IV. Dreißigjähriger Krieg.

Eine eingehende Schilderung des Einfalls Ernsts von Mansfeld in Hessen-Darmstadt im Jahre 1622 und seiner militärischen, politischen und wirtschaftlichen Folgen gibt unter Heranziehung bisher unbenutzter Archivalien Hofferberth ( 1034). Die Haltung Landgraf Ludwigs V., seine Gefangennahme und die Verhandlungen mit ihm stehen im Mittelpunkte der Darstellung. Einige Aktenstücke und Kartenskizzen sind beigegeben.

Vor allem auf den Krieg in der Pfalz beziehen sich auch die besonders auf zeitgenössischen Flugschriften beruhenden Mitteilungen Boehlichs ( 1035) über das Leben Obentrauts. Nach Beendigung des pfälzischen Krieges trat O. 1624 in venetianische Dienste, seit dem Juli 1625 nahm er am dänischen Kriege, und zwar als Generalleutnant Johann Ernsts von Weimar teil. Er fiel am 4. November 1625 in der Schlacht bei Seelze. Seine bedeutenden militärischen Leistungen und die Vornehmheit seines Charakters sind allgemein anerkannt. Seine Berühmtheit läßt es begreiflich erscheinen, daß die Sage sich frühzeitig seiner bemächtigte, als »Deutscher Michel« aber wird er in keiner Quelle des 17. Jahrhunderts, sondern zuerst in Zieglers historischem Labyrinth von 1701 bezeichnet.

Die umfangreichste Veröffentlichung zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, die das Berichtsjahr gebracht hat, ist das Werk von Quazza ( 1040). Mit fabelhafter Gründlichkeit verfolgt er, vor allem auf Grund der reichen Bestände des Archivs der Gonzaga in Mantua, aber auch einzelner genuesischer und Mailänder Archivalien alle Wandlungen der Politik und Kriegführung der europäischen Mächte während des mantuanischen Erbfolgekrieges. Für uns ist vor allem wichtig, was er über die Haltung des Kaisers und der einzelnen am kaiserlichen Hofe maßgebenden Persönlichkeiten, über den außerordentlich starken spanischen Einfluß dort, über das Verhalten Wallensteins und über die kaiserliche Kriegführung in Italien berichtet. Wir erfahren hier sicher viel Neues, wenn der mantuanische Erbfolgekrieg auch bisher in der Literatur wohl nicht in dem Maße vernachlässigt worden ist, wie der Verfasser annimmt. Ein Kapitel des Werkes ist natürlich auch dem Kurfürstentage zu Regensburg von 1630 gewidmet. Die Mitteilungen über die Politik des Vatikans auf diesem Tage, die Russo ( 1041) bringt, waren Referenten leider noch nicht zugänglich.

Eine Reihe von Beiträgen haben wir zur Geschichte Gustav Adolfs erhalten. Eine Vorbedingung für dessen Eingreifen in den deutschen Krieg war der Abschluß des Waffenstillstandes zwischen Schweden und Polen. Die langwierigen


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Verhandlungen darüber von 1626 bis 1629 werden von Hadlich ( 1038) eingehend geschildert. An der Beteiligung des Kaisers und Spaniens, Englands und Frankreichs an diesen Verhandlungen wird deutlich, daß es sich um eine Frage der allgemeinen Politik handelte. Besonders war aber Georg Wilhelm von Brandenburg als Herzog von Preußen an der Beilegung des Streites interessiert. Er nahm daher auch neben den Holländern die Vermittlung in die Hand.

Eine Gesamtwürdigung Gustav Adolfs bemüht sich Milch ( 1042) in seinem gewandt geschriebenen Büchlein zu geben. Er behandelt einerseits die Frage, was der König für Schweden getan hat, andererseits die, warum er nach Deutschland gezogen ist und worin seine Leistungen für Deutschland bestanden haben, und legt dabei weniger Wert auf Darstellung der Einzeltatsachen als auf psychologische Motiven- und Charakterforschung. Dabei steht er allerdings wohl etwas stark unter dem Einfluß der dichterischen Werke, die im Anhang neben den historischen zitiert werden. Der Historiker wird manches Fragezeichen machen, manchen Satz zum mindesten als ungenau bezeichnen müssen.

