III. Rechts- und Verfassungsgeschichte.

Da das Stadtrecht Schleswigs ein verhältnismäßig hohes Alter (seit 1252?) besitzt, geht auch das älteste Siegel, wie H. Philippsen ( 494) nachweist, in verhältnismäßig frühe Zeiten zurück.


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Daß von Ph. in Verbindung mit den Stadtsiegeln die beiden Siegel der Schleswiger Knudsgilde veröffentlicht wurden, ist um so verdienstlicher, als über diese Genossenschaft, ihre Entstehung, ihre Organisation usw. kaum Überlieferungen vorhanden sind. Die Siegel lassen jedoch den Schluß zu, daß anfangs Knud Laward, der erste »Herzog von Schleswig«, und erst danach König Knud der Heilige von Dänemark als Patrone der Gilde verehrt wurden. -- K. Boie, ein Enkel des Hainbunddichters, hat ( 493) in jahrelangem Studium die Siegel seiner Dithmarscher Heimat gesammelt und nunmehr die das Mittelalter betreffenden Stücke veröffentlicht und beschrieben, wodurch die Geschichte des alten Bauernfreistaates eine einzigartige Illustration erfährt. Während die beiden ältesten Landessiegel entsprechend der anfänglichen Vormachtstellung Meldorfs das Bild von dessen Schutzheiligen, Johannes dem Täufer, tragen, drückt sich in den späteren Siegeln die Herrschaft des in Heide residierenden Kollegiums der »Achtundvierziger« aus. Jetzt wird darauf der heilige Oswald, zur Erinnerung an die ruhmreiche Schlacht am Oswaldustage (im Jahre 1404), dargestellt. Auch der Umstand, daß das erzbischöfliche Wappen von Bremen auf dem Siegel erscheint, deutet nicht etwa auf die besondere Ergebenheit Dithmarschens gegenüber dem Bremer Erzbischof, sondern auf die Absicht, durch den Hinweis auf die Zugehörigkeit zum Erzstift Bremen mißgünstige Nachbarn fernzuhalten. Nach dem großen Sieg bei Hemmingstedt 1500 griffen aber die stolzen Bauern zu einem vorher nie gekannten großartigen Prunksiegel, bis sie dann den Unterwerfungsvertrag unter die Fürsten 1559 nur noch mit einem Bildnis der Mater dolorosa besiegeln mußten. Nach der Teilung des Landes gab es bloß Landschaftssiegel für jeden der Teile. Kulturhistorisch bedeutsam sind auch die Siegel der Kirchspiele Dithmarschens, weil diese kleine Republiken innerhalb der »universitas« des Landes bildeten und sogar bei Friedensverträgen als Garanten mitwirkten, aber nicht weniger die Siegel der Städte und der Geschlechter, die B. mit gleichem Spürsinn entdeckt hat.

Mit großer Sorgfalt wird von R. Hansen ( 1631) die verfassungsgeschichtliche Entwicklung Süderdithmarschens, d. h. des dem König 1559 zugefallenen Teiles des einstigen Dithmarscher Bauernfreistaates verfolgt, die Verwaltungs- und Justizorganisation nach den verschiedenen Beamtenkategorien, die Stellung der Gouverneure, Landvögte, Landschreiber, Kirchspielvögte und Kirchspielschreiber, der Landesgevollmächtigten, der Aktuare, der Pfennigmeister sowie des Kirchspielkollegiums und der Bauerschaftsgevollmächtigten, der Landesrepräsentation oder des Landesvorsteherkollegiums; dabei tritt das verfassungsgeschichtlich höchst interessante, bunte Bild einer Mischung von königlicher Verwaltung und Selbstverwaltung hervor. -- Gegen die auf Neocorus zurückgehende herkömmliche Schilderung des Vorgehens Wiben Peters, des Michael Kohlhaas Dithmarschens, erhebt O. Opet ( 1635) Einspruch, insofern er auf Grund scharfsinnigster Quellenkritik dessen Fehdeansage an die Heimat erst auf den Zeitpunkt verlegt, da dieser bereits das Land verlassen hatte. Auch wird von O. auf den von Neocorus nicht erwähnten Freispruch, den das Rendsburger Blutgericht zufolge der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. von 1544 im Jahre 1554 fällte, zurückgegriffen, wonach Wiben Peter keinen Anlaß mehr zu weiterer Fehde hatte. Daß er sich dann doch zu dieser hinreißen ließ, rechtfertigte gleichwohl nicht den Totschlag, den auf Helgoland die Dithmarschen an ihm verübten. Die Annahme, Wiben Peter sei der Herausgeber des


