II. Die einzelnen Territorien.

Unter den Arbeiten von territorialer Begrenzung stehen die Untersuchungen, die der ländlichen und städtischen Pfarrorganisation und dem mittelalterlichen Pfründen- und Oblationenwesen gewidmet sind, im Vordergrund. Führen uns die einen in die Zeit der Christianisierung und Grundlegung der Kirchenverfassung, so werden die andern, besonders wenn sie, wie im Berichtjahr, wohl gelungen sind, zu wertvollen Beiträgen für die der Reformation unmittelbar vorausgehenden Jahrhunderte. Klebel ( 2043) hat seine aufschlußreichen Erläuterungen zur Geschichte der Pfarren und Kirchen Kärntens (s. Jahresberichte 1, 644) fortgesetzt; diesmal gelten sie der kirchlichen Organisation im Patriarchat Aquileia. Der Vergleich mit den Verhältnissen in der Salzburger Erzdiözese ergibt »manche Übereinstimmung ... in der Ausdehnung des Bekehrungsgebietes, dem gleichzeitigen Auftauchen des Eigenkirchenwesens und der Idee der Zehentregelung«. Im übrigen machen sich »die weit auseinandergehenden Schicksale« beider Erzbistümer in der kirchlichen Organisation ihrer Gebiete stark bemerkbar. Auf die Untersuchung der Urpfarren des Gebietes von Aquileia und die Ausführungen über die Diözesanreform der deutschen Patriarchen des 11. und 12. Jahrhunderts sei besonders hingewiesen. »Der Vollender der Kirchenordnung von Aquileia ist Patriarch Pilgrim (1128--1161).« Von dieser Zeit sind teilweise mit allem Vorbehalt Rückschlüsse in frühere Jahrhunderte möglich, können die Neugründungen von Pfarren in der Zeit von 1067 bis 1146 ermittelt werden. Beilage I gibt eine Übersicht über die Pfarren Kärntens im aquileischen Anteil, Beilage II eine solche über Schenkungen und Einverleibungen von Pfarren und Kapellen (Vikariaten) an Klöster und Stifte. In terminologischer Hinsicht erscheinen Kloster und Stift nicht immer auseinandergehalten, was zu ähnlichen Bedenken hinzukommt, die schon v. Wretschko (Zs. d. Sav. Stift. f. Rg. kan. Abt. 16, 441) geäußert hat. -- Die topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg, begonnen von Rapp und fortgesetzt von Ulmer ( 2044), ist nun in einem fünften Bande, der dem Dekanat Bregenzerwald gewidmet ist, beschlossen worden. Die Forschung muß Ulmer für den letzten 1316 Seiten starken Band außerordentlich dankbar sein. Wenn man auch öfters den Eindruck gewinnt, es sei an Ausführlichkeit des Guten zuviel getan, so muß doch auch dann der Fleiß anerkannt werden, mit dem der Verfasser das gedruckte und ungedruckte Material gesammelt und übersichtlich anzuordnen verstanden hat. In den ersten drei Abschnitten werden die ehemaligen Diözesanverhältnisse in Vorarlberg, die Entwicklung der kirchlichen Verwaltung des Landes seit Anfang des vorigen Jahrhunderts und die kirchlich-kulturellen Verhältnisse des Dekanats im allgemeinen geschildert; dazu kommt noch eine topographisch-historische Einleitung zur Beschreibung des Dekanats Bregenzerwald. Vom 4. bis zum 22. Kapitel werden dann die einzelnen Pfarren vorgeführt, wobei der Inhalt nach einer immer wieder eingehaltenen Ordnung gegliedert erscheint. Vorarlberg ist Grenzland, daher hat die kirchliche Zugehörigkeit bis


