III. Die historische Landeskunde

hat viele Beiträge erhalten. Als Vorarbeit für die Fortsetzung des »Niedersächsischen Städteatlasses« behandelt A. Brenneke ( 400) den »Northeimer Markt und die Urkundenfälschungen im Kloster St. Blasien«. Nach seinen Ausführungen erhielt Northeim das Marktrecht in der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts, allenfalls frühestens mit der Klostergründung, vielleicht erst 1141 durch Vermittlung des Erzbischofs Markulf von Konrad III., spätestens bis zum Oktober 1144. -- H. Graefe ( 401) widerlegt die gegen die Echtheit des Mündener Privilegs dargebrachten Einwände und sieht die Urkunde als inhaltlich echt an. Ihre Datierung ist auf den 7. März 1247 (nicht 1246) zu setzen.

Besonders zahlreich sind auch in diesem Berichtsjahre die Veröffentlichungen auf dem Gebiete der historischen Geographie. Von der Lichtdruckwiedergabe der »Topographischen Landesaufnahme des Kurfürstentums Hannover« aus den Jahren 1764--1786 ist die zweite Lieferung von 21 Blatt erschienen, welche die Fürstentümer Göttingen und Grubenhagen nebst der Grafschaft Hohnstein umfaßt ( 557). -- A. Herbst ( 558) behandelt in guter Verbindung historischer und geographischer Methode das Verkehrswesen der Landschaft zwischen dem Harz und dem Bergland der Oberweser, die von jeher eines der wichtigsten Durchgangsgebiete Mitteleuropas gebildet hat. Er legt zunächst bewußt das Schwergewicht auf die jüngere Zeit, für die eine reiche urkundliche Überlieferung vorhanden ist, und sucht dann auf Grund älteren Materials, zeitlich zurückschreitend, zu zeigen, daß oder inwieweit jene Verkehrswege auch schon im Mittelalter bestanden. Die Darstellung ist von eingehendem Quellenstudium und gründlicher Sachkenntnis getragen. Eine übersichtliche Karte erläutert die gefällige Darstellung. -- E. von Lehe ( 559) gibt eine Beschreibung der historisch-geographischen Entwicklung und der Verwaltungsgeschichte des ehemaligen Erzstiftes Bremen vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, doch nicht des gesamten Gebietes, sondern nur von drei Verwaltungsbezirken, nämlich des Amtes Vörde, des Landes Wursten und des Gogerichtes Achim. Maßgebend waren für diese Auswahl die verschiedenartigen geographischen Grundlagen, die einen starken Einfluß auf die historische Entwicklung, besonders durch den Gegensatz zwischen Marschund


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Geestbezirken, ausüben, und die politischen Verhältnisse. Die sorgfältige und mühsame Veröffentlichung ist eine Vorarbeit zum »Historischen Atlas von Niedersachsen«. Ihr Wert wird durch drei vorzügliche Karten, ein Quellen- und Literaturverzeichnis und vor allem ein Register der Verwaltungsbezirke und Siedlungen noch erhöht. -- R. Martiny ( 560) erörtert die Kausalbeziehungen, die bei der Entstehung Osnabrücks gewaltet haben, wenigstens einige von ihnen, die sich in Lage und Gestaltung äußern. Da die Lage- und Gestaltungsverhältnisse Osnabrücks sich gleicherweise mit den Wandlungen der Ortsqualität auch gewandelt haben, behandelt er alle diese Verhältnisse gesondert von der ältesten bis zur neuesten Zeit, in der die Entstehung von Industrie in Osnabrück selber den alten, heimatlich beschränkten Rahmen gesprengt hat. Für die ältere Zeit hat der Verfasser eigene siedlungskundliche Forschungen getrieben. -- Eine auf eingehenden orts- und familiengeschichtlichen Studien beruhende Abhandlung F. Buschs ( 563) beschäftigt sich mit der Vergangenheit des kleinen Dorfes Gretenberg bei Sehnde, das zu den 14 Dörfern des sogenannten »Großen Freien«, der vormaligen Amtsvogtei Ilten, gehörte. Auf eine allgemeine Ortsgeschichte folgt die Geschichte der einzelnen Höfe und ihrer Besitzer, sowie der Schule des Dörfchens, das jetzt zum Kreise Burgdorf gehört. Die Beziehungen der einzelnen Höfe zueinander veranschaulicht eine »Verschwägerungstafel«. -- Mit der Burg auf dem »Harlingeberg bei Vienenburg« beschäftigen sich zwei kleinere Abhandlungen. L. Schaar ( 566) setzt eine vorgeschichtliche Wallanlage aus lose aufeinander geworfenen Steinen voraus und erklärt daraus das Vorhandensein des erforderlichen Baustoffes für die schnelle Aufführung der Burg im Winter 1203--1204. Auf diese hier im Vordergrunde stehende Frage geht W. Lüders ( 565) nicht ein. Er liefert eine Monographie über die von Otto IV. im genannten Jahre als Reichsburg erbaute und unter seinem Nachfolger zur welfischen Territorialfeste gewordenen Burg. Die Geschichte von 1252--1291, dem Jahre der Zerstörung, wird in einem dritten und vierten Teile folgen. Alles in allem ein wertvoller Beitrag zur Entstehung der welfischen Landesherrschaft.

Die an Braunschweiger Beispielen geführte Untersuchung über die »Herkunft niedersächsischer Bürgerhäuser« durch K. Steinacker ( 567) kommt zu dem Ergebnis, daß das bürgerliche Fachwerkfronthaus Niedersachsens nicht aus dem Bauernhause abzuleiten ist, wie man es bisher auf Grund der beiden Hausarten gemeinsamen »Däle« tat, sondern daß es eine ganz spätmittelalterliche Schöpfung ist, die schwerlich über das 15. Jahrhundert zurückreicht. -- K. Fr. Leonhardt ( 698), der die Sammlung »Alt-Hannover. Beiträge zur Kultur und Geschichte der Stadt Hannover« (vgl. Nr. 193) herausgibt, hat -- von der Gegenwart ausgehend -- auf Grund umfangreicher Quellen zur Grundstücksgeschichte, an denen das Stadtarchiv zu Hannover reich ist, die Reihe der Hausbesitzer in Alt-Hannover bis zum Jahre 1428 zurück aufgestellt und damit jedem Grundstück des alten Hausbuches seinen Platz innerhalb des heutigen Stadtplanes zugewiesen. Die im Jahrgang 27, S. 22--139 begonnene Abhandlung schließt der Bearbeiter im vorliegenden Jahrgange mit einem Verzeichnis der Hausbesitzer nach Namen, Wohnung und Zeit. Am Ende des Straßenkatalogs ist eine Untersuchung über die Befestigung der Altstadt im Mittelalter angefügt.

Zur historischen Namenkunde liefert Zahrenhusen ( 719) einen anregenden


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Beitrag. Er stellt fest, daß in den heimischen Personen- und Ortsnamen sich zwei Schichten finden, die mundartlich verschieden sind und daher auf verschiedene germanische Stämme hinweisen, neben der schlechthin niederdeutschen eine als ingävonisch zu bezeichnende Schicht, und gibt eine gedrängte Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse.


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