III. Andere reformatorische Personen.

Für Melanchthon liegt, von O. Clemen, z. T. mit Benutzung des Nachlasses von Nikolaus Müller, herausgegeben, der erste Briefband vor ( 2182). Entsprechend dem Plan der Supplementa Melanchthoniana, deren 6. Abteilung dieser Briefwechsel M.s bildet, wird dabei das im Corpus Reformatorum vorhandene Material vorausgesetzt; außer den zu jenem hinzugekommenen neuen Brieffunden oder der das Original heranziehenden besseren Textgestaltung bringt der Ergänzungsband als wesentliche Bereicherung die Kommentierung und die Datierung der Briefe Melanchthons, wobei der Herausgeber seine schon oft gezeigte eingehende biographische und bibliographische Kenntnis der Gelehrtenwelt jener Jahrzehnte erneut hat bewähren können. In späteren Bänden werden die kleinen Funde 2183 und 2187 verwertet werden müssen. Der von Gußmann publizierte Fund ( 2185) betrifft vier Schriften, die Löffler in der Stuttgarter Landesbibliothek gefunden hat, und die mit den protestantischen Beratungen für das Mantuaner Konzil 1537 in Zusammenhang stehen. Alle vier Stücke, sowohl die beiden kurfürstlichen Bedenken über die Beschickung des Konzils (S. 276--283 = Corpus Ref. III, S. 136 ff., 258 ff.) wie die beiden von Melanchthons Hand geschriebenen Stücke (S. 274 f. = C. R. II, S. 377 f.; und S. 283--286 = C. R. III, S. 134 ff.) waren bisher nur nach schlechten Kopien abgedruckt. Das erste Melanchthonstück: Articuli de quibus non convenit nobis cum adversariis, stammt vom Augsburger Reichstag 1530; seine Einstellung in die Mantuaner Akten zeigt, daß man die Verhandlungen da hat aufnehmen wollen, wo sie in Augsburg abgebrochen worden waren. -- Die meisten anderen reformatorischen Personen, für die in der Forschung dieses Jahres Arbeiten oder Quellenfunde vorliegen, gehören mehr der Territorialgeschichte an. Hinzuweisen ist aber auf die Rolle, die Kalkoff ( 2407) den Justus Jonas in Erfurt spielen läßt; ihm schreibt er auch den als Intimatio Erphurdiana pro M. Luthero bekannten, bisher als eine amtliche Erklärung der Universität aufgefaßten


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Aufruf gegen die Bannbulle zu, der die energische Ablehnung Ecks und der Bulle seitens Erfurts zur Folge gehabt hat. -- Auch das Verhör Matthäus Albers vor dem Reichsregiment in Eßlingen über 52 ihm vorgelegte Fragen, 1525, das Volk ( 2241) behandelt, ist für die Art des Vorgehens gegen evangelische Prediger allgemein interessant; Volk druckt das Protokoll des Verhörs ab. -- Für die innere Verbindung, die zwischen den Reformatoren einerseits und humanistisch, reformerisch, irenisch eingestellten Gliedern der alten Kirche anderseits vorhanden war, und die gleichwohl vorhandene innere und äußere Distanz ist die Gestalt des Wittenberger Pädagogen Veit Amerbach, über den L. Fischer ( 2200) geschrieben hat, typisch; wenn F., wie schon Döllinger, ihn als Konvertiten bezeichnet, so kann demgegenüber gesagt werden, daß A. doch wohl nie an einen Bruch mit der alten Kirche gedacht hat. -- Für den starken melanchthonischen Einschlag im deutschen »Calvinismus« ist die Studie von Burkhardt: Zacharias Ursinus (einer der beiden Verfasser des Heidelberger Katechismus, 1563) in seinem Abhängigkeitsverhältnis von Melanchthon (Neue kirchl. Ztschr. 37, S. 669--700), zu beachten. Auch der genannte Katechismus sucht ja ohne Widerspruch gegen Calvin, aber auch ohne Bekämpfung der lutherischen Abendmahlsauffassung und ohne calvinische Prädestinationslehre den Zusammenhang mit der deutschen Reformation (Typus Melanchthon) zu bewahren. -- Die Zwingliforschung hat außer dem Fortgang der kritischen Zwingliausgabe ( 2188) zunächst W. Koehlers Edition der Randglossen Zwinglis zu seinen Büchern zu verzeichnen. Hatte er in ZKG., N. F. III, 1921, S. 41 ff.; V, 1923, S. 49 ff. die Randglossen zu Aristoteles, Theodor v. Gaza, Athanasius und Augustin behandelt, so kommt er in diesem Jahrgang ( 2191) zu den alttestamentlichen Randglossen in Zwinglis »Hausbibel«, die für die Erkenntnis des Exegeten Zwingli von Wichtigkeit sind. Das auch von W. Koehler dargebotene Zwinglibuch ( 2189) übermittelt durch seine 277 Quellenstücke (die schweizerdeutschen im kommentierten Original, die lateinischen in Übersetzung) ein sehr anschauliches Bild von Zwinglis Wesen und Werk, wobei das eigentlich Theologische gegenüber seiner Kirchenreform, Bundespolitik, Sozialarbeit freilich etwas stark zurücktritt. Die Bullingersche Reformationschronik gibt den Faden zur Aufreihung der einzelnen Quellenstücke her. Koehlers Aufsatz über die Abendmahlsauffassung Zwinglis ( 2190) verteidigt seine Darstellung in seinem großen Buch »Luther und Zwingli« (1924) gegen Einwendungen Karl Bauers in Theol. Blätter 1926, S. 217--226; er hält diesem gegenüber daran fest, daß Zwingli erst um 1524 die rein symbolische Auffassung gewonnen und vorher die leibliche Realpräsenz Christi im Abendmahl in erasmianischer Art vertreten habe (Fortsetzung der Diskussion beider in ZKG., N. F. 9, 1927, S. 97 ff.; 10, 1928, S. 47 ff.).


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