II. Pommern.

Es ist anregend, von Wehrmann ( 320), dem bewährten Kenner der pommerschen Geschichte, in kräftigen Zügen eine gedrängte Zusammenfassung der geschichtlichen Entwicklung Pommerns zu erhalten. Auch der kulturelle Hintergrund ist deutlich hervorgehoben. Für die Frühzeit geschah dies mehr als späterhin, wo die politischen Fragen über den Besitz Pommerns im Vordergrunde stehen. Die älteste Anwartschaft besaß Brandenburg, erreichte aber sein zähe verfolgtes Ziel erst auf dem Wiener Kongreß, womit die Darstellung schließt. Ebenfalls eine Zusammenfassung der freilich mehr den Fachmann interessierenden mittelalterlichen Geschichtsschreibung Pommerns bringt Deutsch ( 118). Die Arbeit ist der Abdruck eines Vortrages, der einen größeren Kreis mit dem Stoff bekannt machen sollte, und so kommt es hier im wesentlichen auf die gedrängte Gruppierung des durch Wehrmann in der Geschichte Pommerns bereits erschöpften Materials an. Aus den Bearbeitungen von Teilgebieten der pommerschen Geschichte ist Engelhardt ( 1866) zu erwähnen. Verkehrsfragen beherrschen unser gegenwärtiges Leben wie nie zuvor, und wenn es sich dabei auch fast immer um Fragen zukünftiger Gestaltung handelt, so erhalten doch gleichzeitig Darstellungen früherer Verkehrsprobleme ihren Reiz und sind uns ebenso willkommen. Engelhardt hat hauptsächlich aus Stockholmer Akten die Entwicklung der schwedischen Postverbindungen mit Pommern und in Pommern untersucht und festgestellt, daß die Fragen der Postverbindungen in Abhängigkeit von der Politik stehen, wie ja auch noch heute. Die Erwerbung Pommerns brachte für Schweden mancherlei Postprobleme. Denn Hamburg besaß seit alters eine Postverbindung über Stettin und Danzig nach Memel, die Schweden nun durch eigne Einrichtungen zu ersetzen suchte. Dadurch ergaben sich langwierige Verhandlungen, ebenso mit Mecklenburg und besonders mit Brandenburg, als der Große Kurfürst die Post von Danzig über Stargard nach Küstrin ablenkte, um sie über Berlin nach Hamburg weiter zu leiten. Es wurde zwar von schwedischer Seite der Anschluß nach Stettin wiederhergestellt, aber Brandenburg hatte in jeder Weise


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auf der Ausübung seines Postregals bestanden. Schweden stellte damals auch die direkte Verbindung zur See mit Stralsund her, wodurch der Landweg über Dänemark ausgeschaltet wurde. -- Im Anschluß an frühere Arbeiten (vgl. Jahresber. 1, S. 514 zeigt Klaje ( 1160) die Auswirkung des Landsturmediktes in Pommern. Der Alarm über den Anmarsch der Franzosen von der Elbe her im Frühjahr 1813 schuf die seelische Grundlage für eine begeisterte Ausführung des Ediktes. Nach der Einteilung der Bezirke und der Bildung der Schutzdeputationen begann die Formierung der Mannschaften, ihre Ausrüstung und Einübung. Die Entwicklung wird nicht für jeden Kreis im einzelnen gegeben, sondern der Verfasser rundet das Bild zu einer übersichtlichen Darstellung, indem er die guten Erfolge der Landsturmerrichtung vorführt, aber auch die Schattenseiten nicht unerwähnt läßt. In Schwedisch-Pommern, das bereits im Jahre 1811 einen Landsturm erlebt hatte, erneuerte man 1813 seine Aufstellung, doch mit wenig Glück, da der Verwaltung und auch der Bevölkerung der für eine Massenerhebung nötige Schwung fehlte. -- Gänzlich neues Material bringt Laag ( 2306) in seinen eingehenden Forschungen über die religiöse Krisis in Pommern am Anfang des 19. Jahrhunderts. Die nach den Freiheitskriegen in der Bevölkerung erwachte pietistische Richtung, der auch führende Adelsfamilien sich angeschlossen hatten, geriet in Gegensatz zur Landeskirche. Gleichzeitig erwuchs durch die Einführung der Kirchenunion wie in anderen Provinzen so auch in Pommern eine Opposition, die mit der ersten einen geschlossenen Widerstand gegen die Landeskirche bildete, wenn auch unter ihnen selbst noch mancherlei Spannungen hervortraten. Das wirkungsvolle Auftreten des Pastors Nagel wird besonders hervorgehoben. Da jedoch der Erfolg der Bewegung auf bestimmten Persönlichkeiten beruhte, so sank sie nach Überschreitung eines Höhepunktes wieder zurück.

