I. Allgemeine Reformationsgeschichte.

Obwohl die reformationsgeschichtliche Forschung sich vielfach in anderen Bahnen als denen L. v. Rankes bewegt hat und gerade gegenwärtig auf theologischer Seite das Religiöse ungleich stärker als das in der Durchsetzung der Reformation mit ihm engst zusammenwirkende Politische betont wird, ist die Neuausgabe von Rankes »Deutscher Geschichte im Zeitalter der Reformation« ( 993) auch theologischerseits warm zu begrüßen, gerade weil sie angesichts der auch von dem Herausgeber P. Joachimsen betonten Wandlungen des historischen Interesses auf bleibende Aufgaben hinzuweisen und vor zu ausschließlich religiöser Deutung zu bewahren geeignet ist. J.s wertvolle Einleitung, die durch seinen Aufsatz über das Lutherbild Rankes ( 2155) ergänzt wird, verfolgt unter Heranziehung von lutherbiographischen Aufzeichnungen, Vorlesungsmanuskripten und anderem Ungedruckten die Entwicklung von Rankes reformationsgeschichtlicher Auffassung von 1817 (Eindruck des Reformationsjubiläums) ab, behandelt die leitenden Motive und die Gruppierungs- und Darstellungsart Rankes, schildert das Echo des Werkes in der Zeit seines Ersterscheinens, besonders auch in den Hegelianischen und in den ultramontanen Blättern, und die Wirkungen des Werks in die Gegenwart hinein. In ZKG., N. F. 8, S. 141 hat G. Wolf mehrfach auf Ergänzungen hingewiesen. Die bisher unbekannten Tagebuchaufzeichnungen Rankes 1817 über Luther hat Elisabeth Schweitzer gefunden und in Bd. 6 der Neuausgabe von Joachimsen veröffentlicht; sie lassen das der Gegenwart zugewandte Motiv der Rankeschen Forschung, das ihm bei aller seiner Objektivität stets gebliebene erzieherische Ziel, sehr deutlich erkennen, und dieses Ziel hat ihn in seinem Jugendfragment in scharfer Abwendung von der Aufklärungspsychologie das spezifisch Religiöse in Luther viel kongenialer als später erfassen lassen. -- Wegen seiner auch von der theologischen Forschung dankbar aufgenommenen Anregungen sei hier auch der (freilich unveränderten)


S.472

Neuauflage von K. Burdachs »Reformation, Renaissance, Humanismus« (Berlin, Paetel) gedacht, der durch Aufweis ihrer Begriffsgeschichte Renaissance und Reformation verknüpft und an die im Begriff Renaissance liegenden religiösen Elemente in eindringlicher Forschung erinnert hat. Daß bei aller Gemeinsamkeit die starke Differenziertheit beider nicht übersehen werden darf, hat W. Koehler, Theol. Lit.-Ztg. 1928, S. 84 f. mit Recht betont. Ohne sie bleibt ja der von der Forschung immer wieder mit Interesse verfolgte Streit Luther-Erasmus (vgl. 2166, 2181, 2420), der zutiefst in dem religiösen Gegensatz wurzelt, unverstanden, ebenso aber auch der Gegensatz zwischen dem wieder stärker dem Humanismus zugewandten Melanchthon und dem genuinen Luthertum. Abgrenzung gegeneinander wie Verbindung miteinander kommen bei v. Schuberts kurzer Analyse von Reformation und Humanismus ( 2403) wie auch in Joachimsens Untersuchung über die Fortwirkung des Schemas der Loci communes ( 2404) zu ihrem Recht. Von einer anderen Seite her berührt Kalkoff ( 2407) das Problem, indem er das Zusammengehen von Humanismus und Reformation in Erfurt in Personen wie Justus Jonas und Johann Lange und ihren freilich vergeblichen reformatorisch-humanistischen Kampf gegen die »bepfründeten Dozenten« und Träger des Alten schildert und damit die Reformation von dem Vorwurf, den Untergang des Humanismus in Erfurt verschuldet zu haben, entlastet.


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