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in unsere Tage herein schon manchen Wechsel durchgemacht. Mag in spätrömischer Zeit Bregenz zur Diözese Augsburg gehört haben, so ward im Mittelalter der Anteil dieses Sprengels auf ein kleines Randgebiet im Osten beschränkt, während als eigentliche Diözesaninhaber im Norden Konstanz, im Süden Chur erscheinen. Seit der Umgestaltung und Neuordnung der territorialen Verhältnisse, die durch die Kriege am Beginn des 19. Jahrhunderts bedingt sind, tritt, von Österreich begünstigt, das Bistum Brixen als Teilhaber hervor, dem vorübergehend 1808--1814, 1816 aber endgültig der Churer Teil, 1816 der Augsburger und 1819 der Konstanzer Bistumsanteil zufällt, was 1822 zu einer Neueinteilung der Dekanatsbezirke Anlaß bietet. 1818 kam es zur Errichtung eines Generalvikariats für Vorarlberg, nachdem schon Kaiser Josef II. im Sinne seiner auch sonst wirksamen Kirchenpolitik 1783 die Errichtung eines eigenen Bistums für Vorarlberg vorgesehen hatte. Die Ergebnisse des Weltkrieges haben 1921 eine neuerliche kirchenrechtliche Ordnung zur Folge gehabt. Die topographischhistorische Beschreibung des Dekanates Bregenzerwald und seiner Pfarrkirchen erstreckt sich auf alle wissenschaftlichen Belange, doch darf hervorgehoben werden, daß den Fragen der kirchlichen und weltlichen Verfassungsgeschichte die nötige Aufmerksamkeit gewidmet worden ist. Freilich kann man verschiedener Meinung sein über das Ausmaß der Verarbeitung, in dem die Nachrichten dem Benutzer eines solchen Nachschlagewerkes geboten werden sollen. Anläßlich des Erscheinens eines neuen Bandes der Geschichte der Pfarreien von Köln und Gebiet, bearbeitet von Heusgen ( 2050), hat Gescher (Zs. d. Sav.- Stift. f. Rg. kan. Abt. 17, 584 ff.) von solchen Arbeiten eine »systematische, zusammenfassende Ausbeute aus den Einzelheiten, die für jede Pfarre zusammengetragen werden«, verlangt. Aber auch er muß »den prächtigen Fortschritt« anerkennen, den das Erscheinen eines derartigen Werkes bedeutet. In erster Linie handelt es sich dabei doch darum, Material in bestimmter Ordnung zu bringen, und dem unendlichen Fleiß gegenüber, der dazu gehört, diese unzählichen Einzelangaben zusammenzubringen, muß bei jeder Besprechung das Wort des Dankes vor dem der Kritik überwiegen. Wie Ulmer schickt auch Heusgen der historisch-topographischen Beschreibung der Dekanate Meckenheim und Rheinbach und ihrer Pfarren in einem allgemeinen Teil eine Einleitung über die Geschichte der beiden Dekanate voraus, in der die Schilderung der Kirchenspaltung, der Kriegsleiden, von Pest und Hexenbräuchen einen breiten Raum einnehmen. Man kann zugeben, daß der rechtsgeschichtliche Gesichtspunkt bei der Zusammenstellung des für jede Pfarre vorliegenden Materials in der Arbeit Heusgens stärker als in der Ulmers zur Geltung gekommen ist.

Eine noch auf Anregung G. v. Belows entstandene Freiburger Dissertation von Rüschenschmidt ( 2052) gilt der Entstehung und Entwicklung des Dortmunder Pfarrsystems, seinem Dekanat und Archidiakonat bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts. In 5 Kapiteln werden dem Leser vorgeführt die Ausbreitung des Christentums im Brukterergau, die ältesten vor der Gründung der späteren Hauptparochie in Dortmund bestehenden Kirchen, Entstehung und Entwicklung des städtischen Pfarrsystems, das Verhältnis der Pfarrkirchen zu den übrigen kirchlichen Anstalten und der Dekanat-, bzw. Archidiakonate Dortmund. Die Arbeit stellt sich als Ergänzung zu Rübels Geschichte der Grafschaft und freien Reichsstadt Dortmund dar. »Ein Denkmal frühester christlicher Missionsarbeit im Brukterergau ist die Martinskirche in Dortmund«, die


