I. Allgemeines.Ein sehr wertvolles Hilfsmittel zur
Orientierung in der weit zerstreuten jüngsten Literatur über das deutsche Archivwesen bietet eine
Literaturübersicht von L. Groß (
43) über die Fülle der seit dem Jahre 1907 erschienenen
einschlägigen Publikationen. Sie behandelt in wohlabgewogener, kritischer Darstellung die allgemeine deutsche
Archivliteratur sowie das Schrifttum der einzelnen deutschen Territorien einschließlich Österreichs. -- Auf
die Frage: Was ist Archiv --, was Bibliotheksgut? hat J. Striedinger (
44) mit begrifflicher Schärfe und mit starker Überzeugungskraft
für den Archivar geantwortet, gegen seine Ausführungen ist freilich aus den Kreisen der Bibliothekare heraus
Widerspruch laut geworden (vgl. Zentralbl. f. Bibliothekswesen, 1928, S. 321). Uns scheint es ersprießlicher,
statt des Trennenden das Gemeinsame zu betonen und über allen Ressortpartikularismus hinaus den Möglichkeiten
wechselseitiger Anregung und gemeinsamer Arbeitsziele nachzugehen, wie ja auch das Ausland grade in seinen
größten Instituten, etwa den Londoner und Pariser Zentralstellen, die bei uns vorherrschende scharfe
Scheidung zwischen Archiv und Bibliothek nicht kennt. Ein dankbares Objekt für die Zusammenarbeit von Archiven und
Bibliotheken wäre z. B. ein gemeinsam aufzustellendes und regelmäßig fortzuführendes Verzeichnis
der Nachlässe aller Art, die sich durch das Spiel des Zufalls bald hier bald dort finden: für personal- und
wissenschaftsgeschichtliche Studien würde damit ein wertvoller Dienst geleistet werden. Eine nützliche
Vorarbeit hierfür ist vor einigen Jahren durch ein Verzeichnis der in den deutschen Staatsarchiven sich findenden
politischen Nachlässe geliefert worden, das im Berichtsjahre durch eine Liste der in den österreichischen
staatlichen Archiven beruhenden politischen Nachlässe ergänzt worden ist (
58). Ein durch Archive und Bibliotheken gemeinsam herzustellendes
Nachlaßverzeichnis hätte freilich genauere Angaben über den Inhalt und damit eine besondere Art von
Inventaren zu bieten, die auch Müsebeck in einer anregenden Studie über die Publikation von
Inventaren des Aktenmaterials zur neuesten Geschichte als erwünscht bezeichnet (
1356). M. äußert darüber hinaus noch den Wunsch, es
möchten durch Zusammenarbeit der deutschen Archive für einheitliche, wichtige Forschungskomplexe Sachinventare
aus den verschiedenen Registraturen hergestellt werden, da die Masse des unaufhörlich in die Archive
einströmenden Materials Führer durch dieses notwendig mache, die in kritischer und zuverlässiger Form nur
mit der Zielrichtung auf bestimmte wissenschaftliche Probleme
S.170 geboten werden könnten. -- Die Diskussion über die Beziehungen zwischen Staats- und Stadtarchiven, die, im wesentlichen an die preußischen Verhältnisse anknüpfend, im Berichtsjahre gepflogen worden ist ( 45 u. 45 a), zeigt erneut, wie sehr es des seit langem erstrebten Archivgesetzes bedarf, um Anschauungen und Forderungen der Vertreter von Staats- und von Stadtarchiven auf gemeinsamer Rechtsbasis in Einklang zu bringen. |
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