§ 20. Deutsche Geschichte von 1740--1815.

(H. Weigel.)

Auch in dem Berichtsjahre 1926 ist die Zahl der Erscheinungen zur Reichsgeschichte von 1740--1786 äußerst gering. Sie wird für die vierziger Jahre eben noch gestreift in den Arbeiten von Lodge ( 1102), der eine Episode aus dem Kampf Englands gegen den russischen Kanzler Woronzow schildert, in den der englische Geschäftsträger in Berlin verwickelt ist, von Fleury ( 1101), der eine einfache Erzählung des Lebens der französischen Offiziere während der Feldzüge von 1740--1748 in Bayern, Italien und Flandern gibt, von Boye ( 1079), an dessen Darstellung des Hofes Stanislaus Leszczynskis uns nur die Persönlichkeit des Marschalls Belle-Isle interessiert. Dann führt uns sofort in die Spätzeit des 18. Jahrhunderts die Darstellung der Politik Mecklenburgs von Beste- Benthen ( 1106). Bedingt durch drei Faktoren -- die lebensnotwendige Verbundenheit mit der Existenz des Reiches, die Lage zwischen Preußen, Hannover und Schweden, die zugunsten des Adels durch den landesgrundgesetzlichen Vergleich von 1754 beschränkte Macht des Herzogs --, erschöpft sich die Politik M.s in dem Bestreben, zugleich zu Preußen und zu Österreich gute Beziehungen aufrechtzuerhalten und die landesherrlichen Rechte auszudehnen. Letzterem diente das Bemühen um ein Privilegium de non evocando illimitatum. Das erstere machte zur Zeit Josefs II. und nach dem Basler Frieden manche Schwierigkeiten. Dazu kam noch die Differenz zwischen einem ehrlichen Reichspatriotismus und den kläglichen Finanzverhältnissen. Der Untergang des Reiches


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hat in den mecklenburgischen Akten keinen Niederschlag gefunden. Die durch die letzte politische Tat des großen Friedrich, den Fürstenbund, hervorgerufene »wenig umfangreiche« Publizistik würdigt Pillen ( 1109) nach ihrer Gesamthaltung im Sinn der auf Moralität und Humanität gerichteten Aufklärung und ihrer Stellung zu den Problemen des Staatslebens (z. B. Freiheit, Widerstandsrecht, Verhältnis von Moral und Politik).

Auf der Schwelle zweier Zeitalter steht die Figur des Fürsten Karl Josef von Ligne. In einer elegant geschriebenen Darstellung läßt Oulié ( 1114) das reich bewegte Leben dieses Kosmopoliten aus dem 18. Jahrhundert an uns vorüberziehen, ein Bild des zur Rüste gehenden alten Europas. -- Die Memoiren der Baronin von Oberkirch, gleichfalls einer letzten Vertreterin des Ancien Régime, liegen uns nach den Untersuchungen von Pfister ( 1119) und Hatt (Rev. d'Alsace 73, 375 ff.) nicht im authentischen Text vor.

