V. Städtegeschichte.

Auf dem Gebiet der Städtegeschichte zeigt die rechtsgeschichtliche Forschung stärkere Belebung. A. Semrau hat seine Untersuchungen über die Rechtsverhältnisse von Thorn und Kulm neuerdings mit bestem Erfolge auf Elbing ausgedehnt, dessen mittelalterliche Zustände trotz der vorzüglichen Untersuchungen von Toeppen und Brünneck noch weiterer Klärung bedürfen. Er gab die Willküren der Altstadt und Neustadt Elbing heraus mit wertvollen Erläuterungen ( 1594). Eifrige Auseinandersetzungen über das älteste Danziger Stadtrecht hat das 1924 erschienene Buch E. Keysers über die Entstehung von Danzig hervorgerufen. Gegenüber der bisher geltenden Auffassung wurde die Gründung der deutschen Stadt Danzig in die Zeit um 1224 verlegt und diese als Nachfolgerin einer noch älteren deutschen Marktsiedlung erwiesen. Demgegenüber möchte Stephan an der älteren Datierung der Stadtgründung um 1235 festhalten und auch der Nikolaikirche wie bisher trotz der gegenteiligen urkundlichen Zeugnisse ein höheres Alter als der Katharinenkirche zusprechen ( 1592). Gleichzeitig legt O. Loening Ausführungen über das Verhältnis zwischen dem Lübecker Recht und dem Magdeburger Recht vor, die sich nach Keysers Darstellung am Ende des 13. Jahrhunderts in Danzig abgelöst haben ( 1593). Einen weiteren Beitrag zur Danziger Rechtsgeschichte bringt Keyser in der Mitteilung eines Rechtsstreites über ein Aufwertungsgesetz aus dem Ende des 18. Jahrhunderts ( 1870). Es ist bemerkenswert, daß damals ganz ähnliche Gedankengänge verfolgt wurden, wie sie in den letzten Jahren über den gleichen Gegenstand geäußert sind. Der Geschichte des Danziger Artushofes ist Keyser gleichfalls nachgegangen, indem er ältere Datierungen, die seine Entstehung in die Zeit um 1350 verlegten, als unbegründet ablehnt und seine Anfänge auf die Zeit um 1320 zurückführt ( 603). Unter den übrigen Arbeiten zur ost- und westpreußischen Stadtgeschichte zeichnet sich die Geschichte der Stadt Ortelsburg von H. Gollub durch die tüchtige Auswertung aller archivalischen Quellen und ihre anschauliche Darstellung aus, die durch mehrere Lichtbildaufnahmen belebt wird ( 330). Zwar hat das kleine Städtchen für die weitere Landesgeschichte keine Bedeutung gehabt. Um 1350 begegnet der Ort als Sitz eines »festen Hauses« des Deutschen Ordens zum Schutz gegen die Wildnis, seit 1580 als Marktflecken und wird 1616 mit einer Anzahl städtischer Rechte ausgestattet. Seinen Aufschwung verdankt er erst dem größeren Zuzug der Bevölkerung, der allgemein im Lande um 1600 festzustellen ist. Die neuere Zeit zeigt den typischen Ablauf der Geschichte einer ostdeutschen Kleinstadt, die bei Ortelsburg durch die


S.522

fast völlige Zerstörung durch den Russeneinfall 1914 und ihren seitherigen Neuaufbau noch eine besondere Prägung empfängt. Zur Kennzeichnung dieser Entwicklung sind mehrere Stadtpläne beigefügt. Andere geschichtliche Darstellungen, die jedoch ohne tieferen wissenschaftlichen Wert sind, wurden den Städten Tilsit und Gilgenburg gewidmet (331--332).


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)