I. Mecklenburg.

Die Hoheitsrechte auf dem Gewässer der Lübecker Bucht waren bereits in früheren Jahrhunderten zwischen Lübeck und Mecklenburg Anlaß zu Meinungsverschiedenheiten, die jedoch immer wieder beigelegt worden waren. Seit dem Erlaß des Lübecker Fischereigesetzes vom Jahre 1923 jedoch fühlt sich Mecklenburg in seinen Hoheitsrechten an seiner Küste in der Lübecker Bucht aufs empfindlichste getroffen. In dem ausgebrochenen Kampfe befehden sich beide Parteien mit geschliffenen Gutachten, die man wegen ihrer Zahl bereits mit Siglen unterscheidet. Aus dem Berichtsjahre sind von Mecklenburgischer Seite drei Gutachten erwähnenswert. Langfeld ( 572) will die von der Gegenseite erhobenen Zweifel an der Rechtsgrundlage für den Streit widerlegen. Nicht das von Lübeck angenommene Gewohnheitsrecht, sondern das Völkerrecht, das durch die Zeit weder rechtsmehrend noch rechtsmindernd wirkt, ist nach ihm allein der Boden, auf dem die Hoheit in den strittigen Küstengewässern beruht. Auf dieser Grundlage untersucht dann v. Gierke ( 1688) in einem scharfgegliederten Gutachten die Hoheitsrechte Mecklenburgs an den Küstengewässern. Nachdem er aus Urkunden für die verschiedensten Teile der deutschen Ostseeküste von Ostpreußen an das Vorhandensein von Hoheitsrechten der Küstenherren an den Küstengewässern nachgewiesen hat, entscheidet er sich nach Klarlegung des Umfangs der strittigen Gewässer dafür, daß wohl Mecklenburg, aber nicht Lübeck Hoheitsrechte an dem Küstengewässer vor Mecklenburg ausgeübt hat und kommt somit zu einer Ablehnung der Lübecker Ansprüche. Von Strecker ( 573) ferner wird gegenüber Rörig die Lage der strittigen Reede bei Travemünde bestimmt und nicht bei Rosenhagen, wie Rörig im Sinne Lübecks angenommen hatte. Die eingehende Beweisführung wird durch Karten aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, die in ihren wesentlichen Teilen in Beilagen dem Leser vorgeführt werden, deutlich gemacht. -- Ein lebhafter Wunsch nach Klarheit über die Entwicklung der politischen Geschichte der beiden mecklenburgischen Länder hat die Bearbeitung verschiedener Zeitabschnitte zum Ergebnis gehabt. Winkler ( 1068) weiß die verschlungenen Wege von Verhandlungen und Intrigen, die den Güstrower Erbfolgestreit begleiteten, übersichtlich klarzulegen und seiner Darstellung die Plastik eines Bühnenspiels zu geben. Obwohl es sich nur um die Nachfolge des Herzogs von Strelitz in dem Güstrower Anteil handelte, haben fremde Mächte wie Dänemark und vor allem Schweden an dem Streit teilgenommen, der schließlich in Wien zur Entscheidung zugunsten des Schweriner Herzogs geführt wurde. Damit ist aber der Zwist keineswegs beendet; erst die Mächte des niedersächsischen Kreises bereiten in Hamburg eine Lösung vor, die zu der bis heute bestehenden Abtrennung eines selbständigen Landes Strelitz hinführte. Leider bricht die Darstellung mit dem Ausscheiden Gutzmers ab, der dem ehrgeizigen Petkum die Stelle des ersten Ministers in Strelitz räumen muß. --Beste-Benthen ( 1106) zeigt recht deutlich, welche Bedeutung die Macht des Kaisers für einen Territorialfürsten auch im 18. Jahrhundert noch besaß. Während in der preußischen Geschichte durch das selbstbewußte Emporwachsen der landesherrlichen Gewalt der Einfluß des Kaisers völlig zurückgedrängt ist, ist es anders in einem Staate wie Mecklenburg.