Gleichfalls hat die Ortsgeschichte einige Arbeiten aufzuweisen, die über den Rahmen der engen Lokalhistorie hinausgehen. Ähnlich wie die Flurnamenforschung hat auch die Untersuchung städtischer Straßenbezeichnungen gegenwärtig in den verschiedensten Gegenden Förderung erhalten. Für Stettin hat C. Fredrich ( 706), wohl der beste Kenner der Topographie Stettins, eine Neubearbeitung der bereits im Jahre 1881 erschienenen Arbeit von H. Lemcke über die älteren Straßennamen Stettins gegeben. Eingehende archivalische Studien schufen die Grundlage der Neuherausgabe und ermöglichten, die Entstehung der Straßenbezeichnungen in engste Beziehung zur Stadtentwicklung zu setzen. Die behandelten Namen sind nach ihrer Bedeutung sachlich gruppiert, mehrfach eingefügte Straßenskizzen und ein Plan der Altstadt erleichtern die Erkenntnis der Ortslage auf bequemste Weise. -- Die bereits im vorigen Bande der Jahresberichte besprochenen und von Altenburg ( 2502) herausgegebenen Briefe des Stettiner Altphilologen Carl Stahr an seinen Bruder Adolf, den Gatten von Fanny Lewald in Weimar, haben eine Fortsetzung erfahren, ohne freilich mehr zu bieten. In der Hauptsache spiegelt sich das Leben des gebildeten Mittelstandes des damaligen Stettin wider; das hat an manchen Stellen bei der sprunghaften Entwicklung der äußeren Verhältnisse Stettins gelegentlich seinen Reiz. Die Briefe beginnen mit dem Jahre 1851 und enden mit 1863, dem Todesjahr von Carl Stahr. -- Aus dem Stralsunder Stadtarchiv, das neben dem Stettiner das wichtigste der pommerschen Stadtarchive ist, wurde das älteste Bürgerbuch von 1319--1348 von Ebeling ( 446) durch


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den Druck der Öffentlichkeit vorgelegt. Die Einleitung beschäftigt sich mit archivalischen, paläographischen und stadtrechtlichen Fragen. Die zunächst überwiegend lokalgeschichtliche Veröffentlichung hat jedoch allgemeines Interesse für die Familiengeschichte und besonders auch für die Siedlungsgeschichte wegen der den Namen beigegebenen Herkunftsbezeichnungen, die hauptsächlich nach Westfalen weisen. Am Schluß befinden sich ausführliche Register über Personen- und Ortsnamen, Stand- und Gewerbezeichnungen und ein Glossar. -- Zur 200-Jahrfeier hat die französisch-reformierte Gemeinde in Pasewalk in Du Vinage ( 2308), einem Nachkommen der ersten Einwanderer Pasewalks, einen glücklichen Geschichtsschreiber gefunden, der auf dem Hintergrunde der allgemeinen Koloniegeschichte der Réfugiés und der Stadtgeschichte von Pasewalk die Entstehung und das Aufblühen der französischen Gemeinde mit viel Sorgfalt und Übersichtlichkeit dargestellt hat. Als 1720 Pasewalk fast ganz verwüstet an Preußen kam, wurde es hauptsächlich mit Hilfe der Réfugiés wieder bevölkert. Leicht wurde es ihnen nicht gemacht. Sie genossen wohl den Schutz bedeutender Privilegien, doch die daraus hervorgehenden Befreiungen von Leistungen mannigfacher Art brachten ihnen viel störende Reibungen mit ihren deutschen Mitbewohnern, die ihrerseits dadurch größere Leistungen auf sich nehmen mußten. Mit dem Erstarken der französischen Kolonie hörten freilich die Sonderrechte allmählich auf, und die Verschmelzung mit der deutschen Einwohnerschaft vollzog sich still und unaufhörlich. Nur in religiöser Beziehung blieb die Kolonie auch weiterhin abgeschlossen, wenngleich ihr niemals ein französisch sprechender Geistlicher zugebilligt war und daher die französische Sprache in der Gemeinde bald in den Hintergrund trat. Eine wertvolle Beigabe ist die Zusammenstellung familiengeschichtlicher Nachrichten über die Réfugiés mit Angabe der Herkunft und des Berufes. In einem besonderen Anhang folgt dann die Geschichte der Pfälzerkolonie Blumenthal, Kreis Ückermünde, den Schluß bildet ein Verzeichnis sämtlicher in der umfangreichen Arbeit genannten Familiennamen. -- Die Familiengeschichte hat Devrient ( 460) durch die Geschichte eines Zweiges seiner Vorfahren, der Familie Grape, bereichert. Sie ist vom 15. Jahrhundert an als ausgebreitetes Adelsgeschlecht im Kreise Kammin und bei Rügenwalde angesessen. Nachlassen der inneren Kraft und gleichzeitig die ungünstigen Wirtschaftsverhältnisse am Anfang des 19. Jahrhunderts verursachten den Übergang in die mittlere Linie der Beamtenberufe. -- Bereits früher von Wehrmann und Gülzow ( 447) gesammelte Hinweise auf Selbstbiographien, die sich auf Pommern beziehen, werden berichtigt und durch neue Funde ergänzt. Es handelt sich jetzt um Memoirenwerke, die überwiegend aus dem 19. Jahrhundert und meist aus Vorpommern stammen. Die bibliographischen Angaben über die einzelnen Werke, deren Inhalt kurz umrissen wird, sind recht knapp, doch dürften sie gerade noch zur Ermittlung ausreichen. Dieser nützlichen, leider in zufällige und zerstreute Gruppen zerteilten Quellensammlung möchte man eine übersichtliche Zusammenfassung wünschen. -- Wieder hat sich, diesmal nach Ablauf von zehn Jahren, Magunna ( 8) der entsagenden Mühe unterzogen, nach dem Muster der früheren, zu weiteren zehn Bänden der Baltischen Studien ein recht eingehendes Register auszuarbeiten. Es enthält eine Übersicht über die Autoren mit dankenswerten biographischen Notizen, eine Aufzählung der Bildbeigaben und das gemeinsame Verzeichnis für Personen- und Ortsnamen und Sachbegriffe.


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