III. Außenpolitik 1862--1870.

Onckens große Publikation über die Rheinpolitik Napoleons III. ( 1247 a) beruht auf Akten Österreichs und der deutschen Staaten, wobei das Material bewußt unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der französischen Rheinpolitik ausgewählt wurde. Natürlich geben die Akten darüber hinaus viel Wichtiges zur Beurteilung der außenpolitischen Situation jener Jahre, vor allem für die französische Außenpolitik, wenn auch die französischen Archive selbst nicht benutzt werden konnten. Oncken betont aber mit Recht, daß das von ihm veröffentlichte Material den Charakter der Politik Napoleons III. deutlicher zeige, als das das amtliche französische Material tun kann. Da der französische Kaiser die Außenpolitik sehr persönlich und autokratisch und oft ohne Wissen der eigenen amtlichen Stellen führte, wird seine Politik aus den Berichten der fremden Botschafter und Gesandten, die mit ihm persönlich verhandelten, deutlicher, als etwa aus den amtlichen Instruktionen, die die französischen Diplomaten erhielten, und die vielfach mit der Politik des Kaisers selbst nicht in Einklang standen. Die von Oncken veröffentlichten Akten auch nur andeutungsweise auszuwerten, kann nicht der Zweck unseres Berichtes sein. Die der Veröffentlichung vorausgeschickte große, auch gesondert erschienene Einleitung charakterisiert zusammenfassend die französische Rheinpolitik unter Napoleon III. mit einem Rückblick auf die früheren Jahrhunderte. Oncken betont dabei, daß die Vorgeschichte des Krieges von 1870--71 nicht durch isolierte Betrachtung der Vorgänge des Juli 1870


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zu beurteilen sei, was ja auch für den Juli 1914 gilt. Für die Napoleonische Politik schildert Oncken, wie sie drei politische Linien nebeneinander und in ständigem Wechsel verfolgte: auf der einen Seite ein Zusammengehen mit Österreich, auf der anderen Seite Zusammenarbeit mit Preußen und schließlich drittens das Bestreben, der französischen Stellung eine Stütze in der »Trias«, in den deutschen Mittelstaaten zu schaffen. Das Ziel dabei war, ein einheitliches, starkes Deutschland zu verhindern und Frankreich eine Vergrößerung in Richtung auf den Rhein zu sichern. Freilich möchten wir meinen, daß Oncken in der Einleitung die Zielsicherheit dieser Politik Napoleons und die bewußte Klugheit bei dem Nebeneinander und Wechsel in der Benutzung der verschiedenen deutschen Mächtegruppen etwas überschätzt. Im Grunde war Napoleon, was Bismarck wußte und benutzte, unentschiedener, unentschlossener und schwankender, als das in der Einleitung Onckens zum Ausdruck kommt. Und die von Oncken scharf herausgearbeitete Tatsache, daß Napoleon bald mit Österreich, bald mit Preußen, bald mit den Mittelstaaten zusammenzuarbeiten versuchte, erscheint uns weniger als ein bewußtes und überfeines Spiel, sondern als Zeichen der Unsicherheit Napoleons. An der Beurteilung der Ziele der Napoleonschen Rheinpolitik, die unter dem Druck der öffentlichen Meinung irgendwelche Erfolge erringen mußte, schon um die Stellung der Dynastie zu sichern, ändert das natürlich nichts.

Auf einen Nebenschauplatz der preußischen Politik in den ersten Jahren Bismarcks führen die Briefe des späteren Botschafters v. Radowitz ( 1242 a), die über seine Erlebnisse als Legationssekretär der zum Abschluß von Handelsverträgen nach Ostasien entsandten Delegation berichten. Neben zum Teil plastischer Schilderung der dortigen Verhältnisse ist interessant, daß wir hier die erste Berührung der preußisch-deutschen Diplomatie mit Ostasien kennenlernen, von dessen Verhältnissen man damals in Deutschland kaum eine Vorstellung hatte. Die deutschen Kaufleute in diesen Ländern kamen dem Ziel der Delegation, Handelsverträge abzuschließen, zunächst in keiner Weise entgegen. -- Über die Zusammenkunft des Kaisers Franz Joseph mit Napoleon III. im August 1867 veröffentlicht Joseph Redlich aus dem Wiener Archiv zwei interessante Aktenstücke ( 1252); zunächst das Memorandum von Beust, das die Stellung der österreichischen Regierung zur Zusammenkunft der beiden Herrscher festlegt, dann einen Bericht Beusts über eine Unterredung mit Napoleon. Beide Stücke sind wichtig, nicht nur für Beusts eigene Stellung, sondern auch darüber hinaus für die allgemeine Situation Österreichs nach 1866 und im besonderen für seine Haltung zur deutschen Frage. -- Der Bericht des österreichischen Botschafters von Wimpffen an Beust ( 1255) vom 3. Januar 1870 schildert eine höchst wichtige Unterredung mit Bismarck. Dieser empfiehlt dabei Österreich ziemlich entschieden ein absolutes Regiment, äußert sich über seine Politik 1866 und diplomatisch vorsichtig über das Verhältnis des Norddeutschen Bundes zum deutschen Süden. Bismarck wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen die Möglichkeit einer Einbeziehung der deutschen Teile Österreichs in einen gesamtdeutschen Staat und lehnt den Traum »von einem großen deutschen Kaiserthume«, das auch Deutschösterreich umfaßt, nachdrücklich ab.


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