Die Eigenart der Revolution in dem unfranzösischen Elsaß zeigt Schnerb ( 1120) an dem Beispiel der Stadt Zabern, wo nach dem Sturz der Herrschaft des Straßburger Bischofs der Amtmann Leopold von Maierhofen eine Art Königtum von Zabern einrichten will, zuletzt aber dem gemeinsamen Ansturm der bischöflichen Partei und der Demokraten, sowie dem Eingreifen der Konstituante erliegt. Die Revolution in Straßburg und die durch sie geschaffenen Zustände beleuchten die von Reuß ( 1118) veröffentlichten Briefe an den königlichen Kommissär v. Dietrich. -- Neue Quellen zur Geschichte der Revolutionskriege werden uns erschlossen in den Erinnerungen des Straßburgers Joh. Valentin Haas (Rev. d'Alsace 73, 3 ff.) zum Rheinfeldzug von 1792, zur Belagerung von Mainz (und zu den Ereignissen im Elsaß 1814 und 1815), in den Briefen des Freiwilligen Etienne Gaury ( 1116) aus den Feldzügen 1792 bis 1795 in der Pfalz und am Rhein und in den Briefen des kurpfälzischen Geheimrats Lambert von Babo an die Gräfin Marianne von Oberndorff ( 1122), welche die Haltung des Ministers v. Oberndorff bei der Übergabe Mannheims an die Franzosen 1795 betreffen. -- Die Aufzeichnungen des Nördlinger Konditors Chr. Ammerbacher ( 1153) bieten für die militärische Geschichte der Feldzüge von 1796, 1800, 1805 und 1809 nicht uninteressante Nachrichten; für die Geschichte des Deutschbewußtseins ist nicht ohne Bedeutung der Eintrag zu 1812: »Auch unsere guten Bayern haben dabei stark gelitten und 30 000 Mann eingebüßt; sie starben leider nicht den Tod fürs Vaterland«, sowie die Schilderung des Jahrestags der Leipziger Schlacht. -- Tiefer, an das wichtigste politische Problem des absoluten deutschen Staates führt uns Lorenz ( 1111), »wie mit der absolutistischen Ordnung Leistungen der Staatsnation, d. h. das Aufgebot der Gesamtbevölkerung für den Kriegsdienst, verbunden werden konnte«. Anschaulich und eingehend schildert L. die Volksbewaffnungsversuche in Vorderösterreich 1793--1795, in Tirol 1796--1797, und in Niederösterreich 1797. Es ergibt sich ihm, »daß die Volksbewaffnungen als eine Aufgabe der Verwaltungskunst angegriffen worden seien«; sie sind »organisatorisch betrachtet in Deutschland die ersten Vorboten des modernen Volksheeres; ideengeschichtlich gesehen leiten sie die letzte Phase des monarchischen Absolutismus in Mitteleuropa ein; denn in ihnen wird die Idee der österreichischen Staatsnation lebendig und erhärtet, die erst nach 1849 der Idee der 'Kulturnation' erliegt«. -- In der vielerörterten Frage des Rastatter Gesandtenmordes glaubt Henche ( 1125) aus der Korrespondenz des nassauischen Gesandten


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v. Kruse nachweisen zu können, daß eine österreichische Stelle geheime Anweisung zur Gefangennahme bzw. Unschädlichmachung der französischen Gesandten gegeben habe. -- Eine ausführliche und klare Darstellung der Schlacht von Stockach 1799 gibt Pfeiffer ( 1126), hauptsächlich auf Gachots Werk über die Feldzüge von 1799 fußend; den Sieg der Österreicher schreibt er den hohen Eigenschaften Erzherzogs Karl als Mensch und Feldherr, sowie den Fehlern Jourdans zu.

