IV. Wirtschaftsgeschichte.

Führten schon die Untersuchungen zur Familiengeschichte mehrfach in die Wirtschaftsgeschichte hinein, so sind dieser auch mehrere Sonderarbeiten gewidmet. Die ländliche Siedlung und Wirtschaftsweise zur Ordenszeit behandeln M. Rousselle für den Kreis Pr. Eylau ( 605) und H. Gollub für den Kreis Ortelsburg ( 606). Das Gebiet um Ortelsburg wurde erst in den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts stärker besiedelt. Die Einwanderer stammten meist aus den benachbarten, nicht lange vorher selbst erst besiedelten Komtureien Osterode und Elbing. Außer Deutschen wurden Preußen und später auch Polen in größerem Umfange herangezogen, so daß um 1450 das Verhältnis der Deutschen, Preußen und Polen auf 2: 3: 3 berechnet wird. Für die Frühgeschichte des preußenländischen Handels ist die Zusammenstellung der Funde römischer und byzantinischer Münzen durch Sture Bolin wichtig, durch die Hollacks ältere Angaben überholt werden ( 833). Die Ausbreitung der Wikinger an der südlichen Ostseeküste hat W. La Baume an Hand der Bodenfunde dargelegt ( 831). Die Geschichte der Ordensdomänen Sobbowitz und Wartsch hat in allen Einzelheiten und bis in die neueste Zeit hinein J. Muhl bearbeitet ( 328) und damit ein wertvolles Gegenstück zu den Untersuchungen von R. Stein über »Die Domänenverkäufe in Ostpreußen am Anfang des 19. Jahrhunderts« geliefert ( 1872). Auf die Entstehung der vielerörterten ostdeutschen Gutsherrschaft und Gutswirtschaft werfen diese Studien manches neue Licht. Einem besonderen Zweig des ländlichen Lebens, der Jagd, hat K. Stadie leider nur unvollständig hinterlassene Sammlungen gewidmet ( 1704). Das von ihm belegte Vorkommen des Auerochsen, des Wildpferdes, des Bären und Wolfes, des Bibers und Luchses sowie des übrigen jagdbaren Wildes klärt die historische Tiergeographie auf. Auch die in Ostpreußen üblichen Formen der Jagdgerechtigkeiten und Jagdgewohnheiten werden gestreift. In größerem Rahmen legte W. Geisler die ländlichen Siedlungsformen des deutschen Weichsellandes dar und führte durch Vergleich archivalischer Zeugnisse mit alten Katasterplänen den überzeugenden Nachweis, daß auch die vielfach als slawisch betrachteten Straßendörfer deutscher Herkunft sind ( 595). Hinter diesen Beiträgen zur Geschichte der Landwirtschaft stehen die Forschungen zur Handels- und Gewerbegeschichte zurück. Der im 17. und 18. Jahrhundert blühenden Industrie der Gold- und Silberdrahtzieher in Danzig ist S. Rühle nachgegangen ( 1871). Eine Festschrift für den Präsidenten der Danziger Handelskammer W. Klawitter vereinigt ferner Beiträge zur Geschichte des Schiffbaues, des Hafens und der Schifffahrt von Danzig ( 1869). J. Kaufmann gibt in ihr einen Überblick über die Geschichte des Danziger Hafens, wobei im Hinblick auf die auch schon vor den Völkerbund getragenen Streitigkeiten über die Abgrenzung der polnischen und Danziger Hafenbefugnisse in der jetzigen Hafenverwaltung die Eigentumsverhältnisse der Stadt Danzig an ihrem Hafen im Laufe der Jahrhunderte abgeleitet werden. W. Recke bespricht anschaulich die Entstehung


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der Dampfschiffahrt in Danzig in der Mitte des 19. Jahrhunderts, an denen die von dem Jubilar geleitete Werft maßgebend beteiligt war. Dem politischen Kampfe gegen die Herrschaftsgelüste Polens auf Danziger Boden verdankt auch die Schrift von Johann Fürst über den Widersinn des polnischen Korridors ihren Ursprung ( 593). Die von polnischer Seite ausgestreuten Behauptungen von einer Förderung Danzigs und einer Nichtschädigung Ostpreußens durch die neuen Staatsgrenzen werden durch genaue wirtschaftsstatistische Angaben widerlegt und dabei auch zahlreiche in der Weltmeinung verbreitete Irrtümer über die »geschichtlichen« Anrechte Polens auf den Zugang zum Meere aufgedeckt. Obwohl das Buch in erster Linie dem politischen Tageskampfe dienen soll, wird es später eine wichtige Quelle zur Beurteilung der Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit darstellen.


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