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Hier braucht der Landesherr die Anlehnung an den Kaiser im Innern gegen die Macht der Ritterschaft und nach außen gegen gelegentliche Ansprüche der Nachbarn. Für Mecklenburg war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Erlangung eines eignen Obergerichts das höchste Ziel; es wurde durch Fürsprache Preußens sogar in den Frieden zu Teschen 1779 aufgenommen. Doch die Ritterschaft war dagegen und wußte in Wien den herzoglichen Wünschen mit Geschick und Erfolg entgegenzuarbeiten. Immerhin hatten die guten Beziehungen zu Preußen für den Beitritt zum Fürstenbund auch die Rückgabe einiger an Preußen verpfändeter Ämter mit sich gebracht. In dem Reichskriege gegen Frankreich brachte die Aufgebotsfrage mancherlei Sorge und beengte naturgemäß die Mitwirkung und das Hervortreten des Herzogs nicht nur im Feldzuge, sondern auch bei den Verhandlungen. Gleichwohl glaubte er durch die Reichsentschädigung die Erfüllung seiner politischen Wünsche erhoffen zu dürfen. Sie waren aber vergeblich, und auch Napoleon lehnte später das Obergericht wie auch die Kurwürde des Herzogs ab. -- Aus dem 19. Jahrhundert werden die bewegten 48er Jahre in Mecklenburg-Strelitz von Grobbecker ( 1229) geschildert, der mit einer anschaulichen Darlegung der kulturellen Zustände beginnt. Die liberale Strömung führte im Verein mit einer allmählich erstarkenden Presse einen so deutlichen Umschwung herbei, daß selbst die Ritterschaft heftig erschüttert wurde. Unter starker Heranziehung von Denkschriften und Presseäußerungen und im Zusammenhang mit dem deutschen Parlamentarismus werden die Arbeiten des mecklenburgischen Parlaments beleuchtet. In diesem trat sogleich die Lösung der alten ständischen Union mit Schwerin mit all ihren Begleiterscheinungen in den Vordergrund. Darüber geriet natürlich die Ritterschaft in Harnisch, und da sie vom Strelitzer Hofe unterstützt wurde, gewann sie die Oberhand und erzwang auch in Schwerin die Vertagung der Kammer, wodurch den Ständen der Weg zum Landtag in der alten Form wieder geöffnet wurde. -- So wie die Verfassungsfrage des Jahres 1848, rüttelte auch die Frage des Beitritts zum norddeutschen Bund das mecklenburgische Land in seinen Tiefen auf. Pagel ( 1249) ist dieser Entwicklung nachgegangen. Nur ungern hatte sich Mecklenburg der Aktion gegen Österreich angeschlossen, nach dem Kriege verhielt es sich dem norddeutschen Bunde gegenüber, der mit seinem Parlamente auf die Bundesstaaten einzuwirken versuchte, sehr zurückhaltend. In den folgenden Wahlkämpfen zeigten die Stände einen unpolitischen Doktrinarismus und büßten ihr Ansehen empfindlich ein. Die Liberalen jedoch waren auch unzufrieden, da sie eine schnellere Befreiung vom Junkertum erwartet hatten. -- Bereits in den eben erwähnten Darstellungen der verschiedenen Zeitabschnitte wurden die besonderen kulturellen Verhältnisse Mecklenburgs immer wieder beleuchtet und auf ihre Besonderheit gegenüber dem sonstigen Entwicklungsgang in Deutschland hingewiesen. Die Ursache dieser bereits sprichwörtlich gewordenen Eigenart liegt in der Tatsache, daß eine kleine Gruppe von Grundbesitzern in nachdrücklicher Verfechtung ihrer persönlichen Interessen die Lebensgestaltung der übrigen Mitbürger im Lande in eine von ihnen vorgezeichnete Richtung wies. Wie sich das Übergewicht der Ritterschaft im einzelnen auswirkte, legt Scharenberg ( 1644) dar, der die Ritterschaft für die Schäden der Landesverwaltung in vollem Maße verantwortlich macht. Seine Darstellung ist belebt und sachlich, so daß der Verdacht der Tendenz, der an manchen Stellen wach wird, gewiß

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nicht für das Ganze gilt. Besonders die Vernachlässigung der Schule wird hervorgehoben und zum Schluß die traurige Abhängigkeit der Bauern im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts geschildert. Die Lektüre dieser Schrift ist wegen ihres Inhalts nicht erfreulich, aber man darf an solchen Querschnitten nicht vorübergehen, wenn man den gewaltsamen Umwälzungsdrang der jüngsten Gegenwart in seinen Tiefen verstehen will. -- Aus der Geschichte eines engeren Gebietes verdient das Gedenkbuch über: Das alte Röbel ( 322) aufgeführt zu werden. Aus Anlaß der 700-Jahrfeier der Kirche zu Röbel am Müritzsee hat die dortige aus mehreren Gemeinden bestehende Parochie ein Gedenkbuch erscheinen lassen, in welchem durch saubere Bilder anschaulich gemachte Aufsätze aus mannigfachen Wissensgebieten, wie Vorgeschichte, Sagen-, Familien-, Personal- und Gutsgeschichte vereinigt sind. Die umfangreichsten Beiträge beschäftigen sich mit der Ortsgeschichte in weiterem Sinne und mit den Kunstschätzen, besonders den kirchlichen. -- Die seit einer Reihe von Jahren von Stuhr ( 32) aufgezählten Neuerscheinungen fehlen auch in diesem Berichtsjahre nicht. Die Vollständigkeit der bibliographischen Angaben, die Heranziehung von wichtigeren Zeitungsaufsätzen und Besprechungen gibt den etwas über 300 Titeln den Charakter hoher Zuverlässigkeit. Personennamen, Orte und Sachbegriffe sind wie in früheren Jahren zu einem Register zusammengefaßt.


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