Der mit Campo-Formio akut gewordenen Frage nach dem Fortbestehen des Reiches bemächtigte sich die -- private wie offiziöse -- Publizistik. Schulz ( 1127) führt die in ihr erwogenen Lösungsmöglichkeiten vor: Erhaltung des Reichszusammenhangs, sei es mit starker kaiserlicher Spitze, sei es als Union mit oder ohne Präsidialmacht, oder Ersetzung des Reiches, sei es durch eine Süddeutschland oder Süd- und Westdeutschland umfassende Republik, sei es durch zwei Kaisertümer Österreich und Preußen neben einem Triasbund. Die Frankfurter Union von 1805 hat in der politischen Literatur keinen Niederschlag gefunden. -- In die Franzosenzeit der Pfalz und Rheinhessens führt uns die in jeder Beziehung, nach Darstellung und Methode vorzügliche und vorbildliche Arbeit Springers ( 1117). Auf Grund der in Speyer und Darmstadt liegenden Akten und umfangreicher Literatur (über 400 Titel) erbringt er den Beweis, daß die Bevölkerung wohl die Revolution ersehnte, weil sie von ihr die Beseitigung mancher Mißstände erwartete, daß sie aber bis 1802 die Rückkehr der alten Gewalten erhoffte und von einer zisrhenanischen Republik oder gar von Einverleibung in Frankreich nichts wissen wollte. Die französische Verwaltung suchte seit der grauenhaften und doch wenig ergiebigen Tätigkeit der »Ausräumungskommission« im Plünderwinter 1793--1794 zwei sich widersprechende Ziele zu vereinigen: Ausnützung des Landes für die Bedürfnisse der Armee und innere Gewinnung der Pfälzer für die Ideen der Revolution und für Frankreich. Bei dem Vorrang des ersteren Momentes erzielten selbst Merlin von Diedenhofen und Hoche hinsichtlich des zweiten nur geringe Erfolge. Die Verwaltung des Generalkommissars Rudler (1797--1798) bedeutet für die Pfalz den Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert, soweit Rechtspflege, Wirtschaft und soziale Fragen in Betracht kommen; jedoch verhindern seine Personalpolitik und seine Kirchenpolitik eine innere Angleichung der Pfalz an Frankreich; die Adressen der Pfälzer für Anschluß an Frankreich vom Jahre 1798 sind nach Sp.s Forschungen eine von den Besatzungsbehörden eingeleitete Stimmungsmache mit kümmerlichem Erfolg. Rudlers Nachfolger sind unfähige Vollfranzosen; im Herbst 1799 steht die Pfalz vor dem Aufruhr: rheinische Vendée. Da kommt Napoleon und mit ihm eine neue Zeit, verkörpert in dem Präfekten Jeanbon St. André. Er erreicht das eine Ziel, Flüssigmachung von Geldern für die Politik Napoleons, in hohem Maße; er scheitert mit dem andern, Angleichung an Frankreich. Der Pfälzer fühlt sich kulturell als Deutscher; er sieht wohl in den Franzosen die Befreier vom Feudalismus und in Napoleon den großen Soldaten und den Schöpfer des Code. Aber der Kampf gegen die deutsche Sprache und die wirtschaftlichen Nöte (Rhein-Zollgrenze) verschärfen besonders seit 1809 den Gegensatz, bis 1814 der Tag der Befreiung erscheint.

Das einzige Napoleon-Buch des Berichtsjahres aus der Feder Vallentins ( 1141) bietet als Ergänzung zu seiner großen Darstellung (Napoleon 1922)


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in neun Betrachtungen um Napoleon das, was man neuerdings »Wesensschau« zu nennen pflegt. Ich hebe, um die philosophisch-konstruktive, individualistische und paneuropäische Eigenart dieses Buches zu kennzeichnen, einige Sätze heraus. »Er (Napoleon) ist jener naturhafte, universale (von der christlich-humanen Zivilisation) ungespaltene Urgeist, der den großen antiken Menschen, den Menschen allseitiger Bildung und Wirkung machte. Er hat sich selbst den großen Gründern der antiken Reiche, Cäsar, Augustus und Diokletian angeglichen. Und er ist damit eben jener Geist, jener leibgewordene Geist, den Hölderlin und Nietzsche als die einzige und letzte Rettung aus dem allgemeinen Chaos einer ebenso entgötterten wie entkörperten Welt wiesen.« Er ist der »große Mittelmeermensch«. »Er ist -- der letzte leibhafte Sproß des antiken Lebensgeistes und -geblütes, die Wiedererscheinung des im christlichen Weltalter verlorengegangenen europäischen Typus leibgeistiger Einheit, heroischtragischer Unbedingtheit.« »Sein Wesen ist Schöpfung, nicht Haben, nicht Besitz.« In all diesem beruht »eine tiefe Verwandtschaft, ja Wesensgleiche zwischen Napoleon und den Deutschen«, die ihn deshalb ganz allein voll verstehen können.

