e. Militärische Gesamtgeschichte des Krieges.

Gesamtdarstellungen des Themas aus der Feder eines einzelnen sind beschränkt auf populäre Skizzen, die im Urteil sehr zurückhalten und nur an ganz einzelnen Punkten eine beachtenswerte Sonderstellung der Verfasser verraten, so die Überblicke von Frauenholz ( 1451) und von dem norwegischen Oberst G. Schnittler ( 1454), während des Krieges Militärattaché in Deutschland. --Leinvebers Versuch ( 1455), Clausewitzsche Kritik an der Heerführung des Weltkrieges zu treiben, gibt nur eine populäre Kommentierung und Bestätigung der Kritik des Reichsarchivwerkes für den Monat August 1914.

Ertragreicher sind Arbeiten und Studien mit begrenzterer Themenstellung. Der dritte und vierte Band des Reichsarchivwerkes ( 1452) über den Krieg führen bis zum Abschluß der Marneschlacht, die angesichts ihrer entscheidenden Bedeutung eine sehr eingehende Darstellung erhalten hat. Nach Anlage und Art der Kritik den Vorgängern durchaus entsprechend, bestätigen diese beiden Bände, daß der operative Gedanke der deutschen O. H. L. schon am 4. September überholt war; obwohl die Truppe das große Schlachtringen dann doch an den entscheidenden Punkten -- auf dem rechten Flügel bei der I. Armee und im Zentrum der Schlacht an der Grenze von II. und III. Armee -- zum taktischen Siege geführt hatte, veranlaßte das Versagen der O. H. L. durch die unselige Sendung Hentsch den freiwilligen Rückzug. Insbesondere diese Sendung Hentsch hat eine fast zur Sonderuntersuchung anschwellende eingehende Berücksichtigung erfahren, die auch genügend Einblick in das mit großer Gewissenhaftigkeit umfassend herangezogene und kritisch gesichtete Quellenmateral gestattet. -- Bei der Bedeutung der Vorgänge hat eine ganze Reihe wertvoller Aufsätze aus militärischer Feder, ganz überwiegend anerkennend, das Ergebnis dieser neuen Leistung des Reichsarchives gewürdigt. (Groener 1453, v. Mantey 1467, Kronprinz Wilhelm 1469.) Eine Sonderstellung nimmt die zugleich medizinisch und militärisch kompetente Arbeit des Schweizers Bircher über die Marneschlacht ( 1473) ein, der mit der Unbefangenheit des Neutralen vielfach die militärische Kritik des deutschen Werkes energisch verschärft, auch die französische Führung sehr anregend beleuchtet und vor allem die Zusammenhänge des deutschen Versagens mit Überalterung und Krankheit der ausschlaggebenden Führerpersönlichkeiten erschreckend bloßlegt. Eine Alters- und Krankenliste, wie sie hier aufgestellt wird, braucht kaum vor preußischen Verhältnissen im Jahre 1806 zurückzutreten.


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Der technischen Seite des Stellungskrieges hat E. Sesselberg ( 1457) ein inhaltreiches Sammelwerk gewidmet, das lehrreich in die immer größere Komplikation und den steten Methodenwechsel dieser Kriegsform einführt; insbesondere besitzen die beigegebenen Gefechtsbeispiele hohen instruktiven Wert für den, der sich näher mit dieser Periode des Krieges zu beschäftigen haben wird und die Erschwerung der operativen Ideen- und Bewegungsfreiheit in den späteren Kriegsjahren zu würdigen bestrebt ist. -- Eine materialreiche, anregende Biographie Falkenhayns hat E. v. Zwehl ( 1458) geschrieben. Sie sucht liebevoll die Strategie der zweiten O. H. L. gegen die an ihr geübte Kritik in Schutz zu nehmen, ohne doch das Grundbedenken widerlegen zu können, daß die allzu beschränkten Schläge Falkenhayns die langsame, aber sichere Erdrückung durch das feindliche Übergewicht auf die Dauer nicht abwenden konnten. Im einzelnen wertvoll ist die hier gegebene Geschichte des Verdunangriffes. Nicht genügend erkannt und beachtet ist der starke politische Ehrgeiz Falkenhayns, seine Rolle als Gegenspieler Bethmann Hollwegs. -- Rein populär ist die Lebensbeschreibung v. d. Goltz' von Schmiterlöw ( 1459); auch die mitgeteilten Kriegsbriefe des Feldmarschalls sind rein persönlicher Art und mit den in der Deutschen Rundschau gedruckten belgischen Aufzeichnungen an Interesse nicht zu vergleichen; nur auf das Menschliche geben sie hie und da anziehende Blicke, wie auch die Biographie im ganzen. -- Ebenso ist die Lebensbeschreibung des Generalobersten Frhr. v. Hausen von Brabant ( 1475) für die Geschichte des Krieges wenig inhaltreich, da die mitgeteilten Feldzugsbriefe an seine Gattin nur die sympathische Menschlichkeit des sächsischen Heerführers widerspiegeln. Der Verfasser weist darauf hin, daß außer dem schon bekannten Buche Hausens über den Marnefeldzug noch eine umfassende fachmilitärische Niederschrift des Generals über die Zeit seines Oberkommandos existiert, deren Druck in Aussicht genommen ist. Historisch nicht uninteressant sind aus der Friedenslaufbahn des Generals die Mitteilungen über die Schwierigkeiten, die ihm als sächsischen Kriegsminister die partikularische Abneigung des Dresdener Ministeriums gegen Berlin machte, Reibungen, in denen der Soldat Hausen durch den Zwang der militärischen Notwendigkeiten zum überzeugten Vertreter der preußisch-sächsischen Militärkonvention wurde, die nach seinem Zeugnis von Preußen mit größtem Takt und größtem Entgegenkommen gehandhabt worden ist.


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