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zugleich die Immunitätskirche des Grafenhofs war -- wieder eine Bestätigung des Ergebnisses der Patrozinienforschung, demzufolge die dem bekanntesten merowingischen Heiligen geweihten Kirchen auf besonders hohes Alter zurückblicken können. Dem Kölner Erzbischof diente zur Abhaltung des Gottesdienstes bei seinem Aufenthalt in Dortmund die nicht allgemein zugängliche Margarethenkapelle, sie gehörte zur Immunität des erzbischöflichen Hofes. Die Anlage der Burg, die wahrscheinlich schon in vorkarolingischer Zeit erfolgte, brachte ein neues Dorf zum Entstehen, das zur Zeit Ludwigs des Frommen eine Benedictuskapelle zur Pfarrkirche erhielt. Beide, die Martins- und Benedictuskirche, werden von der Hauptpfarrkirche, der späteren Reinoldikapelle, abgelöst, die entsprechend dem häufigen Aufenthalt der Kaiser in der Pfalz Dortmund zunächst als Stiftskirche organisiert gewesen zu sein scheint. Um 1232 hören wir von Pfarrkirchen zur hl. Maria und zum hl. Nikolaus, um 1317 kommt es zur Entstehung der Pfarrkirche zu St. Peter. Bald nach dem Brande von 1232 haben sich Minoriten im Südosten der Stadt niedergelassen, unter deren Schutze die Beginen standen, Beginenkonvente (»Versorgungsanstalten für Töchter Dortmunder Familien«), deren Mitglieder durch keinerlei Ordensgelübde gebunden waren, bestanden jedenfalls schon vor 1250 in Dortmund. Der Einzug der Minderbrüder hatte sich in allem Frieden vollzogen, der der Dominikaner aber war von tiefer Erregung der Geistlichkeit und Bürgerschaft begleitet, erst 1323 kam es zum Bau eines Klosters und einer Kirche. Durch Schleifung der Burg (1219) war auch das Knechtstetten unterworfene Prämonstratenserinnenkloster auf dem Königskamp (1193 gegründet) in den Bereich der Stadt gelangt. Den Umfang des Dortmunder Dekanats zeigt eine Karte, im Zusammenhang mit dem Dortmunder Patronatsstreit (1262--1290) ist eine Schrift »de iure patronatus« entstanden, auch eine Urkunde des Erzbischofs Anno ist um diese Zeit gefälscht worden. Die sehr sorgfältige Arbeit darf ähnlichen Forschungen als Vorbild vorgestellt werden.

Die auf Anregung von Brackmann und unter Leitung von Edm. E. Stengel entstandene Arbeit über mittelalterliche Altarpfründen der Diözese Bremen im Gebiet westlich der Elbe von Katz ( 2054) stellt sich bescheiden als Beitrag »zur Erforschung der Bedingungen, unter denen die Priester der Nebenaltäre im späten Mittelalter lebten«, dar. Was aber die Verfasserin in 8 Kapiteln von ausgebreiteter Gelehrsamkeit mit umsichtiger Benutzung der gedruckten und ungedruckten Quellen bietet -- über die Anzahl der Vikare und deren Benennung, über die Besetzung der Vikarstellen, über Permutation und Resignation, Pfründenkumulation und Residenz, Inkorporation, Messedienst und andere Seelsorgetätigkeit, Verwaltung der Pfründen, über Einkünfte aus diesen und Oblationen und Abgaben -- läßt die Arbeit weit über bremisches Gebiet hinaus als dankenswerten Beitrag zur Kirchenverfassung des späteren Mittelalters und zur Vorreformation erscheinen. In den Schlußworten werden denn auch die Ergebnisse in diesem Zusammenhang übersichtlich dargestellt. Es wird gesagt, daß es nicht richtig sei, »die Zustände während des späteren Mittelalters nur grau in grau zu sehen«, daß die große Zahl der Altargründungen ohne Zweifel von religiöser Begeisterung zeuge, der Geist der Gemeinschaft, der »die Vikare der Dom- und Stiftskirchen zu gemeinsamem Leben und zu gemeinsamer Vertretung ihrer Interessen anderen gegenüber zusammenführte ... etwas Schönes« gewesen sei, und auch Geistlichkeit und Laien des Mittelalters in Bremen nicht


