I. Theorie.

C. Schmitt, »Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus« ( 2439 a) ist in 2., um eine ausführliche Vorbemerkung über den Gegensatz von Parlamentarismus und Demokratie bereicherter Auflage erschienen. Schmitt wendet sich in dieser Vorbemerkung gegen Rich. Thoma, der ihm vorwirft, daß er die geistige Grundlage des Parlamentarismus in veralteten Gedankengängen fände, weil er Diskussion und Öffentlichkeit für die wesentlichen Prinzipien des Parlaments halte. Heute stehe das Parlament auf ganz anderen Grundlagen. Demgegenüber sagt Sch., er sehe nicht, worin der Parlamentarismus eine neue Grundlage finden könne, wenn die Prinzipien der Diskussion und der Öffentlichkeit entfallen. Die von Thoma vertretene Anschauung sei dadurch entstanden, daß nicht klar zwischen Parlamentarismus und Demokratie unterschieden werde. Ihre Verquickung habe die Krise des Parlamentarismus herbeigeführt. Durch den gemeinsamen Kampf gegen den fürstlichen Absolutismus


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wurde die Erkenntnis des Gegensatzes zwischen dem von moralischem Pathos getragenen liberalen Individualismus und dem von wesentlich politischen Idealen beherrschten demokratischen Staatsgefühl aufgehalten. Heute aber trete der Gegensatz zutage. Nur aus den alten Gedankengängen heraus lasse sich das Spezifische des Parlamentarismus erkennen, nur durch sie erhalte der Parlamentarismus den Charakter einer eigenartig fundierten Institution, die sowohl gegenüber den Konsequenzen der unmittelbaren Demokratie als gegenüber dem Bolschewismus und Faszismus eine geistige Überlegenheit wahren könne.

Die gemeinverständlich geschriebenen Büchlein von Koellreuter ( 1649) und Heller ( 1650) in »Jedermanns Bücherei« sind mit ihren scharfen Definitionen außerordentlich geeignet, »jedermann« einen Überblick über Entstehung und Entwicklung der politischen Ideen und der politischen Parteien bis zur Gegenwart zu geben. Vor allem haben sie ebenso wie Schmitt das Verdienst, die Unterschiede der Begriffe wie Liberalismus und Demokratie wieder scharf herauszuarbeiten, deren Verwischung im Sprachgebrauch letzten Endes auf falsche politische Bahnen führt.

Koellreuter behandelt Begriff, Wesen und Organisation der politischen Parteien. Deutschland steht im Vordergrund, doch ermöglicht der Überblick über die historische Entwicklung in England und den Vereinigten Staaten lehrreiche Vergleiche mit dem Parteiwesen dieser Länder. Im dritten Kapitel ist in acht Abschnitten die Typisierung der politischen Parteien durch die Parteilehre aufgezeigt, beginnend mit Friedrich Rohmer über Stahl und Treitschke zu den die Gegenwart beherrschenden, im Gegensatz zueinander weltanschaulich und soziologisch orientierten Parteilehren Radbruchs und Max Webers, dessen Definitionen der »Weltanschauungs-, ständischen und Klassenpartei und der Patronagepartei« den Sieg davon zu tragen scheinen.

Im letzten Teil, »Das Verhältnis der politischen Parteien zum Staat«, haben besonderes Interesse die Feststellungen, die Koellreuter auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre macht: 1. für den heutigen Parteiführer ist das Programm in den Hintergrund getreten, die Organisation der Partei ist das Machtmittel, dessen er sich zur Erreichung seiner politischen Ziele bedient. 2. Der Idee nach soll der Abgeordnete den Volkswillen vollstrecken. Die Verhältniswahl zerstört aber das für die Erhaltung der Demokratie wichtige Verhältnis zwischen Abgeordneten und Wähler und gibt den Wähler der Parteimaschine in die Hand. 3. Die Reichsregierung ist bisher noch nie durch ein Mißtrauensvotum zum Rücktritt gezwungen worden. Nicht das Parlament, sondern die Regierung entscheidet heute, wann sie das Vertrauen des Parlaments nicht mehr besitzt. Die politische Initiative ist vom Parlament an die Regierung übergegangen, und nicht mehr der Reichstag, sondern die Ausschüsse, in erster Linie die Parteiführer allein mit der Regierung sind heute die entscheidende Instanz. Koellreuter kommt hinsichtlich des Ausartens des Führertums in Oligarchie zu dem gleichen Ergebnis wie Michels (vgl. Jahresber. 1925, S. 353): es sei die Frage, ob die politischen Parteien imstande sein werden, die geeigneten Führer für das Volk wirklich herauszustellen. »Daß das Führerelement, der Cäsarismus in ihnen heute eine entscheidende Rolle spielt, ist nicht zu bestreiten.«

Heller, der Schüler Radbruchs, bewegt sich in ähnlichen Gedankengängen wie Koellreuter, in der Einzelauffassung bemerkenswert teilweise von


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ihm abweichend. Er stellt sich die Aufgabe, die politische Ideenbildung einer konkreten historischen Situation, der deutschen Gegenwart, darzustellen. Die Hauptabschnitte sind: der monarchische, demokratische, liberale, nationale und sozialistische Ideenkreis. Hervorgehoben sei hier seine Ausführung, wie stark heute die monarchische Idee mit der nationalen identisch sei. Man meine in den meisten Fällen nicht die Monarchie, sondern wie bei der Begeisterung für Friedrich den Großen den starken Mann: »Wie sehr die nationale Idee den monarchischen Legitimitätsanspruch überwältigt hat, zeigte sich am 5. Mai 1925, als der repräsentativste Offizier des monarchischen Heeres den Eid auf die republikanische Verfassung leistete.« Dankenswerterweise sind am Schlusse die Bilder der wichtigsten Vertreter der »Ideenkreise« wiedergegeben, unter ihnen auch weniger bekannte wie Fr. L. Stahl.


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