VII. Einzelne Länder und Städte.

Wenn Matuschczik ( 1682) die wirtschaftliche Entwicklung, Agrar- und Gewerbegeschichte, Stadtwirtschaft und landesherrliche Wirtschaftspolitik, eines ganzen Landes (Steiermark) über acht Jahrhunderte hin in einer Dissertation auf 109 Textseiten Maschinenschrift darstellt, so kann dabei nicht viel Ergiebiges gewonnen werden. So erschöpft sich der kurze Abschnitt, der dem Merkantilismus gewidmet ist (23 S.) in allgemeinen Darlegungen über Tendenzen und Angabe einiger Verordnungen, auf die Erforschung bestimmter Umstände kann nicht eingegangen werden, so daß gerade das, worüber man Näheres wissen möchte, unerörtert bleibt. Nur eine Bemerkung erscheint mir hierbei erwähnenswert, daß nämlich die Regierung ihren Plan, die Innungen zu Ende des 17. Jahrhunderts aufzuheben, fallen lassen mußte, weil sie die statistischen Behelfe der Zünfte für die Steuerkontingentierung nicht entbehren konnte; mir ist dieser Gesichtspunkt bei der Behandlung der Zunftfrage sonst nirgends begegnet.

Ganz anders als solche allgemein gehaltenen Abhandlungen fördert die eingehende Darlegung der Wirtschafts- und Sozialverhältnisse eines kleinen Landes zu einem bestimmten Zeitpunkt, wie sie Blaschka ( 1874) auf Grund der im Prager Landesarchiv liegenden Glatzer Visitationsrolle von 1653 gibt. Es ist eine recht genaue Katastrierung des Landes, vorgenommen durch eine böhmische Kommission in Begleitung von Ständedeputierten. Der Bearbeiter knüpft an die überlieferten Listen Untersuchungen über die Vor- und Familiennamen, die sozialen und nationalen Verhältnisse. Der wirtschaftliche Zustand ist dürftig und zeigt Merkmale des Niedergangs, von Gewerben tritt nur die Tuchmacherei hervor; die viel geringere Zahl der Leinweber läßt darauf schließen, daß die Leinweberei vorwiegend als ländliche Nebenbeschäftigung betrieben wurde. Graphische Beilagen und eine Karte ergänzen die eingehende Untersuchung.

Die besonderen Verhältnisse eines in sich ziemlich abgeschlossenen Wirtschaftsgebiets behandelt Scheuner ( 1830) nach Forschungen im Siegener Landesarchiv. Bemerkenswert ist die starke Wirksamkeit von Genossenschaften bei der gerade hier vorbildlichen Wiesenkultur und der Wassernutzung, wie bei der hier eigentümlichen Haubergswirtschaft, einer Verbindung von Feld- und Niederwaldbetrieb; ferner die umsichtige und wohlwollende Wirtschaftspolitik der Nassauer Grafen, die durchaus das Landesinteresse wahrnahmen, mit


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Ausnahme von einem oder zwei Vertretern selbstherrlicher Willkür im Beginn des 18. Jahrhunderts.

Die äußerst schwierige und entsagungsvolle Arbeit der Redressierung eines in argen Verfall geratenen, verschuldeten Kammerstaates, des Domänen- und Bergregalwesens, wird von Penzler ( 1832) geschildert für die Grafschaft Mark. Nach einigen vergeblichen Anläufen unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm ist das Werk unter dessen Nachfolger wesentlich durch die Energie von Danckelmann und Knyphausen und die hingebende Arbeit der dafür eingesetzten Kommission, vor allem des späteren Geh. Finanzrats Walter von 1689 bis 1700 durchgeführt worden gegen unendliche Widerstände der Interessenten und Stände. -- Die sorgfältigen Studien von Johannsen ( 1838) zur Wirtschaftsgeschichte einer kleinen, aber durch ihre Verkehrslage nicht unwichtigen Stadt (Rendsburg) umfassen die zwei Jahrhunderte von etwa 1550 bis 1750, für welche Zeit allein ausgiebige Quellen vorhanden sind. Sie betreffen die Schifffahrt, den Holz- und Kornhandel, ferner das Brau- und Schankwesen. Es zeigt sich, daß städtische Monopole und Bannrechte gegen den Widerstand des platten Landes, zumal des Adels, nicht aufrechtzuerhalten sind, wenn nicht, wie in Preußen, eine starke Regierung entschieden für ihre Durchführung eintritt. Bemerken möchte ich, daß die Brauerei mit Einführung einer Brauordnung, des Reihebrauens, der Ratskontrolle und der Schließung der Mitgliederzahl (1686) noch nicht, wie Verfasser meint, eine Zunft geworden ist, es fehlten dazu die gesellschaftlichen Statuten, regelmäßige Zusammenkünfte, die verbindlichen Regeln für das Gesellen- und Lehrlingswesen u. a.

Die Mainzer Wirtschaftsgeschichte findet in der Frankfurter staatswissenschaftlichen Fakultät rege Beachtung, wie der vorige Jahresbericht und jetzt eine neue Dissertation von Katha Jacobi über die Geschichte des dortigen Stapelrechts ( 1693) beweisen. Dieses wurde längst vor der formellen kaiserlichen Verleihung von 1495 ausgeübt und erst 1831 aufgehoben; es bestand darin, daß die Rheinschiffe umgeladen und die Durchgangsgüter drei Tage an Mainzer Bürger zum Verkauf gestellt werden mußten. Die Vorteile für die Mainzer Schiffer, Spediteure und Kaufleute lagen auf der Hand, die Stadt hielt darum zähe daran fest, aber der Einzelhandel kam, wie richtig hervorgehoben wird, wegen dieses allzu bequemen Verfahrens nicht hoch.

Schrohe ( 1819) berichtet über das kaiserliche Moratorium, das die Stadt Straßburg 1668 erhielt und einen Streit, den sie deshalb mit einer Gläubigerin, dem Klarissenkloster zu Mainz um eine geringe Schuldverschreibung hatte; der Ausgang ist übrigens unbekannt.

Endlich seien aus der Geschichte des Postverkehrs zwei Abhandlungen angeführt. Engelhardt ( 1866) berichtet nach Akten des Stockholmer Reichs- und des Schweriner Staatsarchivs über die Durchführung des landesherrlichen Postregals in Schwed.-Pommern, und die damit verbundenen Streitigkeiten, wobei es sich vornehmlich um die alte Hamburg-Danziger Botenpost handelte. Eine postalische Neuerung war die Einrichtung der Seepost Stralsund-Wittow-Ystad seit 1683. Mehr als diese auf bloßes Aktenreferat sich beschränkende Abhandlung bietet die von Frielingsdorf ( 1824), insofern sie auch auf die Technik des Verkehrs eingeht, die Postfahrpläne und Preise übersichtlich mitteilt. Hauptinhalt ist sonst die Durchführung des Thurn und Taxisschen, daneben auch des brandenburgisch-preußischen Postwesens, wogegen die alten Botenposten der


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Stadt Köln nach und nach eingingen. Immerhin hat Köln nach 1690 noch zwei Hauptlinien, nach Ruremond bzw. Maseyk und nach Frankfurt unterhalten und sie erst 1759 gegen eine jährliche Entschädigung an Taxis überlassen.


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