In seinem Aufsatz über die Annahme der württembergischen Königswürde ( 225) schildert Schneider, wie Kurfürst Friedrich zwischen Reichspatriotismus und Souveränitätsstreben hin und her schwankend, sich in den Verhandlungen vom 30. Sept. bis 4. Okt. 1805 den Franzosen anschließt; wie in den Besprechungen zwischen Talleyrand und Normann noch vor Austerlitz die Erhebung Württembergs zum souveränen Staat und als äußeres Zeichen dieser Wandlung die Annahme des Königstitels verabredet wird; wie die Mediatisierung der Reichsritterschaft, die Aufhebung der Landstände und das Sträuben gegen den Rheinbund die ersten Ausflüsse der neuen Souveränität sind. -- Die von Bräuning-Oktavio ( 1137) veröffentlichten Briefe der Herzogin Luise von Weimar beleuchten u. a. ihre Stellung zur französischen Revolution, ihre Haltung gegenüber dem »furchtbaren Wesen« Napoleon nach der Schlacht von Jena und ihre Einstellung zum Mord an Kotzebue. -- Die wirtschaftlichen und sozialen Erscheinungen der Franzosenzeit im Ermland; d. h. des Jahres 1807 und des Sommers 1812, behandelt Batzel ( 1161) auf Grund umfangreicher Aktenstudien. Aus den Tabellen greife ich einige Zahlen heraus: er beziffert die Kriegsschäden von 1807 auf 10 Millionen Taler und den Bevölkerungsrückgang auf 74%, von 93 000 auf 23 000 Köpfe; 1812 wurden 352 Pferde gestellt und 7203 Pferde requiriert. Die Ausführungen über die Entschädigungen sind ein bezeichnender Beitrag zur feudalen Restaurationspolitik nach 1815. -- Aus den Nachlaßakten des Fürst-Primas v. Dalberg berichtet Huber ( 1128) über das Ende seiner politischen Herrschaft und seine letzten Jahre in Regensburg; er vertieft das Charakterbild dieses menschlich anziehenden Mannes, dessen politische Haltung er mit der des bayrischen Königs und Goethes zu entschuldigen sucht.

In der neueren Literatur über den Freiherrn vom Stein, die Stern ( 1134) bespricht, steht weniger das Reformwerk als die Persönlichkeit im Vordergrund (Ricarda Huch). Steins geschichtliche Werke werden als wertvolle Quelle für seine Staatsauffassung und sein Staatsideal ausgebeutet (Bresslau, Gradenwitz, Botzenhard). Strittig ist noch immer Steins Stellung zum deutschen Nationalgedanken; gegen die Auffassung, daß sein Nationalgefühl eingebettet sei in


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einen europäischen Universalismus (Meinecke), wendet sich die neuere Meinung, die, den Einfluß kosmopolitischer Tendenzen ablehnend, Steins »Europäertum« aus realpolitischen Erwägungen erklärt und den Hauptzweck seiner Politik in der Wahrung der »Nationalität« erblickt (Ulmann, Drüner). Auch eine vergleichende Bewertung, ob Stein oder Bismarck der größere sei, ergibt kein einheitliches Resultat (Neubauer, Lenz, Huch). Einen Beitrag zu diesen »Stein- Fragen« steuert Kallen ( 1135) mit seinem Versuch bei, das Deutsche in Stein hervorzuheben. »Stein ist und bleibt ein Aristokrat, ein Ritter, kein Junker.« Aus seiner Abstammung entspringt seine Religiosität, sein Standesbewußtsein, der in ihm stetig lebendige Gedanke der deutschen Einheit. Die zu seiner Durchführung notwendigen Eigenschaften findet er allein in Preußen; deshalb schließt er sich diesem Staate an. Seine äußere Politik, Befriedigung der Forderungen der französischen Behörden, mußte scheitern. Sie wird ergänzt durch die innere Politik, die »nicht die Organisation der Verfassung, sondern die Vervollkommnung des Menschen, des Trägers der Verfassung«, erstrebt. Die Steinsche Reform steht nach Ursprung, Methode und Geist in entscheidendem Gegensatz zu den Ideen von 1789: nicht das Individuum, sondern die Gemeinschaft ist für Stein das Ausschlaggebende. Aus diesem »Gemeingeist« heraus verlangt er nicht nur den deutschen Staat, sondern auch ein europäisches Staatensystem. Bei allem Mangel an Verständnis für die soziale Frage des vierten Standes zeigt er doch den Weg zu ihrer Lösung: Befreiung durch Eigentum. Die zweite Großtat Steins, die nur seiner dämonischen Natur gelingen konnte, ist, daß er die Befreiung zu einem Freiheitskrieg von Fürst und Volk gemacht hat. Eine scharfe Kritik Meineckes (Hist. Zt. 137, 395) wirft Kallen eine in patriotischem Eifer begangene Vereinfachung des Bildes von Stein vor. -- Das auf den besten Darstellungen aufgebaute, von vaterländischem Geist getragene Buch Estorffs ( 1136) über Scharnhorst legt den Nachdruck weniger auf den großen Feldherrn als auf den edlen Menschen, der vermittels der eingestreuten Briefe lebendig als Vorbild für unsere Tage im Sinn der inneren Erneuerung hingestellt wird. -- In der verdienstvollen Ausgabe der prächtigen Briefe E. M. Arndts aus Schweden an den praktischen Arzt Weigel in Stralsund, besorgt von Gülzow ( 1152), tritt uns Arndt nicht nur als der »hervorragende kulturgeschichtliche Anempfinder« entgegen, sondern auch als der Sucher nach dem germanischen Menschenideal, als der Romantiker voll Begeisterung für das Volkstümliche und voll Liebe zur Natur, als der Staatsgelehrte, der wirtschaftlich-sozial in einem kräftigen Bauernstand (wie in Dalarne), politisch in der monarchischen Einherrschaft, im Einheitsstaat, die Zukunft Deutschlands erblickt. -- Bei der Bedeutung B. G. Niebuhrs für den preußischen Staat und die deutsche Nation stellt die Herausgabe seiner Briefe in der authentischen Form (die von seiner Freundin Dore Hensler besorgte Ausgabe ist in höchstem Grade, ja entstellend überarbeitet) ein hohes Verdienst für Anreger, Verleger und die beiden Herausgeber, Gerhard und Norvin ( 1133) dar. Der erstere gibt in der Einführung ein scharf umrissenes Bild von dem Menschen und seinem Werk. Aus den Briefen tritt uns Niebuhr in seiner Herbheit und seinem Ernste, in seiner von dem doppelten Drang zu praktischer Betätigung und zu wissenschaftlicher Leistung hin und her gerissenen Natur, tritt uns der erfahrene Finanzmann und der Monarch im Reich der Wissenschaften, der bürgerstolze Holsteiner, der an seinem Vaterland hängende

