I. Wirtschaftswissenschaft.

Mit einem der frühesten wirtschaftstheoretischen Bahnbrecher beschäftigt sich eine scharfsinnige akademische Abhandlung von Stampe ( 1664), mit Charles Dumoulin (Carolus Molinaeus), der in seinem zuerst Paris 1546 erschienenen Tractatus commerciorum (auch contractuum) et usurarum eine neue Lehre vom Geld aufgestellt hat, die Jahrhunderte hindurch von nachhaltigstem Einfluß gewesen ist. Das wesentliche ist, daß er die Zahlkraft des Geldes grundsätzlich nach seinem valor extrinsecus bemißt, aber daß er darunter nicht, wie die Nominalisten, den durch Gesetz beigelegten Zahlwert versteht, sondern die Kaufkraft, gemessen am Kursverhältnis gegen anderes Geld oder andere Werte. Die Kaufkraft muß nach M. mit der Zahlkraft völlig übereinstimmen und entsteht nur durch Verkehrsübung (communis usus), nicht durch decretum principis. Die neue kühne Auffassung fußt auf einem gesunden Verständnis für die Anforderungen des praktischen Lebens und auf den bösen Erfahrungen, die Frankreich mit der Münzpolitik seiner Könige seit Philipp IV. gemacht hat.

Herm. Conring, den bedeutenden Polyhistor des 17. Jahrhunderts, will Zehrfeld ( 1663) als Begründer der Universitätsstatistik, trotz Achenwall, anerkannt wissen. Conring hat jedenfalls als erster 1660 die theoretische und praktische Staatenkunde und Staatenbeschreibung zum akademischen Lehrgegenstand erhoben, ihren Gegenstand scharf umgrenzt, ein System der Darstellung geschaffen, die Fragen der Erkenntnismittel und Erkenntnisquellen methodisch erörtert und als Quellen neben privaten Sammlungen und Aufzeichnungen auch amtliches Material, so als neues Aufzeichnungen und Berichte von Gesandten, herangezogen. Für die Geschichte der Statistik ist besonders wichtig seine Bevölkerungslehre, der denn auch die Hälfte der vorliegenden Schrift gewidmet ist. Conring hat sich hier vor allem ein methodisches Verdienst erworben, indem er seine Untersuchungen ziemlich allseitig auf Quantität und Qualität, Gliederung und Bewegung der Bevölkerung erstreckt, auch bevölkerungspolitische Einzelfragen, wie die Versuche Spaniens, seine Unterbevölkerung zu heben, behandelt, und zwar mit anschließender Kritik. Materiell kommt natürlich noch nicht viel heraus, die Gliederung nach Berufen und Nationalitäten ist noch recht oberflächlich, die Bevölkerungsbewegungen durch Geburt und Tod sind kaum beachtet, mehr die durch Wanderung, das Zahlenmaterial ist begreiflicherweise noch allzu dürftig.

Die Einwirkungen der großen wirtschaftstheoretischen Systeme des 18. Jahrhunderts auf Deutschland behandeln mehrere Schriften. Die Lehren der Physiokraten praktisch durchzuführen, hat bekanntlich der Markgraf Karl Friedrich von Baden-Durlach einen Versuch mit drei Dörfern gemacht; sein Berater hierbei war Joh. Aug. Schlettwein (1731--1802), den er 1763 von Jena als Leiter seiner Kammer berufen hatte und der wohl als der hervorragendste unter den spärlichen Vertretern dieser Lehre in Deutschland von Klaus Schmitt gewürdigt wird ( 1665). Der Versuch mit dem »Schlettweinschen System« ist, wie man weiß, nicht gelungen, war doch der Gedanke, einen kleinen Bezirk eines Staatsgebietes wirtschaftspolitisch isoliert zu behandeln, an sich zu theoretisch. Der Urheber verließ darauf seine Stellung (Ende 1773) und wirkte seither als Dozent


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an verschiedenen Universitäten, durch zahlreiche Schriften und sein bestes Werk »Politische Ökonomie«, in dem die physiokratischen Forderungen zur Handels-, Gewerbe- und Agrarpolitik zusammengefaßt sind.

Das System von Adam Smith ist erst spät in Deutschland verbreitet worden, und zwar hauptsächlich durch die Wirksamkeit, im besonderen die Lehrtätigkeit des Königsberger Kameralisten Chr. J. Kraus († 1807). Dessen Bedeutung für die Volkswirtschaftslehre behandeln zwei Schriften, und sie kommen dabei zu abweichenden Ergebnissen. Denn Dobbriner ( 1666), die auch sonst verbreitete Ansicht bestätigend, will K. lediglich als Bahnbrecher für das Werk eines Größeren, den er auch erst, wie nachgewiesen wird, seit 1794 sich völlig zu eigen gemacht habe, anerkennen, nicht als Präger eigener Gedanken; seine erst nach seinem Tode herausgegebene »Staatswirtschaft« -- der als Lehrer höchst einflußreich wirkende Mann hatte eine Abneigung gegen eigene Veröffentlichungen -- sei in ihren vier ersten Teilen nur eine Überarbeitung von Smith' Hauptwerk, der fünfte enthalte die praktische Anwendung für den preußischen Staat. Milkowski dagegen ( 1667) möchte K. darüber hinaus eine selbständige Note zuerkennen, da ihn eine andersgerichtete Weltanschauung, eine romantische Einstellung, vermöge deren er die Bezeichnung eines »materialistischen Romantikers« verdiene, vom Angelsachsen unterscheide; ferner wegen der bedeutenden Einwirkung, die er durch den Einfluß seiner Lehren und seiner Schüler auf die preußische Reform ausgeübt. Diese Tatsache wird auch von der anderen Seite rühmend hervorgehoben; das andere Argument, um die Bedeutung von K. zu erhöhen, wirkt nicht ganz überzeugend.


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