d. Einzelne Phasen der diplomatischen Geschichte des Krieges.

Abgesehen von der Literatur zum Versailler Frieden, bleiben die Arbeiten meist in den Grenzen von ihr Thema vorläufig bearbeitenden Zeitschriftenaufsätzen. So hat Seton-Watson ( 1429) die Vorgeschichte des italienischen Kriegseintrittes seit Oktober 1914 in einem Aufsatze behandelt, der die Parallelität der Verhandlungen mit Zentralmächten und Entente verfolgt, ohne die Politik des Sacro Egoismo zu verschleiern, an der der Verfasser von seinen südslawischen Sympathien her vielmehr nationale Kritik übt. -- Die Meerengenfrage hat B. Shatzky ( 1432) nach den russischen Materialien in einer Weise behandelt, die die Aggressivität des russischen Dranges nach Konstantinopel allzusehr abzuschwächen sucht. -- Der russische Gesandte in Stockholm, Nekliudow, hat noch einmal das Wort zu den Protopopowbesprechungen ergriffen ( 1434); er bringt einige, immerhin sehr bescheidene, Ergänzungen zu dem dürftigen Bericht seiner Memoiren über das gleiche Thema.

Gegenstand einer lebhaften Diskussion ist in Deutschland wie Italien die päpstliche Friedensaktion von 1917 gewesen, freilich ohne entsprechenden historischen Ertrag. Die Anklagebroschüre des Ritters von Lama ( 1435), die dem Reichskanzler Michaelis in gehässigster Weise protestantische Tendenzpolitik vorwarf, ist durchaus dilettantisch gearbeitet und verkennt die bereits von Fester geklärte Bedeutung der englischen Mitteilung an die Kurie vom 21. August und die Haltung Ribots mit so massiver Naivität, daß das ganze


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weitere Bild dadurch vollkommen verzerrt wird. -- Der Aufsatz von Viktor Bredt ( 1436) zum gleichen Thema beschränkt sich in der Hauptsache auf die innenpolitische Anklage, daß Michaelis bei der Beantwortung der Papstnote den Siebenerausschuß des Reichstages hintergangen habe, in deren Hintergrund freilich auch bei ihm letzten Endes doch die Überschätzung der Friedensmöglichkeiten steht. Wenn er die Differenz zwischen Kanzler und Reichsmehrheit wieder wesentlich zu Lasten der Obersten Heeresleitung schreibt, so beachtet er nicht genug, daß es auch Kühlmann ablehnte, zu Beginn der vermeintlichen Unterhandlungen den Verzicht auf Belgien unvorsichtig aus der Hand zu geben. -- Über die Beurteilung des Salis-Soglioschen Schrittes in Rom durch Kreise der Ententediplomatie, die ihn einfach als Unklugheit ansahen, informiert eine von der Revue d'Histoire de la Guerre mondiale wiedergegebene Zuschrift ( 1439). -- Schließlich hat sich in der Rivista d'Italia eine lehrreiche Polemik über die Neutralitätspolitik der Kurie abgespielt, die A. Lumbroso nach den in diesem Punkte ungenügend informierten Carnets von Louis in zu scharfem Gegensatz zu Frankreich erblickte, während demgegenüber Vercesi ( 1438) nachwies, daß unmittelbar nach Kriegsbeginn eine Fühlungnahme zwischen der französischen Regierung (Poincaré-Viviani) und dem Vatikan stattgefunden habe, die tatsächlich schon den Konflikt zwischen französischer Republik und Rom beendete. Vercesi gibt weiter Ausführungen über die Stellung des Vatikans zum österreichisch-serbischen Konflikt.

Eine sehr begrenzte Teiluntersuchung zu den Ursachen der russischen Revolution ist das Buch von Gogel ( 1440), das in einer sehr bitteren Kritik der Unfähigkeit des russischen Volkes zu nüchterner staatlicher Arbeit mündet. Sein Hauptinteresse beruht auf den Mitteilungen, die dieser hochstehende ehemalige russische Jurist über die Zustände der regierenden Bürokratie macht. Sie enthalten Beiträge zur Kenntnis führender Personen wie Stolypin und Witte und des Charakters der ersten Duma von 1906. --Nowak hat seinen Weg zur Katastrophe ( 1445) in neuer Auflage erscheinen lassen, die trotz Kritik und Fortschritt unseres Wissens unverändert ist, gibt ihr jedoch die ursprünglichen Aufzeichnungen über seine Conradunterredungen und seinen Briefwechsel mit dem Marschall bei, so daß der Band wenigstens Interesse für die Biographie des bedeutenden Heerführers besitzt, indem jetzt nach seinem Tode dieses Material als teilweiser Ersatz für die Nichtvollendung seines großen Erinnerungswerkes wird benützt werden müssen.

Die zweite erweiterte Auflage des deutschen Weißbuches über die Vorgeschichte der Waffenstillstandsverhandlungen veranlaßte Veit Valentin ( 1446) zu einem kommentierenden Aufsatz, der sich Delbrücks Ludendorff- Kritik bestätigend anschließt.

Der dritte Urkundenband der Wilson-Memoiren, die R. St. Baker ( 1447) herausgegeben hat, ist wie seine Vorgänger in dankenswerter, jedoch nicht ganz einwandfreier Übersetzung erschienen. Er bringt Dokumente hauptsächlich zur Geschichte des Versailler Kongresses, denen einleitend Aktenstücke zur Entstehungsgeschichte der Vierzehn Punkte -- von grundlegender Bedeutung für ihre Interpretation im Sinne Wilsons -- und der Völkerbundspläne vorhergeschickt sind. Die Dokumente bringen vielfach schon Bekanntes, während das wichtigste Geheimmaterial, die Protokolle des Viererrates, auch hier fehlen. Immerhin ist auch dieser Band, wenn auch weniger als die beiden Textbände, zur Geschichte


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der Friedensverhandlungen nicht zu entbehren. -- In einem farbenreichen Aufsatz hat H. Waetjen ( 1448) durch seine Charakteristik der großen Vier: Clémenceau, Wilson, Lloyd George und Orlando gezeigt, wieweit sich aus dem bisher vorhandenen Material, insbesondere der Memoirenliteratur, schon in der Geschichte des Friedens zu gesicherten Feststellungen kommen läßt. -- Eine Kritik des Friedens gibt H. Stegemann in seinem letzten großen Werk über das Trugbild von Versailles ( 1449), dessen Sinn er in seiner großzügigen, von strategisch-geographischen Gesichtspunkten beherrschten Weise als Zirkumvallation Deutschlands durch einen Kranz feindlicher Mächte, die der Hegemonie Frankreichs dienen sollen, nachweist. Es ist eine der eindrucksvollsten Darstellungen der realen Kräftebeziehungen des Nachkriegseuropas geworden, die wir besitzen, überall von dem weitgespannten und lebendigem historischen Sinne des Verstorbenen zeugend.


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