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»wie zwei feindliche Gewalten einander gegenübergestellt« werden dürfen, man vielmehr »am Pulsschlag der Geistlichkeit der Stadt Bremen in der damaligen Zeit den Pulsschlag ihrer Einwohner aus weltlichem Stande« erkennen könne. Pfründenkumulation war im Bremer Sprengel nicht so verbreitet wie etwa im Wormser, erst 60--70 Jahre vor Einführung der Reformation zeigt sich auch an den Vikaren in Bremen ein Verfall des kirchlichen Lebens und ein Nachlassen der Sittenstrenge. Bei dem Einfluß, den der Rat und die höhere Geistlichkeit auf die Besetzung der Pfründen ausübten, wird verständlich, daß in dem Augenblicke, in dem diese beiden Teile evangelisch wurden, »die Benefizien der Einführung der Reformation keine hinderlichen Schranken zogen«. --Reicke ( 2046) bietet eine rechtsgeschichtliche Untersuchung über Stadtgemeinde und Stadtpfarrkirchen der Reichsstadt Nürnberg im 14. Jahrhundert. Als Pfarrkirche tritt uns die Sebalduskirche zuerst 1255 entgegen, die ehemals in Filialabhängigkeit von der Landpfarrkirche des benachbarten Koppenreuth sich befunden zu haben scheint. 1235 wird die Lorenzkirche zuerst erwähnt, für die ursprünglich ein Abhängigkeitsverhältnis von Fürth erkennbar ist. Die rechtlichen Beziehungen der beiden Kirchen im 14. Jahrhundert werden dargelegt, ebenso ihre Baugeschichte, der Einfluß der Stadtgemeinde auf die Pfarrwahl, der erst sehr spät nachweisbar ist, und die große Bedeutung der Seelgerätstiftungen, die im Nürnberg des 14. Jahrhunderts in voller Entfaltung stehen. Das 14. Jahrhundert erscheint dort auf dem Gebiete der Kirchenverfassung »als die Zeit der Grundlegung der stadtgemeindlichen Herrschaft in diesem wichtigen Bereiche des mittelalterlichen Kirchenwesens«. In dem letzten Kapitel wird die ausgedehnte Tätigkeit des Kirchenpflegers geschildert. Diesem obliegt »die Verwaltung und Wahrung der für den Kirchenbau dienenden Fonds«. Auch war ihm die Durchführung der Bauleitung übertragen, wobei er den Weisungen des Rates untergeordnet war. Außer der regelmäßigen Verwaltung des Kirchenvermögens stand dem Kirchenpfleger auch die Treuhandschaft bei den kleineren und einfacheren Formen der Seelgeräte zu. Für die Frage des Verhältnisses von Stadtgemeinde und Kirche ist fast immer »die völlige Ausschaltung der kirchlichen Amtsträger, speziell des Pfarrers«, bemerkenswert. Die Einrichtung des Pflegeramtes bedeutete »eine Kommunalisierung der kirchlichen Vermögensverwaltung, die Stadt selbst hatte die entscheidende Rolle in der Verwaltung übernommen«. Diese Ergebnisse stimmen, wie der Verfasser selbst feststellt, mit denen Alfred Schultzes (»Stadtgemeinde und Kirche«, »Stadtgemeinde und Reformation«) überein. Diese und namentlich die vorausgehende Arbeit haben bereits eine ihrer Bedeutung entsprechende Anzeige durch Frölich (Zs. d. Sav.-Stift. f. Rg. kan. Abt. 16, 410 ff.) gefunden, in der aber Reicke gegenüber betont wird, daß infolge der Beschränkung der Untersuchung auf das 14. Jahrhundert an dem von den kirchlichen Verhältnissen Nürnbergs vorgeführten Bild einige wesentliche Züge fehlen. --Baur ( 2047) setzt seine Geschichte des kirchlichen Pfründenwesens in der Reichsstadt Buchhorn (vgl. Jahresberichte 1, 391) fort und berichtet in drei Kapiteln wesentlich unter Zugrundelegung des Materials des 15. Jahrhunderts und der Jahrhunderte der Neuzeit über die Pfründenverwaltung, über Besetzung der Buchhorner Pfründen und über die Verpflichtungen der Kapläne.

