderts, die mit Albert von Samaria zusammenhängt und bald nach 1130 in Frankreich vermehrt wurde, enthält u. a. einen Brief eines A. an Bonizo von Sutri und dessen Antwort darauf, ein Gesuch des Abtes von St. Faustinus (Nibriensis) an Papst Innocenz II. und die Antwort des Papstes sowie einen Brief des Grafen H. (lies wohl N., gemeint ist Wilhelm) von Flandern an König Ludwig VI. von Frankreich von 1127/28, den Haskins allerdings ebenso wie die beiden zuletzt vorher genannten Stücke für fingiert ansieht.

Um den Verfasser des von Herbert Meyer neu herausgegebenen Mühlhäuser Reichsrechtsbuches bemüht sich R. Scheithauer ( 1589) ohne haltbares Ergebnis.

P. Kehr ( 883) teilt ein Mandat Ottos IV. in Sachen des Domkapitels von Padua von 1212 mit, W. Holtzmann ( 177) ein andres Mandat desselben Kaisers von 1210 in einem Streit eines Ravennater Stifts mit Sinigaglia und einige Urkunden Friedrichs II. und Konrads IV. in unteritalischen Angelegenheiten. Angelo Mercati ( 885) weist für die Urkunde Friedrichs II. für S. Pellegrino delle Alpi in Garfagnana von 1239 mit 3 inserierten Urkunden Heinrichs VI. eine zweite Überlieferung nach. Aus dem von Fedor Schneider ( 1545) behandelten Formelbuch des Bolognesers Petrus de Boateriis (Anfang des 14. Jahrhunderts) kommen hier eine Legitimationsurkunde Friedrichs II. und einige Stücke des Kardinallegaten in den Marken und Spoleto Peter Capocci (1249/51) in Betracht.

Zur Lübecker 700-Jahrfeier ist eine gute Abbildung des kaiserlichen Freiheitsbriefes von 1226 (und zwar die Ausfertigung unter Wachssiegel) mit Abdruck des Textes (aber nicht derselben Fassung) und deutscher Übersetzung veröffentlicht worden ( 887).

Für die Urkunden Friedrichs II. ist auch auf die umfassende Sammlung der Dokumente zur Geschichte der Kastellbauten dieses Herrschers und seines ersten angiovinischen Nachfolgers durch das Preußische Historische Institut in Rom hinzuweisen, deren 2. Band, Apulien und die Basilicata behandelnd, jetzt Eduard Sthamer ( 181) vorlegt. Er gibt, wie der Herausgeber betont, ein recht deutliches Bild der Bautätigkeit in Unteritalien während des 13. Jahrhunderts. Die große Masse des Materials gehört allerdings ganz überwiegend, und hier in der Regel vorher ungedruckt, erst Karl I. von Anjou an, dessen persönlicher Anteil an manchen dieser Bauten darum auch ganz anders deutlich hervortritt. Für Friedrich II. handelt es sich nur um bekannte Stücke aus dem Register von 1240. -- Mit der Überlieferung der Konstitutionen von Melfi 1231 beschäftigt sich E. Sthamer ( 1544). Auch die griechische Übersetzung scheint danach nicht die reine Urform des Gesetzbuches nach Umfang und Reihenfolge darzustellen, sondern es scheint überall da, wo irgendwie in der Überlieferung Abweichungen in der Reihenfolge auftreten, mit nachträglichen


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Einfügungen gerechnet werden zu müssen, auch wenn es sich dabei um ältere, vor 1231 erlassene Gesetze handelt. Die Schwierigkeiten und Probleme, die mit den Konstitutionen Friedrichs II. verbunden sind, berührt Sthamer ebenso wie die Register desselben auch in seinem Überblick über die Aufgaben der Geschichtsforschung in Unteritalien ( 1543).

Die erst in den letzten Jahrzehnten bekannt gewordenen neuen Akten zum Frieden von S. Germano von 1230, »die uns tief in die Vorverhandlungen einführen« und Winkelmanns Darstellung »in wesentlichen Punkten völlig umstoßen«, hat Karl Hampe ( 180 und 888) zusammen mit den altbekannten abschließenden Beurkundungen und einigen andern Stücken in einem handlichen Oktavbande der MG. neu herausgegeben und mit sachkundigen Anmerkungen erläutert. So läßt sich jetzt das Hin und Her des diplomatischen Spiels leicht überblicken, das ähnlich offen selten in so früher Zeit sich unsrer Erkenntnis erschließt. Die Ausgabe enthält neben den Akten des erst seit 1910 gedruckten Perusiner Registers und des römischen Hauptregisters Papst Gregors IX., die zusammen ihr Hauptstück ausmachen, die Briefe des Legationsregisters des päpstlichen Unterhändlers Thomas von Capua (aus der Reimser Handschrift) und weitere Aktenstücke aus Gregors römischem Register zum Gaetakonflikt, der gerade zuletzt noch ein Haupthindernis der Einigung war und erst 1233 seine formelle Erledigung fand, sowie, und darunter auch einiges Neue, die einschlägigen Briefe aus der Summa dictaminis des Thomas und aus einer Pommersfeldener und zum Teil auch aus der Reimser Handschrift eine Anzahl weiterer Stücke zum Ringen um Gaeta, die Hampe als Stilübungen, aber aus der Umgebung des Thomas und nicht ohne eine gewisse Sachkunde, bezeichnet.


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