Vom militärischen Standpunkt gibt Pickel ( 1043) eine Darstellung der Kämpfe an der alten Veste bei Nürnberg, die er merkwürdigerweise auf den 22. bis 25. August heutiger Zeitrechnung verlegt, und kritisiert sie auch von heutigen militärischen Gesichtspunkten aus. Seine auf genauen Terrainstudien beruhende Auffassung erscheint einleuchtend, weniger seine Betrachtungen über die Person Wallensteins. Einige zeitgenössische Berichte über die Schlacht werden im Anhang abgedruckt.

Ausgehend von einem Bettelgedicht des Jonas Glockel aus Niederbayern über die Lützener Schlacht untersucht Srbik ( 1044) die Quellen über diese Schlacht und Gustav Adolfs Tod, gibt auf Grund der so gewonnenen Auffassung eine Schilderung der Schlacht und macht schließlich wahrscheinlich, daß der in jenem Gedichte genannte Herr von Scharffenstein, der dem König den ersten Schuß beibrachte, Musketier eines Braunerschen Regiments war, während ein Leutnant Falkenberg von den Götz-Kürassieren ihm den tödlichen Schuß durch den Kopf versetzte.

In einem sehr angenehm zu lesenden Buche führt von Boehn ( 1039) das Leben Wallensteins weiteren Kreisen vor. Die Grundauffassung kann man wohl billigen, Einzelheiten sind, da keinerlei Quellen genannt werden, schwer nachzuprüfen, doch werden so zweifelhafte Dinge wie die Begründung des Eingreifens Gustav Adolfs aus in erster Linie politisch-egoistischen Gründen und die Zurückführung des Brandes Magdeburgs auf Falkenberg mit allzu großer Bestimmtheit vorgetragen. Der Verfasser neigt dazu, ideale Motive für politische Handlungen der Menschen zu leugnen, alles auf egoistische Beweggründe, auf Streben nach Geld und Besitz zurückzuführen. Die Ausstattung des Buches ist sehr hübsch, Schlachtenpläne und Portraits, auch Faksimiles einiger für Wallensteins Geschichte wichtiger Urkunden schmücken es.

An weiteren biographischen Darstellungen aus der Zeit des großen Krieges ist ein Werk von Krebs ( 1046) über den Feldmarschall Hatzfeld zu nennen. Das nach dem Tode des Verfassers von Maetschke herausgegebene und mit einer über Hatzfeld orientierenden Einleitung versehene Werk ist die Fortsetzung des 1910 erschienenen die Jahre 1593--1631 umfassenden Bandes. Es behandelt mit großer Gründlichkeit die Ereignisse der Jahre 1631--1636, soweit


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Hatzfeld an ihnen beteiligt war, und ist zunächst kriegsgeschichtlich von Wert. Außerdem erhalten wir lehrreiche Einblicke in die Gegensätze innerhalb der kaiserlichen Partei, und auch die Bemerkungen über die Katastrophe Wallensteins sind von allgemeinem Interesse. Die Anmerkungen bringen zahlreiche Belegstellen aus zeitgenössischen Briefen und Aktenstücken, doch wird leider bei vielen nicht gesagt, woher sie stammen. Von den in den Beilagen enthaltenen Spezialuntersuchungen sei besonders auf die über die Schlacht bei Wittstock verwiesen.

Geyso ( 1033) führt seine in Band 54 der Zeitschrift des Vereins für hess. Gesch. begonnenen Untersuchungen zur Politik und Kriegführung Hessens von 1630 bis 1640 zu Ende. Im Mittelpunkt der Darstellung steht Landgraf Wilhelm V., den der Verfasser sehr hoch stellt, während er über die meisten andern deutschen Fürsten der Zeit und vor allem über den gesinnungslosen Melander von Holzappel sehr absprechend urteilt. Bei der Beurteilung Oxenstiernas weicht er auch vielfach von Kretzschmar ab.