In das ostdeutsche Kolonialgebiet führen uns zwei Arbeiten von ganz besonderer Bedeutung. Von der groß angelegten Abhandlung H. F. Schmids


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( 2058) über die rechtlichen Grundlagen der Pfarrorganisation auf westslawischem Boden und ihre Entwicklung während des Mittelalters fällt der erste Teil in das Berichtsjahr 1926. Der Verfasser will zunächst ein »möglichst treues und vollständiges Bild ... der vorkolonialen Pfarrkirche des Sorbenlandes«, der Burgwardeikirche bieten, um im zweiten Abschnitt »die Grundlagen der Pfarrorganisation derjenigen Gebiete mit verwandter, westslawischer Bevölkerung zum Vergleich heranzuziehen, in denen die selbständige Entwicklung heimischer Rechtsformen und Institute nicht, wie im Sorbenland, durch das unaufhaltsame Eindringen fremder Kulturelemente verwischt worden ist«. Im Gegensatz zu Hauck, der dem sorbischen Volk eine Stellung außerhalb der Kirche zuweisen wollte, betont Schmid im ersten Kapitel, daß die Organisation der Pfarreien in den sorbenländischen Sprengeln Meißen, Merseburg und Naumburg »deutlich das Gepräge der Zeit vor dem Beginn der bäuerlichen Kolonisation« aufweise. Die Ergebnisse des zweiten Abschnittes werden in dem noch ausstehenden Schlußteil der ganzen Abhandlung voll und ganz zur Geltung kommen; hier genüge die vorläufige Nachricht, daß diese mit überragender Kenntnis der Quellen und Literatur durchgeführte Untersuchung der Pfarrorganisation Böhmens und Mährens ihren völlig grundherrlichen Charakter aufgezeigt hat. Für die Entwicklung des Pfarrsystems aber ist in älterer Zeit der Wille des Landesherrn, in späterer der des Grundherrn maßgebend gewesen. -- E. Michaels ( 2057) Buch »Das schlesische Patronat. Beiträge zur Geschichte der schlesischen Kirche und ihres Patronats« ist vergriffen. Der verdienstvolle Verfasser hat sich entschlossen, sein Werk in erweiterter Form unter dem Titel »Die Schlesische Kirche und ihr Patronat« vorzulegen. Der erste Band umfaßt die mittelalterliche Zeit, zu der die schlesische Kirche unter polnischem Recht stand. Damit ist schon das Hauptergebnis angedeutet, zu dem Michael gelangt ist: daß Schlesien vor der deutschen Einwanderung keineswegs so arm an Kirchen war, wie es die bisher von W. Schulte geführte Forschung angenommen hatte. Auf einer beigegebenen Karte wird veranschaulicht, daß schon vor der Errichtung des schlesischen Herzogtumes (1163) eine Anzahl von gut ausgestatteten Kirchen bestanden hat. Hier berührt sich Michael eng mit den oben vorgeführten Ergebnissen des Grazer Slavisten H. F. Schmid, der auch bereits zu diesen Fragen Stellung genommen hat (Zt. d. Sav.-Stift. f. Rg. kan. Abt. 16, 448 ff.) und den Ausdruck »unter polnischem Recht« im Hinblick auf die Oberlausitz und die Grafschaft Glatz durch das weitere »unter slawischem Recht« ersetzen möchte. Auch findet Schmid die Annahme bedenklich, daß allein schon die Nachbarschaft mit deutschem Recht ausgestatteter Siedlungen die Neugründung einer polnisch-rechtlichen Kirche unwahrscheinlich mache. Doch hebt auch er die hervorragende Bedeutung des dritten und vierten Kapitels hervor, in denen außer den schon angedeuteten Ergebnissen alle aus gedruckten und ungedruckten Quellen erreichbaren Nachrichten über Gründung von Klöstern und Kirchen in Schlesien gesammelt und kritisch gesichtet worden sind.

In die früh- und hochmittelalterliche Kirchenverfassung versetzen uns einige Arbeiten, die teilweise oder ganz im Banne der vom Stutz und A. Schulte vertretenen Lehrmeinungen stehen. -- Eine theologisch-kirchenrechtliche Dissertation von Wenner ( 2049) ist den Rechtsbeziehungen der Mainzer Metropoliten zu ihren sächsischen Suffraganbistümern bis zum Tode Aribos (1031) gewidmet. Tatsächlich enthält die Arbeit aber weit mehr; schon die Vergleichsmöglichkeiten


