III. Merkantilismus.

Hildegard Lullies ( 1799) hat in einer Dissertation versucht, die verstreuten Nachrichten über die Handelspolitik Friedrichs des Großen zu einem Bilde zu vereinigen. Die Absicht war nicht zeitgemäß, da die Publikation der Acta Borussica über die friderizianische Handels-, Zoll- und Akzisepolitik vor dem Abschluß steht; zudem ist die ältere Literatur nicht genügend ausgewertet, so daß mehr Ungleichmäßigkeiten und Lücken vorhanden sind als nötig war, und schließlich ist es nicht geglückt, zu einer brauchbaren zusammenfassenden und abwägenden Überschau zu gelangen.

Einen eng umgrenzten Teil der Fridericianischen Wirtschaftspolitik behandelt Lohmann ( 1861), er schildert die Besiedelungspraxis und besonders die Landwirtschaft in dem urbar gemachten Oderbruch, ihre Rentabilität, das Kreditwesen, die Besitzverteilung und den Besitzwechsel. Die vorangeschickten allgemeinen Ausführungen sind nicht ganz glücklich; zumal einige vom Verfasser als »kleine wenn auch sehr instruktive Abschweifung« bezeichneten Bemerkungen über die Handelsbilanz der Kurmark sind, auf unzulängliches Material gestützt, ganz unrichtig. -- Einen Beitrag zur preußischen Merkantilpolitik gibt auch Lehne ( 1855) mit einer Abhandlung über die Einführung der französischen Glacéhandschuhmanufaktur durch Refugierte. Die aus verschiedenen Archiven geschöpften Nachrichten lassen erkennen, daß die französische Handschuhmacherei seither zwar in verschiedenen Städten betrieben wurde, die Glacégerberei aber nur in Erlangen, bis es 1762 gelang, sie mit königlicher Unterstützung auch nach Halle zu verpflanzen.

Den österreichischen Merkantilismus behandelt Kaser ( 1790) in einem inhaltreichen Abriß, der den Nachweis führen soll, daß die habsburgische Monarchie nicht nur durch äußere Zufälle, dynastische Politik und Türkengefahr entstanden ist, sondern in hohem Maße auch durch wirtschaftliche Notwendigkeiten, genauer durch die wirtschaftsfördernde Tätigkeit der Herrscher. Die klassische Formel der österreichischen Einheitsidee des Staates hat Hörnigk, einer der drei -- übrigens fremden -- Apostel des österreichischen Merkantilismus, neben Becher und Schröder, 1683 in seinem Buch Österreich über alles, wenn es nur will, geprägt; die folgerichtige Durchführung wurde von Karl VI. eingeleitet, der namentlich für den Ausfuhrhandel über Triest und nach dem Orient bahnbrechend wirkte. Maria Theresia und Joseph II. aber haben erst ganz entschieden das Ziel verfolgt, die Erblande durch Steigerung


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der Produktion, durch Industrialisierung vom Auslande unabhängig und ihre Wirtschaftskräfte für einander nutzbar zu machen. Die Beseitigung der inneren Zollschranken in den deutsch-böhmischen Ländern 1775 und die grundsätzliche Durchführung der Einfuhrprohibition 1784 sind die zwei wichtigsten Etappen. Die Verfassung von 1849 erst beseitigte die letzte Spur des Föderalismus, die Zollschranke gegen Ungarn; sie betonte entschieden die politische und wirtschaftliche Einheit der Gesamtmonarchie. Es war ein glänzender Erfolg des österreichischen Merkantilismus, einen in glücklicher Weise sich ergänzenden, ja sich selbst genügenden Wirtschaftskörper und in der durch Handel und Industrie verbundenen Bourgeoisie das Element geschaffen zu haben, auf dem die Einheit des Staates beruhte. Die Verfassung von 1849 bedeutete den Höheaber auch den Schlußpunkt der Merkantilperiode, denn schon 1851 ging man von der reinen Prohibition zum gemäßigten Schutzzoll über und verfolgte seither die Idee des wirtschaftlichen Anschlusses an Deutschland; aber erst der Zusammenbruch von 1918 und die Auflösung jener durch Natur und Kunst geschaffenen Einheit hat für den kleinen Rest des alten Österreich die Angliederung zur gebieterischen Notwendigkeit gemacht. -- Einen Ausschnitt aus der österreichischen Wirtschaftsgeschichte der Merkantilzeit behandelt Hofmann ( 1806) mit einer sehr gründlichen aktenmäßigen Untersuchung über die österreichische Baumwollen-Industrie im 18. Jahrhundert. Bis 1762 gab es nur wenige durch Monopol geschützte Fabriken, wobei der betriebsame Franz I. wesentlich beteiligt war; dann entstanden mit Freigabe der Warenerzeugung rasch neue Unternehmungen, besonders in Niederösterreich, aber auch in Tirol und anderen Kronländern, und die Waren erfreuten sich teilweise weiten Rufes. Ich füge hinzu, daß auch Friedrich d. Gr. auf die österreichische Baumwollindustrie als vorbildlich verwiesen hat, und daß die levantische oder sog. »macedonische« Baumwolle für Preußen vorwiegend über Wien gehandelt wurde. Die Industrie fand, nachdem die Kontinentalsperre eine ungewöhnliche Blüte gebracht, nach 1815 ein rasches Ende. Die vorliegende ausführliche Abhandlung betrachtet auch die technischen, die Arbeiter- und Lohnverhältnisse dieses Manufakturzweiges.

Einen anderen Herrschertypus als es die aufgeklärten Absolutisten in den großen aufstrebenden Ländern waren, schildert Banholzer ( 1823), in der Person des Speirer Fürstbischofs Grafen Limburg-Stirum. Dieser Gebieter eines geistlichen Kleinstaates am Rhein war kein Merkantilist, sondern ein tüchtiger Vertreter des patrimonialen Absolutismus: er bringt Ordnung in die Verwaltung und die Finanzen und erwirbt sich Verdienste um die Agrarpolitik, die Wohlfahrts-, Gesundheits-, Armenpflege und das Bildungswesen, aber für Gewerbe, Handel und Verkehr hat er nichts übrig und sperrt sich gegen Neuerungen, wie Aufhebung der Leibeigenschaft. Der in seiner Art hervorragende Kirchenfürst ist schon wiederholt literarisch behandelt worden; Banholzer hat aber für die Darstellung seiner Wirtschaftspolitik auch neues archivalisches Material nutzbar gemacht. -- Wie ein Aufsatz von O. R. Redlich ( 1828) zeigt, war auch im Bergischen Lande im 18. Jahrhundert von einer merkantilistischen Regierungspraxis keine Rede, hier allerdings aus dem entgegengesetzten Grunde wie dort. Hier war die private Industrietätigkeit schon von langher rege entwickelt und auf starke Ausfuhr angewiesen, merkantilistische Schutz- und Sperrmaßnahmen waren da eher hinderlich, und so konnte sich


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ein Landesherr wie Kurfürst Karl Theodor nur als wohlwollender Gönner betätigen. Dagegen das Speirer Bischofsländchen hatte in Landwirtschaft und Weinbau seine Daseinsquellen und war zudem so zerstreut gelegen, daß eine zusammenfassende Gewerbe- und Handelspolitik unmöglich war.


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