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Däne, der Freund englischen Wesens, der Gegner des Adels und der Demokratie, der Verehrer Steins, entgegen. Nur ganz langsam unter dem Einflusse Steins und unter dem überwältigendem Eindruck der Volkserhebung von 1813 wird N. zum Preußen, der die Eigenart und die Kräfte seines Staates voll erfaßt. Die Ausnutzung des Bandes, der über den Reventlowschen Kreis in Emkendorf und die preußischen Reformer manch Neues bringt, wird durch das Fehlen eines Registers stark behindert. -- In einem von Ulmann ( 1151) mitgeteilten Briefe Max v. Schenkendorfs an die Prinzessin Wilhelmine von Preußen bezeugt er von sich, daß er weder ein leichtbeweglicher Demokrat noch ein erstarrter Aristokrat sei, daß er wohl »Kampf gegen das historische Ungetüm, aber auch Unterwerfung unter Geschichte und Recht gepredigt habe«. -- Eine Ergänzung zu Meineckes »Weltbürgertum und Nationalstaat« und eine Parallele zu Brandts »Politik und Geistesleben in Schleswig-Holstein« bietet Böttiger ( 1129). Er schildert die Wendung von dem stark kommerziell gefärbten Weltbürgertum Hamburgs zur nationalen Idee zuerst an führenden Persönlichkeiten, wie Fr. Perthes, F. Benecke, D. Chr. Mettlerkamp und K. Sieveking, dann die Haltung von Senat, Volk und Patrioten im Jahre 1813, insbesondere die Tätigkeit der letzteren in dem hanseatischen Direktorium.