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brachten es mit sich, daß den westfränkischen Verhältnissen des 9. Jahrhunderts, aus denen die Bedeutung der Metropolitangewalt in allen ihren Umrissen, aber auch in dem Schicksal, das ihr zuteil ward, erkennbar wird, gebührende Aufmerksamkeit gefunden hat. Überhaupt darf der Berichterstatter, der ein gut Teil seines Forscherdaseins im Dienste der Monumenta Germaniae verbracht hat, mit Befriedigung feststellen, daß in dieser an Quellen- und Literaturhinweisen überreichen Arbeit die Ausgaben der Monumenta, die der Skriptores ebenso wie die der Kapitularien und Concilia ausgiebig herangezogen sind. »Die wirkliche Mittelinstanz und das Bindeglied zwischen dem Episkopat und dem Papsttum«, die Bonifacius aus der Metropolitangewalt machen wollte, ist diese im deutschen Mittelalter niemals geworden. Aber unter Liutbert, Friedrich, Willigis und Aribo »erlangte das ius metropoliticum vorübergehende erhöhte Geltung«, wenn auch nicht die, die Hinkmar von Rheims in Westfranzien ihr allerdings auch nur für seine Person zu verschaffen wußte. Im Gandersheimer Streit und in der Ehesache des Grafen von Hammerstein, die beide ausführlich geschildert werden, zeigt sich Aribo als nicht unähnlich Hincmar von Rheims, die zahlreichen Provinzialsynoden, die er abhielt, entsprechen seiner Stellung als Metropolit, haben sich aber als Einrichtung von Dauer nicht behaupten können. Überhaupt sind pseudoisidorische Grundsätze, durch die Streitigkeiten mit den Suffraganen vermieden werden konnten, auch von den Mainzer Erzbischöfen beobachtet worden, die Verquickung geistlicher und weltlicher Gewalt brachte es mit sich, daß die Metropoliten nur selten »ihre kirchlichen Rechte wahrnehmen und ihren Amtspflichten nachkommen« konnten, zuweilen haben sie aber, wenn sie es taten, bewiesen, »daß das kirchliche Leben etwas Selbständiges war und die kirchliche Organisation etwas von der staatlichen Verschiedenes war«. Daß »die Herstellung einer bis zu einem gewissen Grade gleichmäßigen Ordnung des kirchlichen Lebens durch Beschränkung der Selbständigkeit der Bischöfe« ein Vorteil der Metropolitanverfassung gewesen sei, wird von Nottarp (Zs. d. Sav.-Stift. f. Rg. kan. Abt. 17, 592) wohl mit Recht bestritten. -- In einer Frankfurter Dissertation untersucht O. Hermann ( 2053) Stand und Herkunft der Erzbischöfe und Bischöfe der Kirchenprovinz Hamburg- Bremen im Mittelalter, und zwar von Hamburg-Bremen, Oldenburg-Lübeck, Ratzeburg, Mecklenburg-Schwerin. Von 151 Erzbischöfen und Bischöfen gehören 54 dem hohen, 45 dem niederen Adel und 33 dem Bürgertum an. In Bremen selbst stehen 34 Erzbischöfen edelfreier Herkunft 7 aus dem unfreien Adel und ebenso viele aus der Bürgerlichkeit gegenüber. Ein anderes Bild hinsichtlich der Herkunft seiner kirchlichen Vorsteher bietet das Bistum Lübeck, dort ist in der Hälfte aller feststellbaren Fälle der kirchliche Vorsteher aus dem Kreise der Bürgerlichen hervorgegangen. Demgegenüber stammen die Bischöfe von Ratzeburg zu drei Vierteln aus dem niederen Adel. In Schwerin sind Vertreter des hohen und des niederen Adels in je einem Drittel aller Fälle nachweisbar. Die Verhältnisse des nordostdeutschen Kolonialgebietes, denen der Verfasser gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hat, dürfen zur Erklärung der Verschiedenheiten herangezogen werden, die die Bistümer Ratzeburg und Schwerin gegenüber Hamburg-Bremen aufweisen. -- P. S. Mitter ( 2045) bespricht auf Grund der in den Traditionen des Hochstiftes Freising (hgg. von Bitterauf) enthaltenen Nachrichten die älteste Geschichte des Klosters Scharnitz, das später wohl aus wirtschaftlichen Gründen 772 nach Schlehdorf verlegt