Beller ( 1048) unterrichtet auf aktenmäßiger Grundlage über die Teilnahme des englischen Diplomaten Roe an der Hamburger Konferenz von 1638 bis 1640. Roe trat besonders eifrig für die Wiederherstellung der Pfalz ein, wurde aber sehr gelähmt durch den Egoismus aller andern Mächte, die schwankende Politik Karls I. und durch die beginnende Revolution in Schottland. Sein Ziel, ein Bündnis zur Wiederherstellung der Pfalz konnte Roe unter diesen Umständen nicht erreichen, nur ein Vertrag mit Dänemark kam am 6. April 1639 zustande. Manches Licht fällt auf die Politik der einzelnen Mächte, besonders ihr großes gegenseitiges Mißtrauen.

Von lokalhistorischen Untersuchungen aus der Zeit des Krieges seien die von Schmidt und Ritter erwähnt. Schmidt ( 1051) setzt seine bereits 1895 veröffentlichten Studien über die Schicksale der Stadt Hannover im Dreißigjährigen Kriege fort und behandelt jetzt die Zeit von 1626 bis 1648. Hannover hatte das Glück, bis 1632 von Besatzungen verschont zu bleiben, dann erst wurde es durch Truppen Georgs von Lüneburg besetzt. Dieser machte die Stadt zu einer starken Festung und zu seiner Residenz, was für diese den Verlust ihrer Selbständigkeit, aber auch manche Vorteile zur Folge hatte. Sie scheint auch jetzt nicht allzuviel vom Kriege zu leiden gehabt zu haben, doch erfährt man nicht sehr viel über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse. Eine Anzahl meist noch ungedruckter Aktenstücke werden im Anhang abgedruckt.

Die Ratsrechnungen sind es in erster Linie, die Armgard Ritter ( 1052) ermöglichen, ein Bild von dem Einfluß des Dreißigjährigen Krieges auf die Stadt Naumburg a. S. zu entwerfen. Sie schildert die politische, wirtschaftliche und geistige Lage der Stadt vor dem Kriege, gibt einen Überblick über die Kriegsereignisse, die erst von 1631 an, dann aber auch wiederholt Naumburg berührten, und handelt schließlich ausführlich über die Wirkungen des Krieges. Die Bevölkerungszahl sank auf 48,8 Prozent, die Stadt sowohl wie ihre Bewohner waren durch die Einquartierungen usw. sehr mitgenommen, der Konkurs von 1647 war aber doch schon in einer gewissen Mißwirtschaft vor dem Kriege begründet. Ein neuer Aufschwung wurde durch den Verfall des Peter- Paul-Marktes und des Brauwesens, der Haupteinnahmequellen der Stadt, sehr erschwert. Das geistige und sittliche Leben sind im ganzen durch den Krieg nicht besonders stark gehemmt worden.


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Zu der Frage nach den wirtschaftlichen Folgen des Krieges liefert Mayer ( 1794) einen Beitrag. Sein Grundgedanke ist, daß die Konkurse vom Ende des 16. Jahrhunderts nur die großen Gesellschaften trafen, die zwar für den Bergbau und die deutsche Wirtschaft überhaupt anfangs manches geleistet hatten, sich dann aber durch ihre internationalen Geschäfte dem deutschen Wirtschaftsleben entfremdeten. Daher war ihr Niedergang für die deutsche Wirtschaft von keiner entscheidenden Bedeutung. Erhalten blieb die mittelalterliche Stadtwirtschaft. Sie wurde erst durch den Dreißigjährigen Krieg zerstört. -- Zum Schlusse sei noch die Dissertation von Stöwesand ( 1045) erwähnt. Sie schildert zwar nur das Leben eines Privatmannes, ist aber kulturgeschichtlich recht interessant und liefert durch die Zergliederung der Werke Stockmanns auch einen Beitrag zur Quellenkunde der Zeit.


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