Kleinere Beiträge liegen vor zur Geschichte des Krieges von 1809. Kerry ( 1143) gibt eine durch den französischen Botschafter in Wien, Graf Flahault, früher Adjutant bei Napoleon, vermittelte Anfrage Thiers an den Erzherzog Karl über die Gründe seines Verhaltens im Feldzuge von 1809 samt der Antwort des Erzherzogs wieder; Thiers hat diese in seinem Geschichtswerk nicht verwertet. --Stiezel ( 1158) und Schladebach ( 1159) bringen Einzelheiten über die Stellung der Bevölkerung zu Schill, über seine Streifzüge, die z. T. der Finanzierung seines Unternehmens dienten, und über die französischen Verluste bei Dodendorf. Voges ( 1157) erklärt einwandfrei den scheinbar sinnlosen Südabmarsch Reubells nach dem Gefecht von Oelper mit der nach den Umständen durchaus berechtigten Ansicht, daß Herzog Friedrich Wilhelm im Lande verbleibend einen Aufstand hervorrufen werde. --Bellocs ( 1146) Darstellung des Feldzuges von 1812 geht auf das Jahr 1912 zurück und gibt den damaligen Forschungsstand wieder. --Marmottan ( 1145) geht von der These aus, daß die Teilung Polens für hundert Jahre das Bindemittel zwischen den drei Ostmächten abgegeben habe; zum Beweis für Österreichs von Anfang an unaufrichtige Haltung im Jahre 1812 führt er einige Eintragungen des Payeur principal von Warschau über Subsidien an den Fürsten von Schwarzenberg während der Monate Juni bis September und einige Stellen aus polnischen Memoiren über die kampflose Räumung Polens im Frühjahr 1813 an.

Die Darstellung des deutschen Freiheitskampfes von Peters ( 1140) umfaßt den Zeitraum von 1806 bis 1815 und steht in wohltuendem Gegensatz zu anderen volkstümlichen, vaterländisch-politischen Darstellungen auf der Höhe der Forschung. -- Den langen Streit um Tauroggen hofft Elze ( 1147) wohl mit Recht zu beenden durch eine scharfsinnige Untersuchung der Quellen und Prüfung der Literatur. »Weder die Seydlitzsche Überlieferung der königlichen Worte 'nach Umständen', noch die Wrangelschen Überlieferungen königlicher Weisungen über eine Trennung und Marsch nach Graudenz beziehen sich auf die Tat Yorks bei Tauroggen. Die Worte 'nach Umständen' sind aus dem Gesamtbereich der Geschehnisse als Einzelheit herausgegriffen, ad hoc in den


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Zusammenhang gestellt und nachträglich auf Tauroggen angewendet worden. Die Weisungen Wrangels bestanden in einem begrenzten Befehl, die russischen Gefangenen von den Franzosen abzusondern und in eine preußische Festung zu schicken. ... In der Erinnerung hat Wrangel nach zwanzig Jahren seinen Auftrag in die Spannungen und Gefahren, wie in die nachträglich eingetretenen Ereignisse verwoben ... Der lange und verschlungene Weg der Forschung führt zur Anerkennung der Selbständigkeit und Verantwortung Yorks zurück, so wie York im Blickfeld seiner Zeitgenossen gestanden hat.« -- Eine andere Streitfrage, die nach dem Oberbefehl bei den Verbündeten Sommer 1813 beantwortet Lauppert ( 1148) dahin, daß in Teplitz zwischen den Verbündeten Abmachungen über den Oberbefehl Schwarzenbergs getroffen wurden, daß er sich prinzipiell auf die drei großen Armeen erstreckte, daß freilich Alexander häufig, so bei Dresden und Leipzig (zum Nachteil der Verbündeten) in die Befugnisse Sch.s eingriff. --Schneider ( 1149) erzählt, wie Württemberg, durch die Geheimhaltung der bayrisch-österreichischen Verhandlungen in eine schwierige Lage gebracht, von einem militärischen Konflikt mit Bayern bedroht, in den Verhandlungen mit Österreich den Anschluß an die Verbündeten vollzog; er widerlegt die Behauptung Treitschkes, daß König Friedrich nach dem Anschluß einen verräterischen Briefwechsel mit Napoleon geführt habe. --Welschingers ( 1150) chauvinistische Darstellung des Rheinübergangs der schlesischen Armee hat keinen wissenschaftlichen Wert. -- Die Ausführungen Anchels ( 1154) über eine von den Juden des Departements Oberrhein geforderte Kontribution sind zugleich ein Beitrag zu den Rüstungen Frankreichs 1814 und zu der bayrischen Verwaltungstätigkeit in dem besetzten Elsaß.


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