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worden ist. Der Aufsatz wird als Beitrag zur Geschichte der frühbayrischen bischöflichen Eigenklöster bezeichnet, da die Bestrebungen des Bistums Freising auf Anbahnung eigenkirchenrechtlicher Beziehungen 783 sichtbar in Erscheinung treten; in diesem Jahre hat Abt Atto nach seiner Erhebung auf den bischöftlichen Stuhl des hl. Corbinian keinen neuen Vorsteher wählen lassen, sondern in der Person des Freisinger Archipresbyters Ellanad einen »abbas vocatus« (vgl. darüber Jahresberichte 1, 386) dorthin entsandt. Dagegen tritt in älterer Zeit das Eigenkirchenrecht der Stifterfamilie, der Housi, in Erscheinung, indem Mitglieder dieser Sippe ins Kloster eintreten. Die von dem Verfasser als »kulturgeschichtlich merkwürdig« bezeichnete jährliche Lieferung von ein Paar Stiefeln durch die Stifterfamilie an das Bistum ist in ähnlicher Form für Bayern noch einmal aus dem 12. Jahrhundert (vgl. Mitteil. d. Inst. 29, 331) bezeugt.

Am Schluß dieses Berichtes seien die Arbeiten genannt, die entweder neue Quellen zur kirchlichen Verfassungsgeschichte zugänglich machen oder kritische Beiträge zur Bewertung der bereits bekannten bringen. -- Das sogenannte Gründungsbuch des Breslauer Bistums geht nach Stolle ( 2056) in ältere Zeit, als bisher angenommen wurde, in die des Bischofs Johannes Ronka, ja vielleicht noch Thomas' II. zurück. Es ist ein um Zusätze vermehrter Auszug aus einer älteren ausführlicheren Vorlage, dem Antiquum Registrum, dessen Entstehungszeit in die Jahre 1270--1290 fällt und das wir als »großzügige Besitzstandesaufnahme des Breslauer Bistumes« und als »Nachschlagewerk für den Liber fundationis ep. Wratislaviensium« und anderer »Arbeiten mehr exzerpierenden Charakters« anzusehen haben. -- Aus dem katholischen Pfarrarchiv zu Bechtheim und aus den Akten des Dalberger Archivs im hessischen Staatsarchiv veröffentlicht Peters ( 2051) ein die Kirche von Bechtheim betreffendes Weistum aus dem Jahre 1424. -- Die Statistik des Bistums Straßburg von 1454, die Ingold aus dem Nachlaß Grandidiers veröffentlicht hat, erklärt Friedel ( 2048) als eine Fälschung des bischöflichen Archivars, der nach einer Steuerrolle des Jahres 1464 und nach Urkunden nicht ohne Geschick, aber auch nicht ohne Fehlgriff den Stand des Bistums Straßburg um die Mitte des 15. Jahrhunderts aufzuzeichnen versuchte. Da die Quellen der Fälschung nicht immer bekannt sind, bleibt diese Arbeit an sich wertvoll, ist aber mit Vorsicht zu benutzen. -- Das Registrum bonorum et jurium ecclesiae Bremensis, das auf Veranlassung des Erzbischofs Johann Rode (1497--1511) begonnen und während seiner Amtszeit vollendet wurde und darum Johann Roden Bok genannt wird, hat durch Cappelle ( 2055) eine Ausgabe gefunden, die ganz abgesehen von ihrer Bedeutung für die Lokalgeschichte der weltlichen und kirchlichen Verfassungsgeschichte wertvolles Forschungsmaterial liefert. Ebendeshalb hätte der Herausgeber mit Anmerkungen weniger sparsam sein und auch die kritische Beurteilung der vorhandenen Handschriften etwas genauer durchführen sollen. Die Bestrebungen des Erzbischofs nach Stärkung seiner Macht, die den aufstrebenden Ständen, »den Gedemathen« an Hand der vorhandenen Rechtstitel vorgeführt werden sollte, haben ein Werk entstehen lassen, das uns eine ziemlich vollständige Übersicht über die Verfassung, die weltlichen und kirchlichen Rechte des Erzstiftes, ferner ein Lehensverzeichnis und die Abschrift einer ganzen Anzahl von Urkunden bietet.


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