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Dithmarscher Landrechts gewesen, er habe dieses durch willkürliche Änderungen und Auslassungen entstellt und sei deswegen von seinen Landsleuten verurteilt worden, verweist O. mit Recht in das Gebiet der Sage. -- Als Festschrift zur Fünfhundertjahrfeier der seit dem 16. Jahrhundert so bekannten Siebenhardenbeliebung hat M. Pappenheim ( 1583) den Text jenes aus dem Jahre 1426 stammenden Rechtsbuches von 7 nordfriesischen Harden in einer kritischen Neuausgabe, und zwar unter erstmaliger Berücksichtigung der 7 Handschriften der Kopenhagener Königlichen Bibliothek wiedergegeben. Vor allem ist hierzu von ihm eine ausführliche Entstehungsgeschichte verfaßt und dabei der politische Hintergrund meisterhaft entrollt worden. Demnach hatte Magnus Hayessen im Auftrage Herzog Heinrichs von Schleswig auf der Föhrer Tagung 7 nordfriesische Harden am 17. Juni 1426 zur Heeresfolge aufbieten wollen, diese aber vereinbarten untereinander statt dessen eine Sicherung ihres überkommenen Rechts und seiner Handhabung gegen Eingriffe und Neuerungen. Es handelt sich also, wie P. feststellt, nicht um eine herzogliche Bestätigung alter Rechte, sondern um eine frei gewollte, selbständige Rechtsordnung, um eine schriftliche Fixierung nicht des vollständigen, sondern nur eines Teiles, allerdings des wichtigsten Teiles alter Rechtsätze als eines gemeinsamen Besitzes. Erbrechtliche Fragen stehen im Mittelpunkt, aber ebenso gewichtig sind auch die Vereinbarungen über den gegenseitigen Verzicht auf das Strandrecht, über die Autonomie der Harden, die so weit geht, daß sie das Recht, Krieg zu führen und Frieden zu schließen, für sich beanspruchen. Je stärker indes die landesherrliche Gewalt sich durchsetzte, um so mehr verloren diese letzten Bestimmungen an Geltung. Auch wurde das Jütische Lov zu einer subsidiären Rechtsquelle. Vollends das Nordstrander Landrecht von 1572 brachte die entscheidende Verkürzung der Freiheiten der 7 Harden. Aber, wie P. ebenfalls zeigt, hat gerade dieses neue Rechtsbuch infolge des wesentlich privatrechtlichen Charakters der Siebenhardenbeliebung auch den übrigen Inhalt derselben nahezu vollständig und unverändert übernommen, so daß das in der Beliebung aufgezeichnete Recht bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches gesetzliche Geltung bewahrt hat. -- Nach einer Miszelle von R. Krohn ( 1633) wurde das Rechtsinstitut des in Ritterkreisen üblichen »ehrlichen Einlagers«, der freiwilligen Ergebung in Schuldhaft, wie im übrigen Deutschland so auch in Holstein durch die Reichspolizeiordnung Kaiser Rudolfs II. verboten, und König Friedrich II. von Dänemark hat ein gleiches Verbot 1587 für das Amt Steinburg erlassen. Aber schon 1604 ist auf Betreiben der Ritterschaft durch Christian IV. -- trotz jenes reichsgesetzlichen Verbots -- das Einlager wiedereingeführt und im Westfälischen Frieden und im Reichstagsabschied von 1654 zugunsten Holsteins ausdrücklich anerkannt worden, so daß es hier als Hort des Kredits bis 1866 in Geltung blieb.


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